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Von Albert zu Babler: Der steile Abstieg von A nach B

Als Kind hat er einmal die "Zauberflöte" gesehen (das ist die mit dem lustigen Papageno). Dann hat er vor ein paar Jahren auch noch "Carmen" gesehen (das ist die mit dem tollen Stierkämpfer wie beim letzten Urlaub). Gefragt nach einem Lieblingsroman nennt er die Krimi-Autorin Beer. Er bekennt sich offen zur Popularkultur. Jetzt aber ist er Kulturminister der Republik Österreich (Österreich, das war einmal eine Kulturnation).

Der Hilfsarbeiter aus Traiskirchen versteht nicht nur von Wirtschaft nichts (außer, dass er das dumpfe Gefühl jedes aufrechten Linken besitzt, höhere Steuern und mehr Schulden seien immer gut). Er versteht auch von Kultur nichts. Aber er interessiert sich für Fußball.

Gewiss: Mit dieser Grundhaltung deckt sich Andreas Babler wahrscheinlich mit der Mehrheit der Österreicher. Also wird sie ihm nicht sonderlich schaden.

Andere könnten freilich entsetzt sein, dass so jemand Kultuminister wird. Das ist so, wie wenn ein Gesundheitsminister nicht den Unterschied zwischen einer Lungenentzündung und einem gebrochenen Bein begreifen würde.

Das Avancement Bablers ist ein jammervolles Absacken eines Landes, dessen Spitzenpolitiker früher meist sehr kulturaffin gewesen sind. Einmal abgesehen vom Neujahrskonzert, wo manche vor allem nur deshalb hingehen, um sich den Fernsehkameras zu zeigen, habe ich selber in den letzten Jahren in normalen Vorstellungen der großen Bundestheater oder im Musikverein ganz zufällig folgende Herren aus der politischen Spitze mindestens einmal gesehen (leider keine Damen aus der Politik), bei manchen war das auch in ihrer aktiven Zeit der Fall: Wolfgang Schüssel, Andreas Khol, Peter Kostelka, Wolfgang Sobotka und Franz Vranitzky (diesen zumindest einmal in der Volksoper). Wiener Bürgermeister habe ich hingegen seit Helmut Zilk nie einen in einer Kultureinrichtung gesehen.

Diese Liste erhebt zwar keinen Anspruch auf Vollständigkeit – sie ist in Babler-Zeiten aber jedenfalls zu einer wehmütigen Vergangenheitsverklärung geworden.

Das bablersche Kulturniveau macht freilich auch in Richtung der derzeitigen Kulturblase schadenfroh. Denn sooft auch immer Schauspieler & Co in Interviews etwas Politisches zu sagen versuchen, dann gehen ihre Phrasen kaum über den Grundtenor hinaus "Links ist gut, Rechts ist schlecht" (Klassische Musiker sind übrigens in der Regel klüger). Wie haben sie sich doch einst zynisch über Landespolitiker erhaben gezeigt, deren Horizont auch nie über Popularkultur hinausgegangen ist.

Daher kann man mit gutem Grund dieser Blase nur zynisch gratulieren: Jetzt habt ihr das, was euch gebührt!

Man könnte freilich auch grundsätzlich diskutieren: Brauchen wir überhaupt einen Kulturminister? Zwar haben die meisten europäischen Staaten einen solchen. Diktaturen haben sogar ganz intensiv die Kultur instrumentalisiert. So haben Stalin und Hitler  sogar selbst Kulturrezensionen verteilt. Aber die USA haben keinen Kulturminister. Sie hatten ihn weder unter demokratischen noch republikanischen Präsidenten gebraucht. Und doch haben die USA sehr tolle Museen, Opernhäuser, Orchester und Sänger. Sie haben auch in Hollywood den Nabelpunkt der weltweiten Filmszene.

Auch wenn an Amerika nicht alles bewundernswert ist, so beeindruckt dort doch die Trennung von Staat und Kultur. Kultur lebt dort, abgesehen von winzigen Ausnahmen, nicht vom Staat, sondern entweder von Eintrittsgeldern oder freiwilligen Sponsoren. Gerade diese sind dort sehr aktiv – gewiss auch aus Eitelkeit, damit dann etwa unter einem tollen Gemälde dauerhaft steht: "Dauerleihgabe von Ronald Lauder". Aber solche kleinen Hinweise tun niemandem weh. Und der Leihgeber hat ja nur sein eigenes Geld investiert.

Dieses System hat noch einen riesigen Vorteil: Der Kunstgeschmack von Sponsoren ist schon allein durch ihre Vielfalt dem von einem einzigen Kulturminister oder Kulturlandesrat weit überlegen – dies schon deshalb, weil sie die Demütigung fürchten müssen, dass ihr Bild von der Museumsleitung sonst ins Depot verräumt oder zurückgegeben würde. Allein dieser Vorteil ist gewaltig. Davon bin ich überzeugt, seit ich die jämmerliche Qualität der Bilder gesehen habe, die einmal bei einer kurzzeitigen Ausstellung der vom Bund seit 1945 angeschafften Bilder zu sehen war.

Noch viel größer ist der Vorteil in Sachen sozialer Gerechtigkeit: Wie kommt etwa der kleine Hilfsarbeiter dazu, für mein Opernticket mitzahlen zu müssen, der sich sein Leben lang nie für die Oper interessiert hat? Noch dazu leben viele dieser Hilfsarbeiter hunderte Kilometer entfernt von Wien, wo die meisten dieser Hochkultur-Schätze zu sehen sind.

Dennoch scheint es zwei Gründe zu geben, welche die Finanzierung von Hochkultur durch die Allgemeinheit der Steuerzahler rechtfertigen könnten.

