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Deutschlands gefährliche Retro-Landkarte

Wie wenn es eine Karte aus bittersten DDR-Zeiten wäre: So sieht heute die politische Landkarte Deutschlands aus. Bitter ist seit Sonntag auch so manches andere bei unserem großen Nachbarn. Daneben sind die Lichtpunkte eher rar.

Die aktuellen Karten Deutschlands mit den Farben der jeweiligen Wahlkreissieger zeigen einen grellen Unterschied zwischen Ost und West. Man kann auf ihnen sofort wieder jene zwei Deutschlands erkennen, wie es sie bis zum Mauerfall und zur Wiedervereinigung gegeben hat. Im Westen ist praktisch alles schwarz-rot eingefärbt mit massivem Überhang für die CDU, in den Wahlkreisen des ehemaligen sozialistischen Unterdrückungsstaates ist hingegen praktisch alles AfD-blau. Nur Berlin zeigt wie auch schon vor 40 Jahren eine gemischte Optik.

Diese Landkarte ist das Bild der wahren Katastrophe des heutigen Deutschland. Wenn die Politik der sich selbst als demokratisch bezeichnenden Parteien so weitermacht, dann droht das Land wieder zu zerfallen – exakt entlang dieser Linie des einst so blutigen Eisernen Vorhangs. Das erinnert auch an Österreich: Dessen nationale Identität ist erst durch die nationalsozialistischen Schrecken und die Demütigung durch die Reichsdeutschen ein Mehrheitsprogramm geworden. Die Menschen haben erkannt, dass sie nicht mehr zur gleichen Nation gehören.

Bei dieser Wahrscheinlichkeit, dass das heutige Deutschland wieder auseinanderfallen könnte, geht es nicht nur um das so auffällig zwischen Ost und West unterschiedliche Wahlergebnis. Dabei geht es noch viel mehr um die Reaktion darauf. Denn Friedrich Merz, der Chef des westlichen Wahlsiegers CDU und der voraussichtlich nächste Bundeskanzler, spricht in unglaublich verächtlich-herablassendem Ton über jene Partei, die de facto im ganzen Osten die Mehrheit stellt, per "mit denen da". Und sowohl die CDU wie auch erst recht die Sozialdemokraten und damit sowieso alle linken Mainstreammedien bezeichnen die AfD auch noch nach dem Wahlkampf als "in Teilen rechtsextrem" (ohne irgendeinen Beweis dafür vorlegen zu können als pauschale Aussagen eines parteipolitisch bestellten Verfassungsschutzes).

Das ist nicht nur unhöflich. Das ist nicht nur undemokratisch. Das demütigt vor allem die Menschen im Osten Deutschlands, die sich ohnedies durch ihr Los in den letzten 80 Jahren zutiefst benachteiligt fühlen. Das trifft sie doppelt, weil ein starkes Wahlmotiv für die Bürger im Osten gerade ihre Sensibilität nach 40 Jahren Beherrschung durch Moskau war. Die Ostdeutschen reagieren daher auch heute noch sehr negativ auf jeden Anschein einer Bevormundung. Ob sie nun aus Brüssel kommt oder vom neuen Kanzler. Sie spüren darin immer noch Breschnjew&Co.

Dieser Umgang mit der AfD ist aber auch dumm. Und das gleich aus mehreren Gründen:

  • Die höchstwahrscheinlich kommende schwarz-rote Koalition hat nur eine recht knappe Mehrheit (wenn diese auch etwas größer ist als die von Schwarz-Rot in Österreich); und auch mit den Grünen, also mit der dritten jener Parteien, die sich präpotent selbst als die einzigen "demokratischen" Fraktionen im Bundestag bezeichnen, hat sie keine Zweidrittelmehrheit. Daher braucht sie für jede Änderung einer Verfassungsbestimmung die Zustimmung entweder der Kommunisten von der Linkspartei oder jene der AfD. So eine Änderung wird die Regierung etwa bald benötigen, um die Schuldenbremse zu umgehen, wenn es um die Finanzierung der von der Ukraine dringend benötigten und von Merz auch versprochenen Waffenlieferungen geht. Ohne weitere massive Verbesserung der deutschen und ukrainischen Verteidigung ist die an sich lobenswerte Ankündigung von Merz, Europa "wirklich unabhängig" von den USA zu machen, reines Gerede.
  • Wahrscheinlich besteht jetzt die letzte Chance für die CDU/CSU, mit der AfD aus einer Position der Stärke zu verhandeln. Es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass sie das nach der nächsten Wahl sonst aus einer Position der Schwäche tun müsste, wenn die AfD sie überholt.  
  • Wäre Merz – der noch nie in einer Regierung war! – strategisch gut beraten, dann würde er auch erkennen, dass er in den inhaltlichen und personellen Verhandlungen mit der SPD deutlich bessere Karten hätte, wenn er einen Plan B, eine Alternative zur Koalition mit den Sozialdemokraten, in der Hinterhand hätte. Die könnte es nur in einer Zusammenarbeit die der AfD geben. Das wäre umso logischer, als die CDU bis auf die Außenpolitik – also vor allem die AfD-Nähe zu Russland – mit "denen da" viel mehr inhaltliche Überschneidungen hat als mit den Sozialdemokraten, die von der Wirtschaft (Stichwort Atomkraftwerke, Stichwort Lieferkettengesetz) über die Gesellschaftspolitik (Stichwort Wokeness; Stichwort frei wähl- und änderbares "Geschlecht"; Stichwort Trans- und Schwulenkult; Stichwort Familien; Stichwort Bildung …) bis zum Problemkreis Migration, Asyl und Islam reichen.
  • Wäre die CDU schlau, dann würde sie im Übrigen jetzt auch die Variante einer Minderheitsregierung ins Spiel bringen. In einer solchen könnte sie mit der AfD unter anderem die von ihr sogar schon einmal vorgelegten Gesetze zu Asyl und Abschiebungen beschließen. In einer solchen könnte sie mit der SPD eine westliche und proukrainische Außenpolitik machen. Dann könnte sie von der SPD mit der Drohung, dass es sonst AfD-Minister geben würde, auch eine parlamentarische Duldung durch die SPD etwa beim Budget auszuhandeln versuchen.

