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Syrien, die seltsamen Rollen Europas und der USA

Die jüngste Wende im syrischen Bürgerkrieg müsste eigentlich eine klare Konsequenz haben: Kein einziger der mehr als eineinhalb Millionen Syrer, die nach Europa gekommen sind und die hier Schutz bekommen haben, hat ab jetzt einen moralischen Anspruch auf Asyl. Es ist einzig Folge einer sich vollkommen verirrt habenden europäischen Justiz, die ihnen weiterhin das Bleiben ermöglicht. Vor wem immer diese Syrer "geflüchtet" sein mögen: Spätestens ab jetzt gibt es für jeden der (ganz überwiegend) jungen Männer aus Syrien in seinem Heimatland ein großes Territorium, in dem er vor angeblicher Verfolgung sicher sein kann. Spätestens jetzt haben auch die Islamisten ein großes Gebiet unter Kontrolle.

Wenn die politischen Parteien Europas bis hinein in Teile der Sozialdemokratie, wie immer wieder beteuert, die Wünsche der Bürger und die Lehren aus den letzten Wahlen wirklich verstanden haben, dann müssten sie jetzt auf europäischer Ebene die Amok laufenden Richter dazu zwingen, die Abschiebung der Syrer einzuleiten. Das ist eine zentrale Aufgabe der österreichischen wie europäischen Politik: Immerhin stammt von Syrern die absolute Mehrheit aller in den letzten Jahren in Österreich gestellten Asylanträge.

Denn jetzt ist Syrien endgültig in mehrere getrennte Bereiche zerfallen. Und den größten Erfolg der letzten Jahre haben eindeutig die Islamisten durch fast kampflose Eroberung der zweitgrößten Stadt des Landes errungen, die von den Truppen des syrischen Regimes fast widerstandslos geräumt worden ist. Diesen nun siegreichen Islamisten stehen eindeutig die meisten der nach Europa gekommenen Syrer nahe. Das hat sich inzwischen auch daran gezeigt, dass syrische "Flüchtlinge" zumindest in deutschen Städten Jubelkundgebungen ob ihres Sieges abgehalten haben. Hätte Europa daher letzte Reste von Selbstachtung, letzte Reste eines Selbsterhaltungstriebes, würden bald die ersten Abschiebe-Flugzeuge Richtung Idlib oder Aleppo starten. Denn Islamisten und ihre Freunde (die hierzulande auch immer eifrig bei den unerträglichen Pro-Kalifat- und Pro-Hamas-Demonstrationen mitgemacht haben) sind nun wirklich das Allerletzte, was wir dauerhaft in Europa wollen.

Durch die Teilung Syriens haben jetzt wirklich alle Syrer eine sichere Ecke, wo sie sicher leben können. Die Anhänger des Assad-Regimes, darunter insbesondere auch die christlichen, alewitischen und laizistischen Syrer, hatten im Grund überhaupt nie einen Anlass, die von der Zentralregierung kontrollierten Gebiete zu verlassen. Die syrischen Kurden haben in ihrer nordöstlichen Ecke den einzigen Staat aufgebaut, bei dessen Beobachtung es einem nicht den Magen umdreht. Ein Teil Syriens wird türkisch kontrolliert und der Rest nun von den unterschiedlichen Milizen.

Auch jenseits des "Flüchtlings"-Aspektes versetzen einen die Vorgänge in Syrien in Staunen. Dort ist ganz und gar nicht der Feind des Feindes ein Freund. Denn es war eindeutig der schwere Schlag, den Israel der Hisbollah-Miliz im benachbarten Libanon versetzt hat, der ausgerechnet die Islamisten zum Losschlagen ermutigt hat. Ist doch die Hisbollah inzwischen zu geschwächt, um dem syrischen Regime zu Hilfe zu kommen, wie sie es bisher mehrmals getan hat.

Auch der zweite Helfer der Zentralregierung ist derzeit schwer behindert: Das ist Russland. Dieses steckt bis zum Hals im Krieg in der Ukraine. Die Russen bombardieren zwar heftig die vorrückenden Islamistenmilizen, so, wie sie halt auch in der Ukraine am liebsten den Krieg aus der Luft führen. Aber aus der Luft gewinnt man keinen Krieg. Und zu mehr sind die Russen derzeit nicht imstande oder willens – hat sich doch auch die wirtschaftliche Lage Russlands im Zuge der Sanktionen und des Ukraine-Kriegs ständig verschlechtert. An der russischen Heimatfront wachsen deshalb die Probleme merklich.

