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In der saudischen Hauptstadt Riad verhandeln der amerikanische und der russische Außenminister über ein Gipfeltreffen zwischen ihren beiden Präsidenten. Dabei soll es vor allem um die Zukunft der Ukraine gehen. Solche Treffen nach dreijähriger Funkstille zwischen den beiden Großmächten sind an sich zwar etwas durchaus Positives – aber gleich aus einer ganzen Reihe von Gründen ist das, was da in Riad stattfindet, in Wahrheit eine Katastrophe. Diese Katastrophe erinnert lebhaft an ein früheres Gipfeltreffen, das einst in Jalta, einer Stadt ausgerechnet in der ukrainischen, aber jetzt russisch besetzten Krim stattgefunden hatte.
In Jalta haben sich im Februar 1945 der russische Diktator Stalin, der schon von Krankheit schwer gezeichnete und geschwächte US-Präsident Roosevelt und der britische Premier Churchill getroffen. Dabei wurde Europa in erschreckender Weise aufgeteilt – mit einer Besitzgrenze sogar mitten durch Deutschland und Österreich. Während Amerikaner und Briten in der Folge dem Westen binnen weniger Jahre Freiheit, Wohlstand und Sicherheit gebracht haben, wurde Osteuropa ohne jedes eigene Verschulden zu vielen Jahren sozialistischer Armut, zu totalitärem Terror und zu demütigender russischer Oberherrschaft verurteilt. Aus all dem konnten sich die Polen&Co erst knapp 45 Jahre später nach zähem Ringen in einer Schwächeperiode der Russen befreien – wobei wohl auch das glückliche Zusammentreffen der Amtsperioden der drei größten Staatsmänner der gesamten Nachkriegszeit geholfen hat. Diese hießen Ronald Reagan, Karol Woytyla und Michail Gorbatschow.
Gewiss ist diese Kurzfassung der Geschichte und der Rolle der genannten jeweils drei Männer etwas holzschnittartig. Zuerst zu 1945: Die heute mit Jalta als Symbolort verbundene Katastrophe für ganz Mittelosteuropa – übrigens auch samt einem totalen Ignorieren des damals aufgeloderten Freiheitkampfs der Ukraine! – wurde ja nicht einfach binnen weniger Stunden in einer Konferenz verursacht. Das war ein längerer Prozess. Bei diesem waren entscheidend:
Die Parallelen der damaligen Vorgänge zur denen in der Gegenwart sind verblüffend wie beklemmend. Wiederum sind die USA – jetzt in Riad und dann wohl bei einem folgenden Gipfeltreffen – bereit, aus anderslaufendem Eigeninteresse ein Land in Osteuropa zu opfern und damit auch gleich den Rest Europas zu gefährden:
Aber die wahre Katastrophe sind noch gar nicht diese Rahmenbedingungen, und das sind auch noch nicht die fatalen Ähnlichkeiten mit Jalta. Denn an sich kann man es ja dennoch als gut und positiv bezeichnen, dass sich Russen und Amerikaner wieder auf höchster Ebene treffen, was sie so lange nicht getan haben. Trotz vieler Kritik war es ja auch richtig, dass etwa Karl Nehammer oder Emmanuel Macron während des Ukrainekrieges nach Moskau gefahren sind, auch wenn diese Reisen ergebnislos geblieben sind. Aber immerhin haben sie es versucht, Putin zu einem Einlenken zu bewegen. Immerhin haben sie genauso die ukrainische Hauptstadt Kiew besucht. Und immerhin haben sie dem Aggressor keinen Quadratmeter ukrainischen Bodens zugesichert.
Die wahren Katastrophen der Trumpschen Ukraine-Politik liegen auf fünf anderen Ebenen:
Die Trump-Administration hat bereits VOR Beginn der Gespräche erklärt, dass die Ukraine nicht ihr ganzes Territorium behalten werde, und dass sie nicht der Nato beitreten dürfe. Sie hat zugleich den Russen das Ende der Sanktionen in Aussicht gestellt. Hingegen gibt es bisher keine einzige Vorwegkonzession Russlands. Sich so zu verhalten, ist eigentlich ein Anfängerfehler von Donald Trump. Denn Russland hat ja im Grund schon alles bekommen, was es will – also weit mehr als den ohnedies großen Prestigegewinn, dass Washington sich wieder auf Augenhöhe mit dem zuletzt als unberührbar behandelten Land zusammensetzt.
