Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Österreich braucht keine Regierung – es hat ja eine

Sowohl bei der linken Dreiervariante wie auch bei der rechten Zweiervariante für eine neue Regierung gibt es mehr Sand als Schmieröl im Getriebe, so dass weder die eine noch die andere Variante in Gang gekommen ist. Das ist eine starke Bestätigung für all jene, die seit Monaten zum Schluss gekommen sind: Das Land kann erst wieder in Bewegung kommen, dem Land kann es erst wieder gut gehen, wenn die Herren Nehammer, Babler und Kickl abgetreten sind, von denen jeder ein sehr individuelles Zusatzproblem zu den allgemeinen Problemen der Republik darstellt. Leider ist erst einer der drei weg. Daher ist bisher die Suche nach Koalitionen in beide Richtungen trotz der investierten Monate gescheitert. Daher taucht bei der Frage "Was nun?" neuerdings immer öfter eine ganz neue Idee auf.

Die geht davon aus, was man fast schon vergessen hat: Österreich hat ja eigentlich eine verfassungsmäßige und europarechtlich unbestrittene Regierung. Das Land hat mit ihr eine nach innen wie außen voll funktionsfähige, wenn auch alles andere als spektakuläre Verwaltung. Daher ist es an sich keine Katastrophe, wenn diese Regierung Schallenberg weiter agiert. 

Wo soll dabei eigentlich das Problem liegen, wenn die einfach weiteragiert und im Amt bleibt, bis sich vielleicht doch einmal eine konstruktive Mehrheit findet, welche die notwendigen großen Projekte anzugehen bereit ist? Laut Verfassung sind zwar Parlamentsperioden zeitlich limitiert, aber nicht Bundesregierungen.

Ein längerfristiges Verbleiben der Regierung Schallenberg ist also zumindest aufs erste eine nicht ganz unlogische Lösung. Diese Lösung geht aber nur so lange, bis ihr im Parlament eine Mehrheit das Misstrauen ausspricht. Schallenberg hat ja selbst keine parlamentarische Mehrheit hinter sich. Genauso fatal wäre es für die Regierung und für Österreich, wenn im Parlament eine Mehrheit an der Regierung vorbei jede Menge verantwortungsloser Zuckerl-Gesetze beschließen sollte, bei denen für irgendwelche populistischen Zwecke Geld aus der schon jetzt schwer überschuldeten Staatskasse genommen und unters Volk gestreut wird. Dann würde dieses Land finanziell sehr bald endgültig gegen die Wand donnern.

Eine solche Mehrheit für ein Misstrauensvotum oder für Zuckerlgesetze an der Regierung vorbei würde aber eines voraussetzen: Dass Rot und Blau dabei gemeinsam gegen die Regierung und gegen die wirtschaftliche Vernunft stimmen. Dann aber passiert in Österreich genau das, was die Sozialdemokraten auf beiden Seiten von Freilassing als Einsturz der "Brandmauer" gegen die sogenannten Rechtspopulisten beklagen und zur Megakatastrophe erklärt haben. Dann passiert mit den Stimmen der Roten genau das, wogegen sie derzeit ihre Anhänger zu Hunderttausenden auf die Straße schicken, was sie tagtäglich mit drastischen Formulierungen verdammen, wie: "Das Tor zur Hölle wird aufgerissen", wenn etwa die CDU mit der AfD gemeinsam abstimmt.

Es gibt ja jedenfalls keine wesentlichen Unterschiede zwischen der deutschen AfD und der österreichischen FPÖ. Das sehen die beiden Parteien selbst so, die eng über die Staatsgrenzen kooperieren und sich absprechen. Das sehen aber auch ihre Hasser so: Denn sowohl in Deutschland wie in Österreich beschimpfen die Sozialdemokraten und die Grünen diese beiden Parteien ständig mit dem Vokabel "rechtsextrem". Das heißt zwar nicht, dass diese Bezeichnung stimmen würde, gibt es doch für diese Beschimpfung weder eine nachprüfbare Definition noch Beweise. Aber das heißt sehr wohl, dass man sowohl links wie rechts der Meinung ist, FPÖ und AfD wären praktisch das Gleiche.