Kaum effizienter ist der dritte Helfer von Diktator Assad, also der Iran und seine nach Syrien entsandten Milizen. Einerseits war dieser nie so stark, wie die Mullahs in ihren Predigten geprahlt haben. Andererseits haben die Iraner lernen müssen, dass jede ihrer militärischen Vorwärtsbewegungen von Israel nicht nur argwöhnisch beobachtet, sondern auch sehr oft mit harten Schlägen beantwortet wird. Letztlich ist also Assad ziemlich allein daheim.

Da alle drei Unterstützer des syrischen Machthabers Assad zu den übelsten Elementen der Weltpolitik gehören, kann man sich über die Entwicklung an den syrischen Fronten nur freuen – oder?

Wenn die Dinge in Syrien nur so einfach wären!

Denn dort lässt sich keineswegs die Welt klar in Gut und Böse einteilen. Denn auch auf der nun seit langem erstmals erfolgreichen Seite stehen extrem bedrohliche Elemente. Sind die Sieger der kampflosen Schlacht um Aleppo doch Nachfolgebanden der Al-Kaida-Terroristen und Kämpfer, die dem Verbrecherverein "Islamischer Staat" nahestehen.

Für alle Nicht-Islamisten in Aleppo bedeutet der Fall der Stadt daher schlicht eine Katastrophe. Das zeigen insbesondere die verzweifelten Hilferufe der Christen aus Aleppo. Viele befürchten ein ähnliches Märtyrertum wie es schon einmal in den Erfolgszeiten des "Islamischen Staates" vielen Christen passiert ist, sodass zum ersten Mal seit langem jetzt wirklich aus religiösen Gründen verfolgte Menschen aus Syrien kommen könnten. Zugleich dürften die islamistischen Erfolge in Syrien Terroristen im Ausland aufputschen und zu neuen Taten ermutigen.

Hintermann der Erfolge der Anti-Assad-Milizen ist eindeutig die Türkei. Diese spielt auch noch in anderer Hinsicht ein übles Spiel: Sie hat schon seit langem die Souveränität von Syrien und Irak brutal ignoriert. Sie hält ein Stück syrischen Territoriums einfach besetzt. Der türkische Diktator Erdogan hat von Anfang an die Aktionen des vor allem islamistischen Aufstandes gegen den syrischen Diktator Assad mit Nachschub unterstützt.

Im Grund ist allerdings unklar, was letztlich die Motive der Türkei dabei sind:

  • Ist es türkischer Imperialismus?
  • Sind es Überreste des osmanischen Denkens, das jahrhundertelang die Araber als minderwertig unterjocht hat?
  • Wollen die Türken nur jene vielen Syrer loswerden, die auf der Flucht aus Syrien in der Türkei gestrandet sind?
  • Ist das nur eine neue Etappe jenes Konflikts, der jahrhundertelang als türkisch-russischer Dominanz-Antagonismus rund um das Schwarze Meer getobt hat?
  • Geht es vor allem um die persönliche Rivalität zwischen zwei sunnitisch-islamischen Diktatoren in Damaskus und Ankara?
  • Oder ist der Hass der Türken auf die Kurden das eigentlich Entscheidende, die in Syrien und im Irak mit ihren Bemühungen um einen eigenen Staat am weitesten vorangekommen sind?

Tatsache ist, dass die Kurdengebiete in Syrien und im Irak heute die weitaus am positivsten zu bewertenden staatsähnlichen Gebilde im ganzen nahöstlichen Raum sind. Dort gibt es einen Hauch von Pluralismus; dort wurden die Islamisten am weitaus erfolgreichsten bekämpft; dort ist das einzige Gebiet, wo sich die nahöstlichen Christen ebenso wie Alewiten, Jesiden, Laizisten und gemäßigten Sunniten sicher fühlen können. Die auch militärische Hilfe für die Kurden war das weitaus Beste, was die Amerikaner in jenem Raum unternommen haben, wo ihre irakischen Interventionen und ihr Bündnis mit den Türken ansonsten eine objektive Bewertung wohl eher fürchten müssten.

Aber eine solche Bewertung findet ja ohnedies in der Geschichte nie statt – am allerwenigsten in der des Nahen Osten …

Jedenfalls aber haben den Preis für die größte nahöstliche Dummheit die Europäer errungen, die zuerst leichtfertig die Revolutionen im syrischen Pulverfass unterstützt haben, als ob dort das Gerede von Demokratie auch nur die geringste Chance hätte. Die Europäer haben heute de facto nur noch eine Funktion: als sicheres Refugium für syrische Islamisten zu dienen, die hier auf Kosten der Steuerzahler durchgefüttert werden.

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