Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Diese Verlierer sitzen in Wien und heißen Alexander van der Bellen und Karl Nehammer. Zwar haben in Vorarlberg an sich alle Parteien verloren, am weitaus schlimmsten – sowohl relativ wie absolut – die Grünen. Nur die Freiheitlichen haben dort in Relation zur letzten Landtagswahl gewaltig und im Vergleich zur jüngsten Nationalratswahl leicht dazugewonnen. Bundespolitisch lassen sich hingegen die Verlierer auf diese zwei Personen reduzieren.
Der Vergleich mit Vorarlberg zeigt nämlich die erste, eine verfassungspolitische Lehre: Der Bundespräsident ist, zumindest für die Bildung einer neuen Regierung, völlig überflüssig, ja sogar ein schädlicher Bremser. Mit seiner wichtigmacherischen Aufforderung zum Nachdenken hat Van der Bellen bisher völlig verhindert, dass sich die Parteien in den ersten beiden Wochen nach der Nationalratswahl auch nur einen Millimeter bewegt haben. In Vorarlberg hingegen finden jetzt sofort sehr zügig Gespräche statt. Rundum ist man überzeugt, dass das westliche Bundesland trotz des zweiwöchigen Rückstandes beim Wahltermin lange vor der Republik eine neue Regierung haben wird. Dabei ist im Westen, wie in der Bundeshauptstadt, eine schwarz-grüne Koalition schwer abgestraft worden.
Das zeigt zweitens: Wenn Menschen – das trifft auch auf Politiker zu – selbst Verantwortung tragen, dann sind sie viel eher zu zügigen Entscheidungen fähig, dann wissen sie rasch, was zu tun ist, und tun es auch. Wenn es hingegen einen anderen gibt, auf den sie die Verantwortung abladen können, dann laden sie diese Verantwortung auch gerne ab. Dann warten sie in aller Ruhe und Bequemlichkeit. Es ist ja ein anderer schuld, wenn nichts passiert. Im Bundesland haben sie hingegen keinen Präsidenten, der so tut, als ob er die Regierung bestimmen könnte, hinter dem man sich verstecken kann.
Schon seit dem Jahr 2000 ist es mehr als fragwürdig, ob wir überhaupt einen Bundespräsidenten brauchen, egal wie er heißt, selbst wenn er nicht so ein verschlafener Zögerant wäre wie Van der Bellen. Denn bei der in der Verfassung stehenden wichtigsten Aufgabe des Präsidenten, nämlich bei der Beauftragung eines Kandidaten mit der Regierungsbildung, agiert er völlig hilflos. Seine bisherigen Handlungen haben nur dazu geführt, dass sich die eigentlich Entscheidungspflichtigen um diese Aufgabe drücken können. Freilich ist dieser Präsident wie all seine Vorgänger viel zu eitel, um die eigene Irrelevanz zuzugeben. Zwei Wochen nur für die banale Selbstverständlichkeit verstreichen lassen, dass die Parteien miteinander reden sollen, ist nichts anderes als peinlich.
Dritte Lektion aus Vorarlberg sind die dramatischen Verluste der Grünen: Die angeblich notwendige Planetenrettung interessiert niemanden mehr, wenn nur die Europäer zum Retter werden sollen, wenn diese "Rettung" einen ständigen Verlust des eigenen Wohlstandes bedeutet.
Die vierte Lektion aus Vorarlberg sollte aber vor allem Karl Nehammer begreifen und daraus die nötigen Schlüsse ziehen: Die Vorarlberger Landes-ÖVP hat zwei Wochen nach der bundesweiten Wahl im gleichen Bundesland jetzt 38 statt zuvor 29 Prozent bekommen. Das ist sensationell. Bei keiner anderen Partei gibt es einen so dramatischen Unterschied zwischen den beiden Ergebnissen. Hinter dieser Relation verschwimmt sogar der herbe Verlust der Schwarzen im Vergleich zur letzten Landtagswahl, wo sie fast 44 Prozent der Stimmen bekommen haben.
Woran liegt der atemberaubende Unterschied binnen zweier Wochen? Gewiss hat Landeshauptmann Markus Wallner durch Behauptung eines Kopf-an-Kopf zwischen ÖVP und FPÖ etliche rote und pinke Wähler für sich gewinnen können. Das erklärt aber zweifellos nur zu einem kleinen Teil das Ergebnis. Denn auch Nehammer hat ja ein Kanzlerduell zwischen Schwarz und Blau in den Vordergrund gespielt.