Zum einen schafft die Hochkultur gerade im Fall Österreichs so etwas wie nationale Identität. Sie bildet einen Grund, auf sein Heimatland stolz zu sein. Auch jene Menschen, die praktisch nie in Oper, Musikverein, Albertina, Hofreitschule oder Kunsthistorisches Museum gehen, die nie bei den Salzburger Festspielen gewesen sind, äußern sich durchaus stolz auf diese Institutionen, ebenso wie auf Schönbrunn, Stephansdom, Belvedere, Ringstraße oder Hofburg. So wie sie als Grund von Stolz auf ihre Heimat auch Berge, Wachau, den Wein oder die Skifahrer nennen (zumindest in Zeiten, da die Skifahrer besser unterwegs gewesen sind, und da der Weinskandal vergessen ist …).

Leider nennen sie allerdings nie Naturwissenschaftler, Erfinder, Techniker oder die großen Ökonomen früherer Epochen als Grund für ihren Heimatstolz. Die werden ihnen vom Schulsystem auch kaum vermittelt. Leider vergessen sie auch im Bereich der Hochkultur fast immer darauf zu erwähnen, dass diese zur großen Mehrheit aus dem besteht, was die Habsburger zurückgelassen haben, zurücklassen mussten (seien es auch "nur" die angeheirateten wie es der Maria-Theresien-Schwiegersohn Albert Kasimir von Sachsen-Teschen gewesen ist). Besonders peinlich ist, dass ausgerechnet die derzeit im Wiener Rathaus regierenden SPÖ-Genossen, die auch heute noch dogmatisch auf den Anti-Habsburger-Gesetzen bestehen, deren positive Erwähnung einerseits strikt unterlassen, sich andererseits aber damit brüsten, wie beliebt die Stadt Wien weltweit ist, was sie aber nur durch den Wert dieses Erbes ist.

Freilich ist es zweifelhaft, ob Stolz auf die Hochkultur alleine es rechtfertigt, von allen Österreichern hohe Steuern zu kassieren, auch wenn diese einem Teil ziemlich egal ist. Man könnte ja auch argumentieren: Jene Ausländer, jene Österreicher, die die Hochkultur sehen und genießen wollen, sollen halt auch dafür zahlen, sei es durch höhere Eintrittspreise, sei es durch  Sponsern und Spenden.

Zum anderen rechtfertigt aber unabhängig vom emotionalen Stolz ein rein wirtschaftliches Argument durchaus vieles von den staatlichen Kulturausgaben – freilich längst nicht alle: Das ist die sogenannte Umwegrentabilität. Das sind die höheren Einnahmen für Hotels, Taxichauffeure, Restaurants, Luxusgeschäfte usw. durch Touristen oder Kongresse oder internationale Organisationen, die vor allem wegen der seit kaiserlichen Zeiten hier blühenden Hochkultur den Weg nach Wien finden. Das sind die Ausgaben japanischer und koreanischer Musikstudenten. Daher kann die Erhaltung von Opernhäusern, Konzertsälen, Musikakademien und Museen auf höchstem Niveau, aber auch das Halten der Eintrittspreise auf leistbarem Niveau eine absolut kluge Investition sein.

Freilich sollte man ehrlich sein und zugeben: Die Ausgaben für die Wiener Theater im engeren Sinn sind seit vielen Jahren kein relevanter Beitrag mehr für die Umwegrentabilität. Und sie sind auch kein Grund mehr für die Österreicher zu Stolz auf ihre Heimat. Die sprachraumweite Attraktivität des Burgtheaters lebt nur noch in der Rhetorik der heimischen Kulturjournalisten (die damit in Wahrheit ja nur die eigene Bedeutung polstern wollen). Seine einstige Attraktivität ist durch Regietheater, Stückewahl, dekonstruierende Theaterdoktrinen und den kranken Hang zu Nacktheit und ideologischer Primitivpolemik (von Jelinek bis Bernhard) in Wahrheit schon gründlich zerstört worden.

Wohl aus diesem Grunde gibt es seit langem keine veröffentlichte und wirklich ehrliche Analyse zu Umwegrentabilität, Auslastung und Profitabilität der Wiener Theater (zum Unterschied von Salzburg etwa). Das könnte ja den regelmäßigen Rufen nach noch mehr Geld für "die Kultur" schaden.

Aber keine Angst: Bei Babler wird der Subventionsstrom ungeprüft und ungelenkt weiterfließen. Gerade weil Babler besonders wenig davon versteht und daher zu keinem kritischen Blick imstande ist. Gerade weil Schauspieler und Regisseure aus milieutypischer Attitüde heraus als ein paar Generationen zu spät kommender "Antifaschisten" fast alle auf links tun. Gerade weil das Finanzministerium, dessen Aufgabe es eigentlich wäre, neben dem Fachressort auch selbst einen kritischen Blick auf sämtliche Staatsausgaben zu richten, einem Linksaußen überantwortet worden ist.

Daher ist für die SPÖ alles in Ordnung. Daher besteht der einzige Schaden durch einen Kulturminister Babler darin, dass er bei Interviews wieder nach der Kultur gefragt werden könnte, so wie es bei dem am Anfang zitierten Gespräch mit der "Presse" passiert ist. Vorgänger Kogler hat sich noch durch eine Staatssekretärin vor blöden Fragen nach der Kultur zu schützen gewusst (wobei die Erstbesetzung gleich wieder wegen einer ungeschickten Äußerung dieser Staatssekretärin gegenüber den selbstbewussten Hochkulturträgern abgezogen worden ist …). Babler hingegen hat die Gefahr der Blamage gegenüber dieser Blase nicht einmal begriffen. Und er wird daher zu unserem Amüsement wohl noch oft danach gefragt werden. Zumindest wenn es hierzulande noch Reste von auch gegen links kritischem Journalismus geben sollte.

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