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Während Karl Nehammer sich und die ÖVP täglich noch tiefer als ohnedies schon seit etlichen Wochen in eine aussichtslose Position eingräbt, wird die Erinnerung in bürgerlichen Kreisen an Sebastian Kurz immer intensiver. Dieser ist vor nunmehr genau drei Jahren von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft unter Berufung auf eine hanebüchene Verschwörungstheorie abgeschossen worden. Zwar trägt Kurz zu einem Gutteil schuld an der Lage der ÖVP. Ebenso wäre es verwegen, davon auszugehen, dass Kurz jetzt über Nacht eine Zauberlösung für diese Situation hätte. Aber dennoch gerät Nehammers perspektivenfreies Agieren ebenso wie die Rechtsbeugung durch die Zadic-Justiz in ein immer schieferes Licht; und Kurz, ohne dass er etwas dazu beitragen muss, in ein immer helleres. Was aber die größte Katastrophe für Österreich und den Rechtsstaat ist: Trotz des Rechtsrucks am Wahltag wird mit großer Wahrscheinlichkeit diese WKStA auch in Zukunft unbehindert weiterwerken können.
Die WKStA hat – nicht zuletzt auf Betreiben der Neos – gegen Kurz zwei Verfahren angestrengt, die beide an sich extrem skurril sind. Das eine wegen einer nach Ansicht der linken Staatsanwälte nicht ganz vollständigen Aussage in einem Parlamentsausschuss (deren Inhalt rechtlich eigentlich völlig bedeutungslos gewesen ist). Dieses Verfahren hat zwar in der ersten Instanz zu einer bedingten Verurteilung von Kurz geführt – aber durch einen Richter, der nach allen rechtsstaatlichen Prinzipien keinesfalls dieses Verfahren führen hätte dürfen, was sich vermutlich noch in der Instanz oder spätestens beim Menschenrechtsgerichthof zeigen wird. War der Richter doch rechtskräftig zu einer damals verheimlichten Disziplinarstrafe verurteilt worden, weil er zuvor als Staatsanwalt zum schweren Nachteil eines anderen ÖVP-Politikers rechtswidrig ausgerechnet mit dem linksradikalen Peter Pilz kooperiert hat.
Den zweiten Vorwurf gegen Kurz hat die WKStA bisher nicht einmal vor einen Richter zu bringen gewagt. Dennoch hält Frau Zadic das jetzt schon dreijährige Nichtagieren der WKStA in der Causa Kurz ganz offensichtlich für eine korrekte Vorgangsweise. Die Staatsanwälte reden sich darauf aus, dass ein Verlag bisher nicht seine Unterlagen über das Inseratengeschäft herausgeben wollte. Was im Übrigen nicht ganz unverständlich ist, da sich ja in den letzten Jahren gezeigt hat, dass wirklich alles, was die WKStA in die Hände bekommen hat, direkt oder indirekt an die Öffentlichkeit weitergespielt wird – zumindest wenn es den "Richtigen" schadet. Kein Verlag hat jedenfalls ein Interesse, dass die Konkurrenz und alle potentiellen Inserenten erfahren, gegen welches wirklich gezahlte Entgelt man dort Inserate bekommen hat. Ohne dass mir der Verlag sympathisch wäre, so ist doch eindeutig festzuhalten, dass das Öffentlichwerden der detaillierten Inseratenumsätze extrem geschäftsschädigend ist. Insbesondere, wenn die Konkurrenz keineswegs zu einer solchen Entblößung gezwungen wird.
Dabei ist völlig unklar, wozu die WKStA diese Unterlagen überhaupt braucht. Denn wieviel aus dem Finanzministerium zu Zeiten des dortigen Drahtziehers Thomas Schmid für Inserate in dem betreffenden Medium gezahlt worden ist, ist wohl eindeutig schon längst aus der Buchhaltung der Republik erfahrbar gewesen. Daher kann es der WKStA nur darum gehen, dass man alle jene, die noch in diesem Medium inseriert haben, bloßstellen will (nur die Inserate des Gemeinde-Wien-Imperiums werden wohl ganz, ganz zufällig nicht laut hinausgespielt werden, obwohl diese laut Medientransparenzdatenbank auch 2024 wieder mehr als doppelt so viel inseriert hat wie das inserierfreudigste Ministerium – das ausgerechnet jenes der bei den Medien so beliebten Frau Gewessler gewesen ist …)
Jedenfalls hat die WKStA in der Ära Zadic nie Druck bekommen, schneller zu arbeiten und ihre juristische Unfähigkeit nicht noch weiter auf dem Rücken von unbescholtenen Staatsbürgern auszutoben. Jene Vorgesetzten, die einst die Staatsanwälte auf das – rechtsstaatlich und menschenrechtlich eindeutig gebotene – Tempo gedrängt hatten, sind suspendiert oder gar in den Tod getrieben worden. Und es gibt keinen einzigen Hinweis, dass an deren Stelle Frau Zadic oder einer ihrer willfährigen Handlanger im Ministerium die WKStA jemals gerügt hätte, dass da in der Person von Kurz schon wieder ein Staatsbürger ohne jede ausreichende Begründung bereits drei Jahre verfolgt wird.
