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FPÖ und ÖVP müssten eigentlich den linksradikalen Demonstranten aus dem rotgrünen Lager täglich Dankesblumen schicken. Diese versuchen ja derzeit – ähnlich wie in Deutschland – durch Gebrüll auf den Straßen demokratische Entscheidungen zu verhindern und durch Errichtung von "Brandmauern" wider den Wählerwillen linken Parteien ein dauerhaftes Mitregieren zu sichern. Wie man schon vor 25 Jahren gesehen hat, erreichen sie damit aber nur das Gegenteil. Schon damals hat nichts die beiden Parteien rechts der Mitte fester zusammengeschweißt als der Blick auf die Omas, Radfahrer, Langzeitstudenten, Schwulen und Transvestiten mit ihren Skurril-Transparenten. Ohne diese unbeabsichtigte Hilfe von links würden Schwarz und Blau heute wahrscheinlich sogar scheitern, gehen sie es doch viel stümperhafter an als ihre damaligen Vorgänger, scheinen sie doch noch kein einziges Leuchtturmprojekt vereinbart zu haben, obwohl sich sogar mehr als ein Dutzend als besonders dringend anbietet.
Zuerst zum rückblickenden Vergleich.
Tatsache ist, dass 1999/2000 zwei große Strategen mit ihrer Fähigkeit, viele politische Schachzüge voraus zu denken, Blau und Schwarz zusammengebracht haben. An solchen Strategen fehlt es heute hüben wie drüben. Es ist nicht nur Nostalgie, wenn man zwischen den Herren Schüssel und Haider auf der einen Seite und den Herren Kickl und Stocker auf der anderen einen riesengroßen Qualitätsunterschied erkennt.
Christian Stocker ist der erste ÖVP-Chef seit 60 Jahren, der als Chef seiner Partei über eine Regierungsbildung verhandelt, ohne jemals selbst auch nur Minister gewesen zu sein. Das führt zwangsläufig zu Defiziten. Überdies hat er einen Finanzminister an der Seite, der de facto ebenfalls keinerlei Regierungserfahrung hat. Überdies hat ihm Vorgänger Karl Nehammer durch seine schwachsinnige Anti-FPÖ-Festlegung vor den Wahlen jede taktische Möglichkeit verbaut, im Verhandlungspoker eine Alternative, einen Plan B auszuspielen.
Auf der anderen Seite sitzt mit Herbert Kickl ein Mann, der intellektuell – obwohl Chef einer Rechtspartei – in Sozial- und Wirtschaftsfragen weit links von der ÖVP daheim ist, und der emotional eindeutig von Rache getrieben wird und von dem Motiv, die ÖVP zur Strafe für all das, was ihm vermeintlich oder wirklich angetan worden ist, bestrafen und demütigen zu wollen. Ihm fehlt jede Empathie für die Gegenseite, jede Fähigkeit, Gräben zu überwinden und ein geschlossenes, motiviertes Team zu bilden (ganz im Gegensatz zum Charme-Charisma des Jörg Haider und den gemeinsamen Theater- und Tiergarten-Besuchen des Wolfgang Schüssel).
Das sind ganz schlechte Grundlagen für eine vertrauensvolle Partnerschaft. Das war vor 25 Jahren ganz anders. Schüssel und Haider hatten damals schon bei Gesprächsbeginn die größten Brocken beiseitegeräumt. Haider hat schon Wochen vor den ersten Gesprächen mit der ÖVP Journalisten vertraulich signalisiert, welche Ministerien seine Partei haben will, insbesondere das Finanzministerium als zweitwichtigstes Amt nach dem Bundeskanzler von der anderen Seite – aber er hat Wert darauf gelegt, die ÖVP dabei nicht zu überfordern. Und Schüssel hat inhaltliche Prioritäten gesetzt, die einerseits der Regierung eine elektrisierende inhaltliche Perspektive gegeben haben und die andererseits dem marktwirtschaftlichen Denken Haiders (und dann des eindeutig rechtsliberalen FPÖ-Regierungsteams) mehr als recht waren.
Dennoch ist anzunehmen, dass auch jetzt letztlich eine Regierung zustandekommt, obwohl sich Blau und Schwarz bei den Verhandlungen schwachsinniger Weise das Schwerste wie die Ministerverteilung fürs Ende aufgehoben haben, statt es am Anfang anzugehen. Um jetzt doch noch eine Regierung zu schaffen, dazu sollte aber einerseits ein Blick aus dem Fenster auf die linken Omas motivieren, die eine pensionierte ORF-Redakteurin da zusammengetrommelt hat, und andererseits die Erkenntnis, dass wohl beiden Parteien bei den Wahlen letztlich eine Niederlage droht, wenn sie als Versager (die sich dann im Wahlkampf überdies auch wieder öffentlich beschimpfen werden) vor die Wähler treten müssen.
Die ÖVP wird nicht argumentieren können, warum sie den Freiheitlichen nicht das Innenministerium lässt. Es wäre keine nationale Katastrophe, wenn die FPÖ dort halt wieder eine berittene Einheit oder Ähnliches einführt. Und es ist sogar eine glatte Geschichtsfälschung, wenn man Kickl die damals beim – ohnedies immer schon schwachbrüstig gewesenen – Verfassungsschutz durch eine Hausdurchsuchung angerichteten Schäden anrechnet: Denn die Durchsuchung beim BVT ist nun einmal nicht von ihm zu verantworten gewesen. Kickl hat damals nur eine Strafanzeige eines roten Anwalts an die Justiz weitergeleitet (was ihm andernfalls eine Amtsmissbrauchs-Anzeige einbringen hätte können). Für die Hausdurchsuchung sind eindeutig die linke Staatsanwaltschaft und ein Richter, der das erlaubt hat, verantwortlich gewesen, und nicht die Polizisten, die sie dann durchgeführt haben.
Es sind neben der Klugheit der führenden Köpfe und dem erfolgreichen Zusammenschweißen eines Teams vor allem die großen inhaltlichen Projekte, die eine Regierung zum Erfolg machen können, ohne die ihre Amtszeit hingegen nur ein Weiterwursteln wie bisher wäre. Die großen Projekte in der ersten schwarz-blauen Periode waren insbesondere:
Es sind gewiss auch Projekte schiefgegangen wie insbesondere die Strafprozessreform, die Staatsanwälte auf Kosten von Untersuchungsrichtern und Polizei fatalerweise zu mächtig gemacht hat.
Die heute anstehende blau-schwarze Regierung kann zusammen mit dem zwischenmenschlichen Klima nur dann zu einem Erfolg werden, wenn möglichst viele der folgenden – und zur Gänze klugen wie notwendigen – Leuchtturmprojekte tatsächlich umgesetzt werden. Die da sind, die da wären:
Nur eine Erfüllung dieses Arbeitsprogramms sollte der Maßstab sein, nach dem am Ende der Erfolg einer Regierung gemessen wird. Welche Partei da welche Ministerien besetzt, ist hingegen völlig egal, solange die Minister fähig sind und sich an dieses Programm halten.