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Syrien: Die historischen Chancen für Europa und Israel

Der Umsturz in Syrien könnte zu einem Glücksfall für Israel und Europa werden. Und zwar aus Zusammenhängen, die kaum jemandem in Europa noch bewusst sind, die weit über die Perspektive einer Massenrückschiebung der Millionen geflüchteten Syrer hinausgehen. Freilich hängt da jetzt wohl auch viel von Israel ab: Wie weit ist es imstande, die großen politischen und wirtschaftlichen Chancen durch den Hinauswurf der Russen neben den – legitimen – militär-strategischen Interessen zu sehen, die in den letzten Stunden zu den schwersten Bombardements in der Geschichte Syriens durch Israel geführt haben? Davon könnte auch die historische Chance für die europäische Energieversorgung abhängen, die sich nach Assads Fall auftut.

Die Motive Israels für seine überraschenden und politisch gefährlichen Angriffe auf militärische Ziele in Syrien sind zweifach:

  • Einerseits geht es Israel um die Zerstörung der riesigen Waffenbestände in Syrien, die von Russland und Iran dorthin geliefert worden waren. Diese Bestände lagern in den Turbulenzen des Umsturzes zum Teil völlig ungesichert. Jerusalem will durch sein Großbombardement unmöglich machen, dass sie jemals noch gegen Israel eingesetzt werden können: Es verhindert damit sowohl, dass die noch zum Teil in Syrien stehenden iranischen Einheiten die Waffen schnell außer Landes bringen, etwa gar zur libanesischen Terrormiliz Hisbollah, wie auch, dass die türkisch-islamistischen Bürgerkriegsgewinner sich selbst mit diesen Waffen gegen Israel wenden können. Diese haben zwar auch gegen Israels Hauptfeind Iran gekämpft, aber es gibt keinerlei Hinweise, dass sie deswegen eine friedliche Nachbarschaft mit Israel anstreben.
  • Andererseits geht es Israel zweifellos um eine dauerhafte Besetzung des 2800 Meter hohen Hermon-Gipfels. Denn nur von diesem aus kann der israelische Radar alle aus Libanon oder Syrien Richtung Israel fliegenden Drohnen und Raketen sehen. Nur mit Hilfe solcher Radar-Stellungen kann dem seit vielen Jahren unter ständiger Bedrohung lebenden Norden Israels Sicherheit verschafft werden. Von dort aus können israelische Spionage- und Kommando-Aktionen in der Region am leichtesten durchgeführt werden.

So weit so verständlich. Die große Gefahr dieses Vormarsches ist, dass Israel damit gleichzeitig die politischen Chancen auf gute Beziehungen zu den neuen Machthabern in Syrien reduzieren könnte, wenn es nicht gleichzeitig großzügig – humanitäre oder finanzielle – Hilfe nach Damaskus schickt. Freilich: Israel tut damit nichts anderes, als was die Türkei seit vielen Jahren getan hat. Diese hat entlang der eigenen Grenze ein saftiges Stück Syriens besetzt, um sich einen Sicherheitsabstand gegen die von Ankara im eigenen Land unterdrückten, sich aber von Syrien aus immer wieder revanchierenden Kurden zu schaffen.

Tatsache ist jedenfalls: Im Nahen Osten werden in diesen Stunden in vielerlei Hinsicht die Eckpunkte total neu geregelt. In positiver wie in negativer Hinsicht.

Negativ könnte sein, dass ausgerechnet im steinzeitlichen Vakuum zwischen zwei amerikanischen Präsidentschaften (nirgendwo anders dauert die Zeit zwischen Wahl und Machtübergabe so lange!) der Kurdenstaat im Norden Syriens von den Türken und ihren befreundeten Milizen angegriffen oder gar zerstört werden könnte. Diese Kurden waren und sind aber neben Israel der einzige Rechtsstaat in der Region, in dem auch Christen Sicherheit genießen.

Positiv könnten die Umwälzungen in Syrien hingegen für Europa sein. Und das in zweifacher Hinsicht. Die eine Perspektive ist jene auf eine rasche freiwillige Rückkehr oder auch erzwungene Abschiebung der Millionen geflüchteten Syrer aus Europa (nicht nur aus der Türkei, wohin die meisten geflüchtet sind, wo jetzt aber zweifellos auch als erstes die Chance wahrgenommen wird, die Flüchtlinge loszuwerden).