Denn für die Klärung des einzigen Vorwurfs, den die Verschwörungstheorie der WKStA gegen Kurz in Zusammenhang mit den Ministeriums-Inseraten erhebt, hätte es mit absoluter Sicherheit nicht die Unterlagen aus jenem Verlagshaus gebraucht. Bei diesem Vorwurf geht es einzig und allein darum, dass die WKStA vermutet, Kurz hätte Schmid angestiftet, Umfragen zu fälschen und Verlage zur Veröffentlichung dieser Fälschung zu bewegen. Für eine solche Anstiftung gibt es aber keinerlei Beweise außer den Aussagen des Thomas Schmid, der sich als Kronzeuge angeboten hat, um sich selbst zu retten – obwohl er eindeutig Haupttäter gewesen ist. In den beschlagnahmten Chats findet sich alles Mögliche, nur keinerlei Beweis, dass Kurz ihn angestiftet hätte. Dass es in der Buchhaltung jenes Medienhauses irgendwelche Hinweise auf Kurz gibt, ist geradezu denkunmöglich.
Wenn es aber keinen Beweis gegen Kurz gibt, und wenn das, worauf die WKStA so lange gewartet hat, absolut keinen Bezug zu einem eventuellen Verschulden des Ex-Bundeskanzlers haben kann, dann hätte die WKStA längst die Pflicht gehabt, das Verfahren gegen Kurz einzustellen – oder mit tollkühnem Mut vor einen Richter zu bringen (vielleicht findet sich ja im Wiener Landesgericht noch einmal so ein Richter wie im Verfahren wegen der Parlamentsaussage …).
Dass die WKStA weder das eine noch das andere gemacht hat, ist wohl nicht mehr durch ihre juristische Unfähigkeit zu erklären, sondern nur noch durch das, was Juristen als Dolus bezeichnen.
Nun wird aber mit Gewissheit der Schutzschirm durch Alma Zadic bald ablaufen. Denn die Grünen sind mit Sicherheit draußen. Jetzt bangt man in der WKStA zweifellos davor, wer Nachfolger wird. Jedoch könnten die WKStA-Staatsanwälte dabei Glück haben. Die Entwicklung der Regierungsgespräche dürfte sie noch einmal vor einer Rückkehr des Rechtsstaats retten. Denn durch die sich nun neuerlich bestätigende Unfähigkeit der Herren Kickl und Nehammer, im Interesse der Republik persönliche Befindlichkeiten hintanzustellen und eine Koalition zu bilden (oder Hand in Hand zurückzutreten), deutet vieles auf Schwarz-Rot-Pink. Will doch Nehammer unbedingt Kanzler bleiben; und weiß Kickl doch, dass er nur die Rolle eines aggressiven Oppositionspolitikers kann, der sich ständig von allen verfolgt fühlt, nicht aber die des konsensorientierten Regierens.
Das aber wird mit großer Wahrscheinlichkeit bedeuten, dass der nächste Justizminister rot oder pink sein wird. Das ist aber eine Katastrophe für den Rechtsstaat. Das wird der WKStA ihr Treiben weiter ermöglichen. Wer jedoch halbwegs die ÖVP kennt, weiß: Dem Bauernbund ist das Landwirtschaftsministerium hundert Mal wichtiger als das Justizministerium, dem Wirtschaftsbund das Wirtschafts- und Finanzministerium und dem ÖAAB das Innen- und Verteidigungsministerium. Daher bringt sich bei den Schwarzen gleich von vornherein niemand in Stellung, um Justizminister zu werden. Daher hat man auch keinen guten Juristen im Parlamentsklub.
Daher werden der WKStA ihre Intrigen zugunsten der Linksparteien auch diesmal nicht schaden, obwohl der Rechtsruck am Wahltag an sich eine Schlappe für ihre Intrigen gewesen ist.
Und Sebastian Kurz wird weiterhin die vier größten politischen Fehler seines Lebens bedauern müssen:
Dennoch wächst wieder die Sehnsucht so mancher Schwarzer nach dem aus der Öffentlichkeit verschwundenen Mann. Irgendwie trauen ihm viele zu, die eigenen falschen Entscheidungen wie auch die des Karl Nehammer korrigieren zu können. Die Sehnsucht nach Kurz hängt natürlich auch damit zusammen, dass die einzige andere interessante Alternative zu Nehammer nach Brüssel entsorgt worden ist. Und schließlich hatte Kurz auch viele positive Seiten, nicht nur weil er 2017 nach Wolfgang Schüssel erstmals wieder eine Koalition mit der FPÖ gewagt hatte. So hat Kurz schon im vorigen Jahrzehnt das "australische Beispiel" für eine Abschiebung von Flüchtlingen nach außerhalb der EU propagiert, das jetzt in der Form des Beispiels Albanien endlich in der EU angenommen und propagiert wird – freilich nicht für die Afghanen und Syrer, unter denen wir am meisten leiden ...
PS: Wie sehr eigentlich ein echter Machtwechsel im Justizministerium nötig wäre, ist auch an der Tatsache zu sehen, dass jetzt schon zum 22. Mal im heurigen Jahr ein Gefangener der Justiz entwischt ist. Diesmal über ein Baugerüst. Das hätte bei einem bürgerlichen Justizminister längst zu lauten Rufen nach einem Rücktritt des Ressortchefs geführt. Bei Frau Zadic: mediales Schweigen. Was für ein Kontrast zur nationalen Erregung, als vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten ebenfalls über ein Gerüst ein goldenes Salzfass gestohlen worden ist! Damals hat man zahllose Rufe nach Rücktritten von Ministern und Museumsdirektoren gehört – aber freilich: Salzfässer sind auch viel wichtiger als die Sicherheit der Österreicher ...