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Inzwischen lassen sich die Wahrscheinlichkeiten besser abschätzen, wie die nächste österreichische Bundesregierung aussehen dürfte. Jedenfalls kann man die Chancen und Konsequenzen der einzelnen Varianten bereits recht gut abschätzen.
Klar ist: Rein verfassungsmäßig ist jede Regierung völlig legal und demokratisch, die eine Mehrheit im Parlament hat – egal welches Gesicht der Bundespräsident bei ihrer Angelobung macht, egal in welcher Reihenfolge die einzelnen Parteien ins Ziel gekommen sind. Es ist undemokratischer Unsinn zu sagen, jene Parteien müssen jeweils die Regierung bilden, die gegenüber der Wahl davor Stimmen und Mandate dazugewonnen haben.
Dennoch ist ebenso klar: Eine Koalition mit mehrheitlich Verlierern steht unter zusätzlichem Druck, sich zu beweisen, kann ihr doch von den jeweiligen Oppositionsparteien ständig das Wort "Verliererkoalition" vorgehalten werden. Schaffen sie keine gute Performance, so werden die beteiligten Parteien beim nächsten Mal noch viel heftiger bestraft werden.
Zugleich spüren alle: Für jede Koalition wird eine wirklich erfolgreiche Politik fast unmöglich sein. Dafür sorgt die wirtschaftliche, die internationale sowie die demographische Lage wie aber auch viele sich national katastrophal auswirkenden Rahmenbedingungen durch die Politik der Europäischen Union (vor allem durch ihren grünen Wahn und ihre Bürokratisierungs- , wie Überregulierungs-Manie) sowie durch die Judikatur der europäischen Höchstrichter (vor allem zum Migrations-, Asyl- und Islamisierungsthema, aber auch zur fortschreitenden Entmachtung der Mitgliedsstaaten).
In der Folge die einzelnen Möglichkeiten, wie es weitergehen kann, – mit der momentanen Einschätzung der jeweiligen Chancen eines Zustandekommens:
1. Blau-Schwarz mit Kanzler Kickl: 17 Prozent
Blau-Schwarz unter einem Bundeskanzler Herbert Kickl wird von der FPÖ lebhaft gefordert. Diese hat aber nicht einmal ein Drittel der Mandate, was ihr keinerlei automatisches Recht auf den Bundeskanzler-Job gibt. Blau-Schwarz ist aber dennoch am ehesten realistisch. Es wäre eine Koalition mit nur zwei Parteien und diese stehen einander mit Ausnahme ganz weniger Bereiche, wo es allerdings fundamentale Differenzen gibt, sehr nahe.
ÖVP-Obmann Karl Nehammer hat sich jedoch im Wahlkampf auf ein Njet zu einer Regierungsbeteiligung des FPÖ-Obmannes als Person festgelegt. Eine Zustimmung der ÖVP zu einer Koalition mit und unter Kickl scheint daher nur dann denkbar, wenn sich ÖVP-Chef Karl Nehammer ganz oder halb zurückzieht – freiwillig oder unter parteiinternem Druck. Zugleich kommt eine ÖVP-Zustimmung zu Kickl als Kanzler jedenfalls nur dann in Frage, wenn dieser solche substanziellen Konzessionen macht, welche die ÖVP-interne Mehrheit vom Sinn eines Zusammengehens überzeugen – vor allem im Vergleich zu dem, was mit der SPÖ möglich wäre.
Eine blau-schwarze Koalitionsvereinbarung müsste daher wohl einerseits wirklich zielführende und daher kurzfristig unpopuläre Reformen vom Pensionsrecht über viele andere Sozialgesetze bis zu Budgeteinsparungen umfassen; und sie müsste andererseits klare außenpolitische Festlegungen auf Pro-EU, Teilnahme an einem europäischen Raketenabwehrsystem und Unterstützung der Ukraine enthalten.
Die FPÖ müsste umgekehrt neben der Eroberung des Kanzleramtes auch eine deutlich härtere Migrationspolitik (einschließlich des gemeinsamen Engagements für echte europäische Asylrechtsreformen) und demokratiepolitische Anliegen wie direkte Demokratie und Abschaffung der ORF-Finanzierung durch Zwangsgebühren oder Steuern als Erfolge verkünden können.
