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Diese Regierung verdient weder Champagner noch Sekt

Das Wichtigste, die Ministerposten, sind fix zwischen den Parteien verteilt, wie man aus verlässlichen Quellen erfährt. Das Wie dieser Aufteilung sorgt freilich für heftiges Kopfschütteln. Und in den noch viel wichtigeren Sachfragen sind sie wieder einmal "in der Zielgeraden" oder was es sonst noch an gefälligen Phrasen gibt, um das gemeinsame Klammern dreier gegen das Ertrinken  kämpfender Parteien an den einzigen Rettungsreifen zu umschreiben. Weit und breit sind keine großen Projekte zustandegekommen, die diese Dreierkoalition inhaltlich rechtfertigen würden. Wenn nicht im letzten Augenblick irgendwo eine noch total verborgene Sensation auftaucht, dann kann wegen des Zusammenkommens dieser Koalition nur in einer einzigen Partei der Champagner geköpft werden, in einer zweiten gerade noch billiger Schaumwein. Bei den anderen Parteien wären maximal Natron und Kohlensäure angebracht, um dem Wasser einen Geschmack zu verleihen. Und die ÖVP sollte angesichts der nunmehr feststehenden Ressortverteilung, bei der sie alles Relevante verloren hat, nicht einmal mit einem Glas Wasser anstoßen. Zumindest hinter vorgehaltener Hand geben viele Schwarze seit einigen Stunden bereits zu: Selbst wenn wir das Innenministerium verloren hätten und nicht den Kanzler haben, wäre die blau-schwarze Vereinbarung für die Wähler und damit auch für uns weit positiver gewesen.

Jubelnd Champagner trinken können nur die Freiheitlichen. Denn ob des jammervollen Starts dieser Dreierkoalition gerät die Hauptschuld ihres Herbert Kickl am Scheitern der blau-schwarzen Gespräche jetzt in Vergessenheit. Umfragen haben ja der FPÖ seit Kickls Hinschmeißen des Regierungsbildungsauftrags eine abrupte Umkehr ihres Höhenflugs gezeigt. Denn die drei künftigen Koalitionsparteien können ihre Regierung ganz offensichtlich nur mit einer einzigen Überschrift versehen: "Hauptsache, wir haben die Freiheitlichen verhindert!"

In den nächsten Jahren wird absolut jeder Ärger über die vielen notgedrungen unpopulären Maßnahmen, die in Zeiten von Rezession plus Megadefizit plus Überalterung plus Ukrainekrieg unvermeidlich sein werden, die blauen Mühlen antreiben. Damit wird jede Enttäuschung über fehlende Reformen den Freiheitlichen zugute kommen. Hingegen gibt es kein Kommunikationstalent, wie es ein Kreisky oder ein Kurz gewesen ist, das von allen Problemen ablenken oder sie erklären könnte.

Die Sozialdemokraten können wenigstens billigen Schaumwein trinken. Sie sind eindeutige Gewinner der Ressortverteilung. Sie bekommen neben dem mächtigen Finanzministerium auch noch alle Ideologieministerien (Frauen, Medien, Kultur), das Sportministerium für Herrn Babler (damit er sich auch ohne Verantwortung wichtig fühlen kann und viele Auftritte im ORF bekommt), das korruptionsaffine Infrastrukturministerium (um die ÖBB zu schützen), das Ministerium mit dem größten Ausgabenvolumen, also Arbeit und Soziales (um jeden Eingriff ins exzedierte  Wohlfahrtssystem zu verhindern).

Vor allem aber bekommen sie das Justizministerium, wo sie die skandalösen Umtriebe der knalllinken WKStA künftig mindestens genauso gut wie Alma Zadic unterstützen können, wo die Staatsanwälte auch in Zukunft wahllos zahllose ÖVP- und FPÖ-Politiker jahrelang durch absurde Verfahren bekämpfen werden. Damit können die Genossen zugleich verhindern, dass in den nächsten Jahren ein kritischer Blick auf den größten Korruptionsskandal der Republik geworfen wird, also auf die gigantischen Bestechungsinserate aus dem Imperium der Gemeinde Wien.

Das ist absolut irre.

Dass die ÖVP den Sozialdemokraten dieses – wie die letzten Jahre gezeigt haben – enorm wichtige Ressort überlassen hat, dass da nicht einmal für einen parteiunabhängigen Minister gekämpft worden ist, zeigt den moribunden Zustand der Partei. Die Volkspartei hat keinen Gestaltungsanspruch und keinen Selbstverteidigungsmut mehr. Sie wird noch tausendfach – so wie einst Sebastian Kurz – bereuen, dass sie die Justiz der Linken überlässt. Und sie wird lernen, dass das einzige Regierungsmitglied, das überall mitreden kann, der rote Finanzminister ist, und nicht der Bundeskanzler.

Der Bundeskanzler-Job ist mit Ausnahme seiner Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Rates ein prestigeträchtiger Titel ohne echte Bedeutung. Er hat keine relevanten Kompetenzen, er kann nicht – wie es sein deutsches Gegenstück de facto über die Richtlinienkompetenz tut – Weisungen erteilen, er kann lediglich dem Bundespräsidenten die zwischen den Koalitionsparteien vereinbarten Minister "vorschlagen" und die Regierungserklärung der Koalition im Parlament vorlesen.

Die Volkspartei bekommt ansonsten das Innen- und das Verteidigungsministerium, das Landwirtschaftsministerium und das Wirtschaftsministerium.