Das heißt aber ganz eindeutig auch: Will die Sozialdemokratie nicht endgültig lächerlich werden, darf sie weder in Deutschland gemeinsam mit der AfD noch in Österreich gemeinsam mit der FPÖ stimmen. Nur mit einer Kooperation Rot-Blau gäbe es aber eine Mehrheit für Zuckerlgesetze oder für ein Misstrauensvotum gegen das Kabinett Schallenberg. Nur ein Zusammengehen von Rot und Blau könnte verhindern, dass die Budgets dieser Regierung eine Mehrheit bekommen. Nur wenn Rot und Blau zusammen agieren, werden jene Gesetze abgelehnt, die notwendig sind, um die Einsparungen von 6,4 Milliarden Realität werden zu lassen, die man der EU schon versprochen hat.

Die SPÖ muss – wenn auch gewiss zähneknirschend – das verbleibende schwarz-grüne Kabinett Schallenberg oder eine Beamtenregierung aber auch deshalb tolerieren und mittragen, wenn sie verhindern will, dass die FPÖ in die Regierung kommt. Denn würde die jetzige Regierung gestürzt, dann kommt Blau-Schwarz mit Sicherheit zustande, das zuletzt sehr gewackelt hat. Dann müsste die ÖVP endgültig die von Kickl in seiner unsensiblen Art verlangte Demütigung akzeptieren – oder Neuwahlen, die aber mit Sicherheit mehr oder weniger die gleiche Situation brächten. Denn auch nachher wird die FPÖ einen Koalitionspartner brauchen, den sie nach einem Scheitern der jetzigen Gespräche in der ÖVP dann noch weniger finden wird. Daran kann sie auch dadurch nichts ändern, dass sie höchstwahrscheinlich besser als im letzten September abschneiden dürfte (allerdings zeigen die jüngsten Umfragen einen starken Rückfall ihrer Werte auf 35 Prozent gegenüber dem Spitzenwert von 39, die sie Anfang Jänner hatte, als die Dreier-Gespräche gescheitert waren und Kickl den Auftrag bekam, eine Regierungsbildung zu versuchen).

Dass die SPÖ nichts tun kann – will sie nicht die Hälfte ihrer Wähler an die Grünen oder Kommunisten verlieren –, um Schwarz-Grün oder eine schwarz-links orientierte Beamtenregierung zu stürzen und so der FPÖ in die Regierung zu helfen, ist nicht nur zwingende Folge ihrer eigenen "Brandmauer"- und "Rechtsextremismus"-Hysterie der letzten Wochen, Monate und Jahre. Das ist überdies auch Folge der jüngsten Aktion der SPÖ-Vorfeldtruppe in den ORF-Redaktionen: Dort hat man ausgerechnet jetzt Altbundeskanzler Vranitzky ausgegraben und ihn lange für gleich mehrere Sendungen interviewt, weil er schon 1986 seine Partei auf ein "Nie mit der FPÖ" einzementiert hat, damit er die linken Warnungen vor Blau-Schwarz intensivieren kann..

Was ORF und Vranitzky aber vergessen haben, als sie die FPÖ de facto neuerlich in die Nachfolge zu den Nazis gerückt haben, sind drei zentrale Fakten:

  • Die FPÖ ist seit der Übernahme durch H.C. Strache in keiner Weise mehr durch irgendeinen deutschnationalen Bezug aufgefallen, sondern zu einer fast penetranten Schwingerin von rot-weiß-roten Fahnen geworden.
  • In einer einzigen SPÖ-Alleinregierung (unter Kreisky)  hat es weit mehr ehemalige NSDAP-Mitglieder gegeben als in allen schwarz-blauen Regierungen zusammen.
  • Zu jenem Zeitpunkt, da Vranitzky die SPÖ übernommen hat, hatte diese gerade selber eine dreijährige Koalition mit der FPÖ gehabt, war dann aber erbost über diese, weil sie sich unter Jörg Haider von der Partnerschaft mit der SPÖ geistig abgewendet und eine solche mit der ÖVP angestrebt hat. 

Ein typischer Fall von faktenfrei gemachtem Gedächtnis. So verlogen das alles auch ist, so klar ist doch eindeutig, dass die Reaktivierung von Vranitzky als Parteigewissen der SPÖ jede Aktion der Partei noch absurder macht, welche die FPÖ der Regierung näher brächte.

Aber vielleicht bringt gerade das Kickl dazu, noch im letzten Moment zu begreifen, dass er sein Verhalten bei der Regierungsbildung dringend ändern müsste, dass er die nur auf Augenhöhe mit einem Partner schaffen kann und nicht durch dessen Demütigung.

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2025 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung