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Ob Volks- oder Bundeskanzler: Zumindest die erste Woche nach den Wahlen hat bisher absolut Null Indizien gebracht, dass der FPÖ-Obmann wirklich Regierungschef werden und nicht nur davon reden möchte. Denn dann hätte er sich anders verhalten. Der Mann will ganz offensichtlich weiterhin lieber Wahlen gewinnen und angriffige Opposition machen als regieren. Vielleicht spürt er auch, dass er das eine viel besser kann als das andere. Dass das eine viel leichter ist als das andere.
Das beweist sich auf vielen Ebenen:
Denn Tatsache ist, dass die Österreicher am vorletzten Sonntag laut Verfassung einzig die Zusammensetzung des Parlaments bestimmt und nicht einen Regierungschef gewählt haben. Und ebenso ist Tatsache, dass über 70 Prozent nicht jene Partei gewählt haben, die Kickl zum Bundeskanzler machen will. Sollten sich die von diesen 70 Prozent gewählten Abgeordneten auf einen anderen Bundeskanzler einigen, dann ist das hundertprozentig demokratisch und rechtsstaatlich. Dann wird Kickl weiterhin harte Oppositionsattacken reiten, aber nie mitregieren können.
Sich darauf zu verlassen, dass ewiggestrige Linke mit ihren Donnerstags- und sonstigen Demonstrationen und Straßenblockaden, mit ihren ständigen Nachforschungen, ob da nicht irgendwo ein Lied gesungen worden ist, das auch die Nazis gesungen haben, alle Bürgerlichen so verärgern, dass sich die gesamte ÖVP den Freiheitlichen schlussendlich automatisch zu Füßen legt, ist ein wenig zu naiv. Oder Folge seiner inneren Haltung, die eigentlich gar nicht wirklich regieren will.
Jedenfalls bestätigt Kickl mit einem Verharren auf dieser paranoiden Haltung "Ich bin so arm, alle sind gegen mich" all jene, die ihm die Regierungsfähigkeit absprechen.
Zweifellos spielt aber gleichzeitig im Unterbewusstsein auch seine Intelligenz mit. Er spürt, dass es in den nächsten Jahren für eine Regierungspartei absolut nichts zu gewinnen gibt. Dass also die Wählerunterstützung für die FPÖ so wie schon zweimal bei einer Regierungsbeteiligung rasch schmelzen würde. Dass das diesmal besonders schnell gehen würde. Um nur die wichtigsten negativen Faktoren zu nennen, an denen kein österreichischer Regierungschef welcher Farbe immer etwas ändern kann:
Dazu kommt im Falle einer freiheitlich geführten Regierung der hasserfüllte Gegenwind des politmedialen Mainstreams in fast allen europäischen Staaten.
Gleichzeitig sind dort, wo Österreich selbst dringend etwas machen müsste, um die Zukunftsaussichten zu verbessern, kurzfristig etliche unpopuläre Maßnahmen unumgänglich, um langfristig eine Besserung zu erreichen. Kickl und die FPÖ sind aber keineswegs dafür gebaut, um heftige Rückschläge bei den eigenen Popularitätswerten wegzustecken. Man erinnere sich nur an das Jahr 2002, als – auch – Kickl und Strache gegen die freiheitliche Regierungsmannschaft revoltiert haben, was dann 2005 zur Spaltung der Partei geführt hat (nach mehrmaligem Seitenwechsel von Jörg Haider).
Die Situation wird gegenwärtig oft mit der Wahl 1999 verglichen (FPÖ und ÖVP sind damals mandatsgleich am 2. und 3. Platz gelandet), die dann im Februar 2000 zur ersten schwarz-blauen Regierung geführt hat. Der große Unterschied: Damals hat vor allem der von Kickl jetzt verbal so bewunderte Jörg Haider mit großem strategischem Weitblick schon ab dem ersten Tag die Weichen für die bürgerliche Koalition zu stellen begonnen: in vielen nichtöffentlichen Kontakten, in Hintergrundgesprächen mit Journalisten, durch eine komplette Änderung seiner Tonalität, durch Signalisieren seiner Kompromisslinien. Diese sofortige Weichenstellung durch Haider war damals noch viel wichtiger als ähnliche Schachzüge durch Wolfgang Schüssel auf der Gegenseite.
Kickl hingegen tut zumindest bisher nichts dergleichen. Ganz offensichtlich fehlt ihm der strategische Weitblick, um die Notwendigkeit zu erkennen, Köder Richtung ÖVP auszulegen. Das ist schade für Österreich, aber auch die FPÖ.
Denn die Beibehaltung seines Kurses könnte der Kickl-FPÖ zwar auch beim nächsten Mal noch den einen oder anderen Prozentpunkt an Wählerzustimmung einbringen – wenn nicht bei der ÖVP jemand mit der Strahlkraft eines Sebastian Kurz (beziehungsweise dieser noch einmal selber) oder bei der SPÖ jemand mit der Strahlkraft und Ausrichtung in die Mitte der Gesellschaft an die Spitze kommt, wie sie Bruno Kreisky, Franz Vranitzky oder Hannes Androsch hatten. Für die FPÖ hingegen wird jede Machtbeteiligung auf immer unmöglich bleiben, wenn sie ständig allen anderen – auch nach Ende eines Wahlkampfes – mit nacktem Hintern ins Gesicht springt. Denn eine absolute Mehrheit wird dauerhaft weit außer Reichweite bleiben, es sei denn, die anderen Parteien begehen epochale Fehler.