Die zweite Perspektive großer Hoffnung für Europa ist den meisten europäischen Politikern überhaupt noch nicht bewusst. Auf sie weist jetzt der renommierte österreichische Nahostexperte Stefan Beig hin. Eine Realisierung dieser Perspektive würde eine wahre Sensation für Europa bedeuten – falls Europa sie rasch begreift und betreibt.

Denn vor Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs hatte es Planungen für den Bau einer Gaspipeline von Katar über Saudi-Arabien, Jordanien, Syrien und die Türkei nach Europa gegeben. Dieses Projekt ist seither von dem schon vor eineinhalb Jahrzehnten unter Einfluss Russlands stehenden Assad-Regime blockiert worden.

Beig: "Das könnte sich nun ändern. Das Projekt brächte superbilliges Gas aus Katar über die Türkei auf den europäischen Markt. Auch die großen Öl- und Gasproduzenten Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate könnten ihre Lieferungen in die Pipeline einspeisen und Europa eine potenziell unbegrenzte und stabile Energiequelle bieten. Die Katar-Türkei-Pipeline könnte das Ende der russischen Energie-Hegemonie über Europa bedeuten. Moskau verliert ein politisches Druckmittel und eine wichtige Einnahmequelle. Auch der Iran mit seinen riesigen Gasreserven verliert Milliarden im Handel."

Tatsache ist, dass Katar die weitaus größten Gasreserven der Welt hat. Tatsache ist, dass der österreichische Bundeskanzler Nehammer einst beim Ausbleiben der russischen Lieferungen völlig zu Recht nach Katar gereist ist, um die Versorgung der Republik sicherzustellen. Tatsache ist aber auch, dass der Seeweg aus Katar nach Europa weit, teuer und durch Iran ebenso wie die jemenitischen Houthie-Rebellen bedroht ist. Daher wäre eine Pipeline extrem sinnvoll und zukunftsrettend für den Wirtschaftsstandort Europa.

Beig erinnert auch an russische Fernsehdiskussionen, in denen einst offen angesprochen worden war, dass genau die Verhinderung einer solchen Pipeline die Hauptaufgabe Assads gewesen sei, damit das russische Gasmonopol nicht gefährdet wird: "Wir sind nach Syrien gegangen, um Gazprom und unser eigenes Überleben zu retten." Genau aus diesem Grund, aus Dankbarkeit für die Verhinderung der Gazprom-Konkurrenz hat Assad wohl jetzt in Moskau Asyl bekommen.

Begreift Europa die historische Chance, die sich in Syrien auftun könnte? Angesichts des völligen Fehlens strategisch denkender Akteure in Brüssel oder Berlin und des grün-verseuchten Denkens in vielen Regierungen (die, wie die deutsche, lieber Geld für Fahrradwege in Peru ausgibt) besteht die gewaltige Gefahr, dass die Chance ungenutzt bleibt. Hingegen hat Frankreich in Präsident Macron – trotz seiner innenpolitischen Schwächung – zwar noch einen zu solchem Denken fähigen Staatschef, aber es hat mit seinen Atomkraftwerken viel weniger Interesse an einer solchen Pipeline als Deutschland, Österreich, Italien und ganz Osteuropa. Und auch die USA haben wenig Interesse daran, verkaufen sie doch schon etliches Flüssiggas zu deutlich höheren Preisen nach Europa.

Aber noch lebt die Chance, dass Europa, das sich ja nicht wie Russland oder Iran durch Kooperation mit dem Assad-Regime die Hände schmutzig gemacht hat, mit den neuen Machthabern in Damaskus in einen guten und sofortigen Dialog kommt und den neuen syrischen Machthabern ebenso wie der Türkei großzügige finanzielle Angebote macht. Das sollte es – neben dem Bestehen auf eine Rückkehr der Flüchtlinge und auf gute Behandlung der religiösen und ethnischen Minderheiten, die jetzt in großer Furcht leben – jedenfalls ganz dringend. Solche Angebote wären die beste Investition in eine gute Zukunft Europas.

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