Damit hat jeder der drei Bünde seinen eigenen Schrebergarten gesichert. Der ÖAAB wird wieder mit Sicherheit die Personalvertretungswahlen im Innen- und Verteidigungsressort gewinnen; die Bauern können über ihren Minister in Brüssel mitsprechen, ob die Körndl- oder die Hörndlbauern mehr EU-Gelder bekommen sollen; und die Wirtschaftskammer wird sicher sein, dass "ihr" Ministerium ihr nicht unangenehm wird.

Damit zeigt sich die Nach-Kurz-Partei auf eine reine Ansammlung von Interessen-Gruppierungen reduziert. Die Parteiführung kann strategisch keine zwei Züge voraus denken. Denn das Innenministerium wird täglich nach außen die Schuld am Weitergehen der Migration, an der rasch voranschreitenden Islamisierung und an Anschlägen bekommen – in Wahrheit ist es aber seit der jammervollen Böhmdorfer-Strafprozess-Reform nur noch Erfüllungsgehilfe allmächtig gewordener (und politisch stramm linker) Staatsanwälte. Die Volkspartei zeigt sich in keiner Weise mehr an konservativen Werten interessiert. Das ist eine Partei, die keinen politischen Gestaltungsanspruch mehr hat.

Ach ja, sie bekommt jetzt auch noch ein eigenes Wissenschaftsministerium, außerhalb des bisher umfassenden Bildungsressorts. Kein Mensch weiß, was dieses Ministerium soll: Denn seit dem Universitätsgesetz sind die Uni-Rektoren allmächtig – und schuld am Abstieg der heimischen Universitäten. Die Minister dürfen das bestenfalls bejammern.

Man wird das Gefühl nicht los, dass man in der ÖVP zwei der größten Reformen der Schüssel-Ära einfach verschlafen hat: Die Uni- und die Prozessreform. Beide haben entscheidende Gestaltungskompetenz von den früher mächtigen Ministern für Wissenschaft und Inneres abgezogen, nach denen die ÖVP so gegiert hat.

Die Neos haben sich zwei prestigeträchtige Ressorts gesichert. Vor allem das Außenministerium ermöglicht viele attraktive Auftritte. Von dort aus kann man ständig staatstragende Kommentare zur Weltpolitik abgeben, aber gestalten kann man kaum etwas. Und das Bildungsministerium wollten die Neos immer schon haben – auch wenn man nicht genau weiß warum. Der Herr Wiederkehr hat zumindest als Bildungsstadtrat in Wien absolut nichts geleistet, außer den roten Bürgermeistern die Mehrheit zu verschaffen. Der Zustand der Wiener Pflichtschulen, die ihm unterstanden sind, ist sicher der jämmerlichste Teil des gesamten Bildungssystems der Republik.

Gerade im Bildungsbereich werden die Neos auf Bundesebene jetzt aber massiv versuchen, zusammen mit der SPÖ linke Ideologie  zubetreiben. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass sich das vor allem in zwei Bereichen zeigen wird: Sie werden die Deutschförderklassen abschaffen wollen. Und sie werden wieder regelmäßig eine Gesamtschuldebatte führen, die in den letzten Jahren ja zum Glück eingeschlafen ist. Die Schulen sind daher ein Bereich, wo die ÖVP einen ganz besonderen Erklärungsbedarf ihren Wählern gegenüber bekommen wird, die als Eltern und Lehrer da ganz anders denken als ein Neos-Minister – und die verzweifelt darauf verweisen werden, dass es eigentlich eine rechte, eine bürgerliche Mehrheit im Lande gäbe.

Während man sich im Bildungsbereich von den Neos überhaupt nichts Positives erwarten kann, ist es in jenem Bereich, wo man so viele Hoffnungen auf sie gesetzt hat, leider vollkommen ruhig geworden: Das war ihr Wunsch, ihr Versprechen, für eine Reform des Pensionssystems durch Anpassung des Antrittsalters an die Lebenserwartung zu kämpfen. Das wäre für die langfristige Zukunft der Republik die weitaus wichtigste Reform der neuen Regierung gewesen.

Man darf gespannt sein, wie die Neos-Führung die parteiinterne Abstimmung gewinnen will, die sie vor einem Regierungseintritt laut ihrem Statut durchführen muss. Von den Inhalten, die ihnen angeblich so wichtig waren, ist ja nichts mehr übriggeblieben. Aber letztlich wird das Interesse an zwei Ministerjobs wohl überwiegen.

Gewiss soll man zur Stunde noch nicht ganz das letzte Promille an Hoffnung aufgeben, dass doch noch eine bisher völlig geheim gehaltene positive Überraschung bekanntgegeben wird, dass die neue Regierung doch noch irgendetwas Positives, Mutiges, Zukunftsweisendes für Österreich bringt. Das müssten – neben einer echten Pensionsreform – insbesondere neue Ansätze im Asyl- und Migrationsbereich sein, die über die lächerliche Geldverschwendung eines eigenen Integrationsjahres hinausgehen. Von den vielen wertkonservativen Hoffnungen etwa in den Bereichen Familie, Gender, Wokeness, die vor kurzem mit Blau-Schwarz verbunden waren, von Deregulierung, von einer ORF-Reform, sollte man nicht einmal mehr träumen.

PS: Ja, und dann bekommen alle drei Parteien noch einen Staatssekretär in einem gegnerischen Ministerium zum Aufpassen. Als sonderlich sinnvoll hat sich diese Institution noch nie erwiesen ...

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