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Wie gut hat es die Schweiz!

Immer wieder ist hier schon nachgewiesen worden, dass das Schweizer System der direkten Demokratie dem repräsentativen System in vielerlei Hinsicht überlegen ist. Ähnliches gilt für das Schweizer System eines echten Föderalismus, wo Kantone nicht nur wie die österreichischen Bundesländer für das Geldausgeben, sondern auch das Einnehmen verantwortlich sind, daher viel sparsamer wirtschaften. In diesen Tagen wird noch ein weiterer Vorteil des Schweizer Verfassungssystems überaus deutlich und anschaulich: nämlich bei der Bestellung eines Regierungschefs.

Während allein diese Frage in Österreich alles, also auch die bloße Diskussion der wichtigsten Sachthemen, blockiert, hat es in der Schweiz über die Person eines Regierungschefs noch keine Sekunde Streit gegeben. Denn die Schweiz hat gar keinen Regierungschef! Sie braucht auch keinen, wie sich seit vielen Jahrzehnten zeigt.

Sie hat lediglich eine Regierung, den Bundesrat, in dem regelmäßig die vier bei den Wahlen erfolgreichsten Parteien sitzen. Aber in diesem sind alle sieben Bundesräte gleichberechtigt, wobei die Parteien rechts der Mitte seit langem eine vierköpfige Mehrheit haben. Dazu gibt es zwei Sozialisten und eine kleine Partei mit einem Bundesrat, die sich "Mitte" nennt (und deren geringe Erfolge übrigens Karl Nehammer warnen hätten können, als auch er seine Partei zur "Mitte" gemacht hatte …).

Der "Bundeskanzler" der Schweiz ist nur ein Beamter, gleichsam der ranghöchste Sektionschef. Und die unbedeutenden Titel eines Bundespräsidenten und eines Vizepräsidenten – noch unbedeutender als in Österreich! – rotieren alljährlich unter den sieben Regierungsmitgliedern.

Dieses System ist historisch gut fundiert. Die Schweizer wollten demokratisch regiert werden und nicht von einem Fürsten, egal, ob der gewählt ist oder durch Erbfolge ins Amt gekommen ist. Und sie haben es geschafft.

Wenn man schon nach einem obersten Organ in der Schweiz sucht, dann ist das einzig das Volk, das in regelmäßigen Abständen zu wichtigen Fragen (zu Staatsverträgen oder zu Anliegen, für die genug Unterschriften gesammelt worden sind) in Referenden seine Meinung abgibt. Auf Bundes-, auf Kanton- und auf Gemeindeebene.

Das führt logischerweise zu einer hohen Zufriedenheit der Schweizer. Was ja bei einer Identität von Regierenden und Regierten auch recht logisch ist.

Das führt auch zu viel verantwortungsvolleren Entscheidungen:

  • So hat die Schweiz immer eine sehr effiziente Landesverteidigung.
  • So hat sie ein sinnvolles Sozialsystem, das Menschen nicht dadurch vom Arbeiten abhält, dass sie fürs Nichtarbeiten genauso viel Geld bekämen.
  • So hat sie eines der schlanksten Verwaltungssysteme der Welt. So hat sie eine Staatsverschuldung, die mit 32 BIP-Prozent nicht einmal halb so hoch ist wie die Österreichs mit über 78 Prozent.

Das heißt zwar nicht, dass es keine Entscheidungen gäbe, die als Fehlentscheidungen anmuten. So haben zuletzt die Schweizer Pensionisten problematische Erhöhungen auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung durchgesetzt. Aber in Summe sind auch in diesem Bereich die Fehlentscheidungen marginal gegenüber Österreich.