Der wiedergewählte US-Präsident hat einen dominanten Charakterzug in seiner Eitelkeit: Er will nie als Verlierer oder erfolglos vom Verhandlungstisch aufstehen. Das ist im wirklichen Leben aber oft eine Katastrophe. Denn das hindert ihn daran, Verhandlungen mit dem manchmal einzig richtigen Satz zu beenden: "Leider nicht geglückt." Seine Rhetorik wird wohl auch einen totalen Sieg Russlands mit blumigen Worten als guten "Deal", als wunderbaren Vorteil für die USA darstellen. Mit dieser Methode hat er ja schon in seiner ersten Periode "geglänzt", siehe etwa seine "Erfolge" gegenüber Nordkorea, die er gerne gefeiert hat, die aber letztlich nur dem dortigen Diktatur genutzt haben.
Trump ist außerstande, den russischen Machthaber zu durchschauen. Er glaubt in seinen Denkstrukturen, dass ihm da ebenfalls ein Geschäftsmann gegenübersitzt, mit dem man dealen könnte.
Die russische Führung hat jedoch erstens keinerlei Handschlagqualität. Das kann man nicht zuletzt an dem brutalen Bruch des Budapester Memorandums von 1994 ablesen. In diesem hatte Russland sich in einer feierlichen Erklärung verpflichtet, die staatliche Unabhängigkeit der Ukraine zu respektieren.
Zweitens ist Putin, wie zahllose eigene Aussagen zeigen, von einer historischen Mission erfüllt: Er will all das, was die einstige Sowjetunion zwischen 1989 und 1992 freigegeben – in Putins Denkweise: verloren hat, wieder zurückbekommen.
Und Putin will drittens Russland wie der von ihm verehrte Zar Peter territorial erweitern und so ganz groß in die nationale Geschichtsschreibung und Heiligenverehrung eingehen. Er vergisst dabei nur völlig das viel wichtigere Erbe Peters: Dieser hat das am Beginn des 18. Jahrhundert im Grund noch frühmittelalterliche Russland mit großen Schritten nach westeuropäischen Vorbildern zu modernisieren versucht. Sehr wohl aber hat Putin etliches von Peters Brutalität übernommen: Dieser soll sogar seinen eigenen Sohn zu Tod foltern lassen haben ...
Am schlimmsten aber am Vorgehen Trumps ist, dass er mit Putin direkt über das Schicksal der Ukraine dealen will (wobei dieser eben schon alle wesentlichen Konzessionen erhalten hat) –, dass er dabei aber nicht die Ukraine am Tisch haben will, um deren Zukunft es ja geht. So sehr es an sich legitim ist, dass Trump mit Putin direkt zusammentrifft, so unerträglich ist es, wenn die beiden Großmächte sich dabei so wie die damaligen Mächte am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts verhalten. Diese haben in mehreren Kongressen recht willkürlich und ohne die Betroffenen zu beachten oder anzuhören, die Grenzen am Balkan oder in Afrika neu gezogen. Ein besonders abstoßendes Beispiel war die Berliner Kongokonferenz 1885, die weitreichende Beschlüsse traf, ohne dass auch nur ein einziger Afrikaner dabei gewesen wäre.
Eine weitere Demütigung haben gleichzeitig die restlichen Europäer erfahren. Diese wurden ebenfalls nicht an den Verhandlungstisch geladen – aber gleichzeitig wurde in den wichtigen Hauptstädten schon angefragt, ob die Europäer Truppen stellen wollen, um eine russisch-amerikanische Ukraine-Vereinbarung zu sichern.
Womit es Trump überdies auch gelang, einen Keil zwischen die europäischen Mächte zu treiben. Denn Briten und Franzosen zeigten sich bereit dazu. Der deutsche Kanzler sagt dagegen nicht ganz zu Unrecht: Wenn die Amerikaner einen "Frieden" aushandeln, ihn aber nicht sichern wollen, dann sind wir nicht dabei.
Und die Ukrainer sagen mit noch viel mehr Recht: Liebe Europäer, ihr braucht uns keine Truppen zu schicken, sondern schickt uns Geld und Waffen, das kommt für euch billiger als eine Entsendung eigener Truppen und ist mit viel weniger Risiko für euch verbunden. Wir kämpfen weiter selber für unser Land, damit aber auch für Europa, das ja durch Putins Rückeroberungsgerede gleichsam bis an die Enns bedroht ist. Europa müsste doch imstande sein, uns auch alleine ausreichend zu helfen, ist es doch wirtschaftlich wie einwohnermäßig viel stärker als Russland. Es müsste nur einig sein.