Das wäre in Summe zwar sicherlich die inhaltlich für Österreich weitaus beste Reform. Das scheitert aber vorerst an den bisherigen Festlegungen und Personen.
2. Schwarz-Rot-Pink mit Vizekanzler Hanke: 16 Prozent
Diese Variante hat dann eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit, wenn der freilich vorerst unwahrscheinliche Fall eintritt, dass die SPÖ den Mann austauscht, der für sie die rote Regierungsmannschaft anführen soll. Tauscht die SPÖ ihren Exponenten in der Koalition aus, dann hätte diese auch eine gute Chance auf zügige Reformen, einschließlich der besonders wichtigen Notwendigkeit von Pensionsreformen (Stichwort: Antrittsalter). Donnert eine solche Reformkoalition aber gegen die Wand, dann werden allerdings bei der nächsten Wahl die Parteien vor allem rechts, aber auch links der Koalition gewaltigen Aufwind bekommen.
Bei jeder Dreierkoalition taucht überdies das Beispiel einer solchen Koalition in Deutschland als abschreckend auf. In Österreich wäre eine solche Koalition – in jeder Variante – rechtlich sogar noch abschreckender: Denn der deutsche Bundeskanzler hat gegenüber allen Ministern eine dem Weisungsrecht recht ähnliche Richtlinienkompetenz; österreichische Bundeskanzler haben dieses Recht jedoch nicht. Sie brauchen überdies für jeden Regierungsbeschluss komplette Einstimmigkeit aller Minister. Das reduziert den Kanzler fast auf einen Primus inter pares, einen Ehrenvorsitzenden, der lediglich bei der Regierungsbildung spezifische Kompetenzen hat. Nach Außen gilt er aber als für alles verantwortlich.
3. Scheitern aller Koalitionsversuche und Neuwahlen: 11 Prozent
Das will natürlich derzeit niemand, aber Schwarz und Grün – die ja bis zum Zusammenfinden einer neuen Mehrheit weiterhin die provisorische Regierung bilden – könnten sich nach einer langen Zeit fruchtloser Verhandlungen bei Neuwahlen bessere Chancen als zuletzt ausrechnen (etwa, wenn sich FPÖ wie SPÖ als kompromissunfähig erweisen sollten) und dem Bundespräsident Neuwahlen vorschlagen.
4. Blau-Schwarz mit einer "neutralen" bürgerlichen Persönlichkeit als Kanzler: 10 Prozent
Diese Variante wäre für die beiden Parteien rechts der Mitte eine gesichtswahrende Möglichkeit, trotz aller roten Linien zusammenzufinden, ohne dass ein Parteichef oder gar beide zurücktreten müssten. Das kann aber nur funktionieren, wenn die beiden Parteien starke und kompromissfähige Fraktionschefs im Parlament haben, die dann in Wahrheit die Entscheidungen über neue Gesetze treffen, welche die Regierung umzusetzen hat.
Diese Variante würde im Grund total dem Idealbild der Bundesverfassung entsprechen, die Legislative und Exekutive streng getrennt und die entscheidende Macht beim Parlament positioniert hat. Allerdings ist weit und breit eine solche Kanzler-Persönlichkeit kaum zu finden, die sich dafür hergibt, gleichsam fremde Gesetze vollziehen zu müssen; besteht doch in Österreich der verbreitete Volksglaube, dass der Kanzler regieren würde. Allerdings ist einst auch Brigitte Bierlein populär geworden, ohne selbst irgendwie die Gesetzgebung bestimmen zu können.
5. Beamtenkabinett nach Muster Bierlein: 9 Prozent
Von dieser Variante dürfte insgeheim der Bundespräsidenten träumen. ein Beamtenkabinett könnte als Abkühlungsphase bis zu weiteren Entscheidungen sogar eine Zeit überleben. Dieser Lösungsweg setzt voraus, dass Vertrauensleute jeder Partei in der Regierung sitzen, dass sich die Parteien über keine Koalition einig werden und dass sie die Zeit zum Kompromisseschmieden nutzen wollen – oder zum Nachdenken. Sonst würde ein Beamtenkabinett blitzschnell an einem Misstrauensvotum scheitern.
