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Es wäre DIE Gelegenheit für die FPÖ, sich von allen internationalen Verdächtigungen reinzuwaschen, ein Trojanisches Pferd des Putinismus zu sein. Es wäre DIE Gelegenheit für die Nummer eins des letzten österreichischen Wahltages zu zeigen, dass sie sich stolz und aufrecht ihrer nationalliberalen Wurzeln des 19. Jahrhunderts bewusst ist. Diese Wurzeln hatten nicht nur etliche große Wiener Bürgermeister hervorgebracht, sondern auch ein wirklich enges Verhältnis zum liberalen Rechtsstaat bedeutet, für den an erster Stelle die Berufsstände der Rechtsanwälte und Notare gestanden sind. Und immerhin hat die FPÖ auch heute noch unter diesen etliche prominente Parteigänger.
Nichts läge daher näher, als jetzt einen flammenden öffentlichen Protest gegen die absurden Verurteilungen von drei russischen Anwälten zu mehrjähriger Lagerhaft einzulegen. Deren einziges "Delikt" hat ja darin bestanden, den später von Putins Schergen ermordeten Dissidenten Nawalny vor Gericht verteidigt zu haben.
Dabei sind Rechtsanwälte in allen Gesellschaften der Welt – neben Priestern – die einzigen, die von Berufs wegen direkt den Auftrag haben, auch totalen Außenseitern menschlich wie juristisch beizustehen, selbst wenn sie ihnen oft eine Verurteilung nicht ersparen können. Das ist für mich immer ein ganz wesentliches Element einer humaner gewordenen Welt gewesen.
Hier sei ein kurzer persönlicher Einschub auf meinen Vater gestattet, der als Kriegsinvalide des ersten Weltkriegs – er hatte eine verkrüppelte Hand – das relative Glück hatte, im zweiten Krieg nicht kriegstauglich gewesen zu sein. Er war damals Rechtsanwalt und hat als sogenannter Arier in der NS-Zeit Juden und Halbjuden verteidigt, solange das jeweils rechtlich möglich war. Er hat aber umgekehrt nach 1945 auch "kleine Nazis" verteidigt, wie sie bei uns daheim später bezeichnet worden sind. Für mich war diese Haltung – und damit automatisch auch das Ethos dieses Berufs –, wie sie mir als Nachgeborenem später vermittelt worden ist, immer ein Vorbild, etwas, das ich für moralisch richtig und menschlich wertvoll angesehen habe. Auch wenn sie wirtschaftlich für die Umsätze der Anwaltskanzlei nicht gerade optimierend gewesen ist, wo 1938 wie 1945 jeweils wendige Opportunisten "geschickter" agiert haben.
Zurück in die Gegenwart. Da muss sich die FPÖ ständig gegen den Vorwurf verteidigen, an der Seite Putins zu stehen. Sie beteuert zwar immer wieder, der Freundschaftsvertrag mit der Partei des russischen Diktators wäre ausgelaufen; und sie wäre nur deswegen gegen eine Unterstützung der Ukraine, weil dadurch der Krieg verlängert würde.
Diese Argumentationen waren aber immer nur extrem schwer zu akzeptieren. Man konnte sie bestenfalls als – wenn auch falsche – Trotzreaktion auf die ungerechtfertigten Attacken aus dem Westen, aus Berlin, Brüssel und dem Biden-Washington verstehen, worauf man sich halt dem Hauptfeind des Westens zugewendet hat. Dabei hat man freilich in Teilen der Bevölkerung etliche Ernte halten können, wo die Linke ja Jahrzehnte gegen den Westen gehetzt hat (und wo ein SPÖ-Vorsitzender einst voll Begeisterung den Moskauer Boden geküsst hat und jetzt in bedenklicher Weise Geschäfte mit postsowjetischen Diktatoren macht).
Jetzt hätte Herbert Kickl, jetzt hätten speziell die Juristen im FPÖ-Klub und in der freiheitlichen Funktionärsschar die ideale Gelegenheit, sich durch einen flammenden öffentlichen Protest gegen die Rechtsanwalts-Verurteilung mit einem Schlag von allen düsteren Vermutungen freizuwaschen, und auch die Ängste der rechts- und freiheitsliebenden Österreicher und Europäer zu beenden. Zuletzt haben manche ja zunehmend das Gefühl bekommen, die Spitzen der FPÖ wären deutlich radikaler als die Spitzen anderer Rechtsparteien in Europa, wie vor allem die Italienerin Meloni, wie aber auch zunehmend die Deutsche Weidel und die Französin Le Pen.
Insbesondere Meloni – die einzige dieser drei Frauen, die auch schon Regierungsverantwortung trägt – beweist, dass ein klarer Rechtskurs im Inneren (vom Migrations- über das Marktwirtschafts- bis zum Werte- und Familien-Thema) perfekt mit einem klar pro-westlichen Kurs in der Außenpolitik an der Seite der demokratisch und rechtsstaatlich geprägten Staaten perfekt zusammenpasst. Das wird von den italienischen Wählern auch durchaus goutiert. Jedenfalls hat Meloni seit ihrem Wahlsieg bei Umfragen weitere vier Prozentpunkte dazugewonnen (übrigens auf Kosten der Opposition, nicht auf das ihrer Koalitionspartner).
Wird die FPÖ die Chance begreifen? Lasset uns wider alle Wahrscheinlichkeit hoffen.
PS: Genauso stünde es übrigens den immer wieder ihre angeblich demokratische und rechtsstaatliche Überzeugung betonenden Exponenten der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich an, ein Wort zu den schweren Christenverfolgungen selbst in als gemäßigt geltenden islamischen Staaten von Algerien bis Pakistan zu sagen, aus denen es immer wieder schockierende Berichte gibt (auch hier). Wenn sie in irgendeiner Weise glaubwürdig sein wollen.