Gewiss: Das wäre mutig. Das wird Merz daher sicher nicht tun. Aber zumindest sollte er auch mit der AfD eine Verhandlungsrunde drehen, um herauszufinden, ob diese bereit wäre, ihre russlandfreundliche Linie im Gegenzug für ein prinzipielles Einreißen der Brandmauer aufzugeben. Das wäre klug. Das wäre zukunftsweisend. Das wäre der Test für die staatsmännischen Fähigkeiten von Friedrich Merz.

Aber viel wahrscheinlicher ist, dass die CDU einfach nur an eine Partnerschaft mit der SPD zu denken wagt – und daher nicht viel von jenen Änderungen durchbringen wird, die Merz großmundig für seine Kanzlerschaft angekündigt hat, so richtig und notwendig diese auch wären. Bei Schwarz-Rot stimmt vieles bedenklich:

  • Es gibt keinerlei inhaltliche Vorarbeiten für eine schwarz-rote Regierung, ja nicht einmal ein klares Fundament, obwohl sich diese Koalition schon länger als "alternativlos" abgezeichnet hat (auch wenn es bessere gegeben hätte);
  • die SPD wird sich ohne Drohung mit einer Alternative kaum etwas Substanzielles von all den Dummheiten abhandeln lassen, welche die  von ihr geführte Ampelkoalition angerichtet hat;
  • Merz hat selber schon versprochen, eine der schlimmsten Folgen der Ampel (und auch der EU) im Wesentlichen fortzuführen: Das ist die sogenannte Klimaneutralität durch den Emissionshandel, der eine neuerliche Preisexplosion auslösen wird.

Mit anderen Worten: Die Hoffnungen sind nicht groß, dass der Rechtsruck bei den deutschen Wählern auch einen Rechtsruck bei den politischen Inhalten auslösen wird.

Dennoch sollte man auch die positiven Aspekte nicht ignorieren, welche die Hoffnung nicht sterben lassen:

  1. Mit Merz steht eine Person an der Spitze, die eigentlich mehr von Wirtschaft – also von einem der großen Problemfelder Deutschlands – versteht als alle deutschen Bundeskanzler seit Ludwig Erhard.
  2. Die ersten Reaktionen aus den Trump-USA auf die deutsche Wahl sind positiv; das klingt überraschend, ist man doch von dort zuletzt nicht gerade an irgendwelche positiven Töne Richtung Europa gewöhnt worden.
  3. Schwarz und Rot scheinen sich einig zu sein, diesmal nur ein knappes, sich aufs Wesentliche beschränkendes Regierungsprogramm festzulegen, statt sich – wie auch in Österreich üblich – in hunderten Detailfragen zu verlieren.
  4. Merz hat nach der Wahl gegenüber Koalitionspartner SPD – aber eben leider nicht gegenüber der AfD – sofort die Wahlkampftöne abgeschaltet und begonnen, den schwer geschlagenen Koalitionspartner auf Augenhöhe und mit Respekt zu behandeln. Dem Österreicher fällt da Herbert Kickl ein, der als  Koalitionsverhandler mit voller Absicht das Gegenteil gemacht hat …

PS: Das macht wirklich fassungslos, auch wenn man beim ORF eigentlich schon geglaubt hat , von nichts mehr überrascht zu werden. Da wird im Radio eine halbe Stunde mit drei Gästen über das Wahlergebnis diskutiert: Dabei ist einer der Gäste ein früherer Mitarbeiter eines grünen Spitzenpolitikers, die anderen beiden kommen aus den Redaktionen von "Stern" und "Spiegel", also Zeitschriften, denen man vieles nachsagen kann, aber sicher nicht, dass sie jemals irgendwelche Sympathien für CDU/CSU oder AfD geäußert haben. Dementsprechend besteht fast die ganze Sendung aus Hassattacken auf Friedrich Merz, der vor allem deshalb beschimpft wird, weil er nach Ansicht der Diskutanten der "Schuldige" für den Erfolg der AfD sei. Im Vergleich zum ORF waren selbst die öffentlich-rechtlichen Sender Deutschlands mit ihren vielfältigen Berichterstattungen über das Wahlergebnis erstaunlich ausgewogen. Zumindest nach der Wahl. Der ORF hingegen macht weiter ungeniert linken Wahlkampf – weil die dortigen Redaktionen gar nicht anders können.

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