6. Schwarz-Rot-Pink mit Vizekanzler Babler: 8 Prozent
Ein solches Dreierbündnis wäre für die ÖVP nur dann erträglich, wenn SPÖ-Chef Babler inhaltlich eine totale Persönlichkeitsänderung durchmachen und auf alles verzichten sollte, was seine bisherige Rhetorik geprägt hat. Das ist recht unwahrscheinlich.
Allerdings ist in der SPÖ parteiintern der Druck groß, um jeden Preis wieder an die Schüsseln der Macht zurückkehren zu wollen. Das verbinden freilich viele Sozialdemokraten mit der unausgesprochenen Überlegung, dass man dann im Regierungs-Alltag ohnedies wieder voll zur üblichen SPÖ-Politik zurückkehren kann, sobald man einmal mit einer Fülle verbaler Konzessionsversprechen den Eintritt in die Regierung geschafft hat.
Eine solche Regierung wäre umgekehrt sensationelles Kraftfutter für die FPÖ bei der nächsten Wahl und würde die ÖVP wohl sehr bald intern in eine schwere Krise stürzen – vor allem wenn sie als Folge einige Landeshauptmannsessel verliert.
7. Blau-Schwarz-Pink: 7 Prozent
Das klingt aufs erste sehr unwahrscheinlich: Denn erstens haben sich die Neos immer wieder der linken Anti-FPÖ-Rhetorik angeschlossen; zweitens sind die Neos gar nicht notwendig für die anderen beiden Parteien zur Findung einer parlamentarischen Mehrheit; und drittens treffen alle abschreckenden Hinweise auf das deutsche Beispiel einer Dreierkoalition auch auf diese Variante zu.
Der Vorteil wäre jedoch, dass man mit Hilfe der Neos leichter zu den notwendigen Reformen käme. Voraussetzung wäre, dass die Neos irgendwann erkennen, dass mit der SPÖ niemals wirtschaftlichen oder sozialen Reformen möglich sind und dass sie daher ihre FPÖ-Aversion entsorgen sollten, wenn es ihnen wirklich um die Inhalte gehen sollte.
Der allerwichtigste Vorteil aber: Eine solche Koalition hätte eine Zweidrittelmehrheit und könnte die Obstruktionspolitik des Verfassungsgerichtshofs gegen wirtschaftsliberale Reformen auf der einen Seite und gegen echte Asylrechtsreformen auf der anderen Seite überwinden. Das wird natürlich nur dann interessant, wenn alle drei Parteien solche Reformen wirklich wollten.
Käme es wirklich zu einer solchen Dreierkoalition, dann wäre natürlich wieder jeder in dieser Analyse für Blau-Schwarz aufgelisteten Kanzlervarianten gleichsam als Untervariante denkbar.
8. Blau-Schwarz unter einem anderen FPÖ-Politiker als Kanzler: 6 Prozent
Diese Variante wäre an sich der Wunschtraum der ÖVP. In der FPÖ gilt aber ein Rückzug von Kickl als total unwahrscheinlich. Er ist sogar doppelt unwahrscheinlich geworden, seit Norbert Hofer, der einzige dafür in Frage kommende qualifizierte Kandidat, ins Burgenland abgeschoben worden ist – pardon: freiwillig ins Burgenland gegangen ist.
Diese Variante würde überdies auch für Kickl persönlich einen solchen Verzicht bedeuten , dass die ÖVP im Gegenzug von der FPÖ kaum eine der oben skizzierten Konzessionen in Hinblick auf Außen- und Reformpolitik erreichen könnte.
9. Blau-Schwarz nach einem Referendum, ob Kickl oder Nehammer Kanzler sein soll: 5 Prozent
Eine solche wie auch immer organisierte Abstimmung hätte zwar im gegenwärtigen Verfassungsrahmen kein Fundament und schon gar keine bindende Wirkung. Sie könnte aber als kreative Lösung gesichtswahrend die Blockade zwischen FPÖ und ÖVP überwinden, und doch eine Koalition der beiden einander inhaltlich nahestehenden Parteien ermöglichen.