Und in diesem Duell hat Nehammer, wenn auch mit zweieinhalb Prozent Abstand relativ knapp, aber doch deutlich, verloren.
Markus Wallner als Landeshauptmann hat ein ganz ähnliches Duell gefochten und massiv gewonnen.
Was bedeutet das? Nehammer hat zum einen ganz offensichtlich nicht die nötige Strahlkraft gehabt, auch wenn man ins Kalkül ziehen mag, dass das Amtieren in der Bundespolitik hundertmal schwieriger ist als das eines Landeshauptmannes. Wenn sich in Kürze auch in der Steiermark zeigen sollte, dass dort ebenfalls ein ÖVP-Mann relativ besser abschneidet als der ÖVP-Bundeskanzler, dann ist es ziemlich sicher, dass viele ÖVP-Granden über die Person an der Parteispitze nachdenken werden, nachdenken müssen.
Dabei können sie entdecken, dass Nehammer kein Charisma hat. Er hat keinerlei Kanzlerbonus erringen können, worauf vor allem der Vergleich mit dem staubtrockenen Wallner hindeutet.
Aber ganz entscheidend war ein anderer Unterschied: Das war Nehammers schwachsinniges und nie präzise und schon gar nicht konsistent begründetes Njet zu Herbert Kickl, während sich Wallner klugerweise alle Optionen offengelassen hat. Deshalb haben die bürgerlichen Wähler in Vorarlberg nie befürchtet, mit einer Stimme für die ÖVP der SPÖ den Weg in die Landesregierung zu öffnen.
Deshalb erscheint jetzt auch in Vorarlberg sehr wahrscheinlich, dass es eine schwarz-blaue Koalition geben wird. Das wäre dann schon das vierte Bundesland, an dessen Spitze diese Farbkombination steht. Das wäre dann das vierte von sechs Bundesländern, in denen die ÖVP den Landeshauptmann stellt, wo sie das mit den Freiheitlichen zusammen tut.
Das wird in den ÖVP-Gremien einen gewaltigen Sog in Richtung eines Koalitionspartners FPÖ auslösen. Noch dazu, wo sie in den drei rot regierten Bundesländern zwei Mal die Oppositionsbank drücken muss. Allerdings bedeutet diese Analyse auch, dass in der ÖVP in den nächsten sechs Wochen noch kein Beschluss Richtung FPÖ fallen wird, weshalb man sich bei den Schwarzen auch über die Zögeritis des Bundespräsidenten insgeheim freut. Denn erst in sechs Wochen wählt die Steiermark, das vorletzte Bundesland – und das letzte große –, in dem ein ÖVP-Landeshauptmann mit der SPÖ koaliert. Das funktioniert dort an sich recht gut, so weit man das von außen beurteilen kann. Aber die steirischen Wähler sehen das offensichtlich anders. Denn gerade in der Steiermark hat die ÖVP besonders schwer verloren und die FPÖ besonders hoch gewonnen, sodass diese zuletzt bei der Nationalratswahl um fünf Prozentpunkte vor der ÖVP lag.
Wenn die steirischen Schwarzen in diesen sechs Wochen nicht noch den Weg der Nieder- und Oberösterreicher, der Salzburger und nun (wahrscheinlich) auch der Vorarlberger einer Öffnung Richtung FPÖ – trotz ihres Obmannes – gehen, werden sie mit Sicherheit die Steiermark verlieren.
Und dann wird Nehammer wohl Geschichte sein. Auch wenn sich vorerst weit und breit niemand aufdrängt, der ihm nachfolgen könnte – und wenn der einzige relevante Kandidat nach Brüssel hinaufbefördert worden ist.
PS: Ach ja: Auf seinem sehr niedrigen Niveau kann auch Andreas Babler sich zu den relativen Erfolgsträgern des Vorarlberger Ergebnisses zählen: Denn er hat bei der Nationalratswahl dort 13 Prozent geholt, während die Partei jetzt zwei Wochen später bei der Landtagswahl gar nur 9 Prozent Unterstützung gefunden hat. Aber auch der KPÖ hat bei der Landtagswahl nicht geholfen, dass die sozialistische Jugend des Landes die SPÖ verlassen und auf kommunistisch gewechselt ist: Denn die KPÖ erzielte jetzt auch nur 0,7 Prozent.