Ja, die Schweiz ist neutral, was man auch als problematisch ansehen könnte. Das macht dort aber mit ihrer geographischen Struktur, dem heiklen Bevölkerungsmix, der alle drei großen Nachbarstaaten widerspiegelt, und einer starken Landesverteidigung auch zehnmal mehr Sinn als in Österreich, das schon historisch immer wieder ins Visier bedrohlicher panislamistischer Aspirationen geraten ist, das viel weniger Schutz durch die Natur hat, und das auch schon einmal zum Teil vom russischen Imperialismus besetzt gewesen ist, der bis heute den Österreichern gerne Vorschriften macht.

Dennoch macht die Schweiz ganz selbstverständlich – obwohl gar kein EU-Mitglied! – bei der Entwicklung eines europäischen Raketenabwehrsystems mit. Weil die Schweizer genau gesehen haben, dass Raketen aller Art und Drohnen heute viel bedrohlicher geworden sind als alle anderen Waffensysteme.

Zurück zur aktuellen Frage nach einem Regierungschef, welche die Republik Österreich komplett lähmt. In Österreich:

  • dominieren dabei eindeutig persönliche Ressentiments, Antipathien und Machtgier,
  • ist es bisher keine einzige Sekunde um wirkliche inhaltliche Richtungsentscheidungen gegangen,
  • ist noch nie darüber verhandelt worden, ob die FPÖ bereit ist, ihre Russlandfreundlichkeit, ihre Ablehnung eines Raketenabwehrsystems und ihre krausen Corona-Theorien hintanzustellen, ob die ÖVP mehr an der Machtposition des Bundeskanzleramtes als an guten Lösungen in Sachen Migration, Wirtschaft und Sozialstaat interessiert ist,
  • hört man auch nach dem Wahltag primär nur gegenseitige Beschimpfungen und Abqualifizierungen der Herren Kickl und Nehammer (jeweils samt Entourage in den Parteizentralen), so, als ob wir ewig Wahlkampf hätten,
  • versteht kein Mensch, dass Herrn Nehammer ein Herr Babler mit all seinen Klassenkampfsprüchen sympathischer sein kann als ein Herr Kickl.

Dabei hat die Position des österreichischen Bundeskanzlers lange nicht die Bedeutung des deutschen Amtsträgers mit gleicher Bezeichnung. Denn dieser hat eine "Richtlinienkompetenz" gegenüber den Ministern, also de facto ein Weisungsrecht, wogegen sich deutsche Minister nur durch Aufkündigung der gesamten Koalitionsvereinbarung wehren können. In Österreich hingegen muss der Ministerrat immer einstimmig entscheiden, der Bundeskanzler kann auf die Entscheidungen keines einzigen Ministers Einfluss nehmen. Er kann lediglich den Rücktritt eines Ministers erzwingen – was ihn dann zum Schuldigen an einem Koalitionsende und an einem wohl unvermeidlichen Ausscheiden auch aus der eigenen Funktion zu machen droht. Denn kaum eine Partei lässt sich die von ihr ausgewählten Minister abschießen.

Originell wäre übrigens die Anwendung des Modells der Referenden auf die Fragestellung, wer in Österreich Bundeskanzler werden soll: "Kickl", "Nehammer" oder "keiner von beiden". Spätestens bei der Stichwahl würde sich dann zeigen, ob die auf einer Vereinnahmung der ÖVP-Stimmen basierende Kickl-These stimmt, dass 55 Prozent ihn zum Kanzler haben wollen, und was die über 71 Prozent wirklich wollen, die Kickls Partei nicht gewählt haben.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, sei hinzugefügt: Ein solches Referendum wäre in der Schweiz undenkbar, nicht nur, weil sie ja gar keinen Regierungschef hat. Vor allem wollen die Schweizer eben auch keinen gewählten Herrscher auf Zeit, sondern über alle wichtigen Fragen selbst entscheiden können. Daher ist auch völlig unwichtig, wer im Bundesrat sitzt. Daher können bei einer Repräsentativumfrage nicht einmal drei Prozent der Österreicher einen einzigen aktuellen Schweizer Politiker beim Namen nennen.

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