Der ÖVP könnte ein solches Referendum ermöglichen, ihr Veto gegen Kickl elegant zu entsorgen und die Entscheidung in die Hände des Volkes zu legen. Und es könnte der FPÖ ermöglichen, ihr Beharren auf Kickl elegant durch einen Entscheidungsmechanismus zu entsorgen, dessen Einführung ja zentrales Thema in allen FPÖ-Programmen der letzten Jahre gewesen ist.
Diese Variante erinnert ein wenig an den italienischen Weg, wo sich drei Rechtsparteien zu einem Bündnis zusammengeschlossen und den Wählern die Entscheidung übertragen haben, welche Partei den Ministerpräsidenten stellt.
10. Blau-Schwarz mit Kanzlerwechsel zur Halbzeit: 3 Prozent
Eine solche Formel wäre eine andere, ähnliche Lösung, wenn die Herren Kickl und Nehammer von ihren Festlegungen abzurücken bereit sind, aber doch nicht ganz als Verlierer dastehen wollen. Eine solche Halbzeitlösung würde von beiden nicht nur Kompromissbereitschaft erfordern, sondern auch viel Vertrauen zueinander, dass die Vereinbarung zum Kanzlerwechsel hält, ohne dass ein Partnert vorzeitige Neuwahlen auslöst.
Diese Variante ist überraschenderweise ausgerechnet von Ex-ÖVP-Chef Mitterlehner ins Spiel gebracht worden (der freilich nicht sehr viel Gewicht in FPÖ oder ÖVP haben dürfte …).
11. Schwarz-Rot-Grün: 2 Prozent
Zu dieser Dreierkoalition könnte es nur dann kommen, wenn alle blau-schwarzen Varianten scheitern, wenn die Neos beim Koalitionspoker überlizitieren, und wenn die Grünen sowohl auf Frau Zadic wie Frau Gewessler verzichten sollten. Diese Variante würde umgekehrt wohl von allen hier diskutierten Varianten die Chancen der FPÖ beim nächsten Durchgang auf weitere Zuwächse am meisten erhöhen.
12. Blau-Rot: 2 Prozent
Das wäre die zweite Möglichkeit für eine bloß aus zwei Parteien bestehende Regierungsmehrheit. Eine Kooperation mit der FPÖ würde jedoch auf SPÖ-Seite absolut jeder Festlegung der letzten Wochen, Monate und Jahrzehnte widersprechen und wohl SPÖ-intern mehr als eine Entmachtung von Babler erfordern, sondern auch eine Revolution auslösen.
Es wäre jedoch umgekehrt für Kickl eine interessante Möglichkeit, weil er sich so aus der strategisch unangenehmen Abhängigkeit von der ÖVP lösen könnte, und weil Kickl selbst sozial- und wirtschaftspolitisch im Vergleich zum Rest seiner Partei relativ links tickt – auch wenn das Wirtschaftsprogramm der FPÖ sehr wirtschaftsliberal ist und deshalb vor einer Koalition mit der SPÖ entsorgt werden müsste.
13. ÖVP-Minderheitsregierung: 2 Prozent
Diese ist noch unwahrscheinlicher als ein Beamtenkabinett, hätte aber ähnliche Voraussetzungen wie ein solches. Eine solche Minderheitenregierung könnte dann entstehen und eine Zeitlang überleben, wenn die Linke wie die Rechte solcherart verhindern wollen, dass die ÖVP sonst mit der jeweils anderen Seite koaliert.
14. Blau-Schwarz unter einem ÖVP-Kanzler: 1 Prozent
Diese Möglichkeit scheint fast nur eine theoretische zu sein. Die FPÖ könnte aber unter Umständen auf den Kanzler verzichten, wenn sie sich inhaltlich im Gegenzug extrem gut durchsetzen kann und insbesondere das Innenministerium erhält.
15 Es kommt alles ganz anders: 1 Prozent
Was man ja im Leben immer für möglich halten sollte …