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Das große Offiziersehrenwort

Vertrauen zwischen den politischen Spitzenpersönlichkeiten ist in der Politik eine wesentliche Frage. Aber ebenso fraglos sollten die politischen Sachinhalte in der Demokratie viel wichtiger sein. Es ist voll verständlich, dass Herbert Kickl – von seiner ganzen Körpersprache bis zu zwei wesentlichen Inhalten seiner Politik – für die große Mehrheit der Österreicher nicht gerade vertrauenerweckend wirkt, damit auch für viele in der ÖVP, die in der angenehmen wie unangenehmen Zwickmühlen-Situation steckt, entscheiden zu müssen, wie die nächste Regierung aussieht. Letztlich kann man aber nur sagen: Der Vergleich macht einen sicher.

Bei dieser Frage sollte es jedenfalls um mehr gehen als um das Offiziersehrenwort des Karl Nehammer, der jetzt ständig sagt: Er halte das ein, was er vor der Wahl versprochen hat, und damit kommt für ihn eine Koalition mit Herbert Kickl nicht in Frage. Das klingt überaus ehrenvoll. Das ist aber wie manche Offiziersehrenworte der Geschichte schwer beschädigend. Für Nehammer, seine Partei und vor allem die Republik. 

Nicht nur deshalb, weil dadurch den Freiheitlichen etliche bürgerliche Stimmen zugegangen sind, die überzeugt waren und sind, dass Kickl-Blau weniger schlimm ist als Babler-Rot. Insbesondere aus Wirtschaftskreisen waren solche Stimmen zu hören, die wahrscheinlich genügt hätten, um jene nicht einmal zwei Prozent zu einer Stimmabgabe für die ÖVP statt FPÖ zu bewegen.

Das Nehammer-Ehrenwort war und ist nicht nur deshalb dumm, weil der Ratschlag, es abzugeben, einst von einem der dümmsten Ratgeber gekommen ist, der sowohl bei Wolfgang Schüssel wie auch Sebastian Kurz in hohem Bogen hinausgeflogen war.

Das Ehrenwort ist auch deshalb dumm, weil es die persönliche Ehre des Karl Nehammer für wichtiger setzt als die Interessen der Österreicher.

Das Ehrenwort und insbesondere die (jetzige) Begründung, dass Herbert Kickl eine Person sei, der man nicht vertrauen könne, sind darüber hinaus auch deshalb für die ÖVP schädlich, weil sie sich als Folge etliche unangenehme Fragen stellen lassen muss.

  • Eine zentrale Frage lautet: Geht es euch eigentlich primär um die Inhalte, um die gerade auch für eure Wähler zentralen Punkte in Wirtschaft-, Sicherheits- und Migrationspolitik, oder geht es mehr um eure persönlichen Probleme mit einem unangenehmen Menschen wie Kickl? Letzteres werdet ihr euren Wählern erklären müssen – vor allem, wenn Kickl imstande sein sollte, in den beiden No-Go-Punkten (seine ständige, zumindest indirekte Russland-Unterstützung und seine verantwortungslose Corona-Politik) sowie durch Neukonstruktion des Weisungsrechts über den Verfassungsschutz interessante Kompromissangebote zu machen. Es ist zwar durchaus offen, ob er die staatsmännische Größe dazu hat, aber das A-priori-Nein des dümmsten aller Offiziers-Ehrenworte der Geschichte enthebt ihn diesbezüglich jeder Handlungsnotwendigkeit.
  • Eine fast ebenso unangenehme Frage an die ÖVP: Warum funktionieren die schwarz-blauen Bundesland-Koalitionen vor allem in Nieder- und Oberösterreich allem Anschein nach eigentlich sehr gut (vor allem die in Linz arbeitet schon sehr lange und nachweislich erfolgreich), wenn doch etwa der niederösterreichische FPÖ-Spitzenmann vor der Wahl als ähnlich untragbar hingestellt worden ist wie Kickl jetzt.
  • Weitere Frage: Warum legt ihr nicht konkret jene Punkte vor, wo Kickl in der Vergangenheit Vereinbarungen gebrochen hat? Dann könnte man sich ein besseres Bild machen.
  • Die nächste Frage: Wie kann man nur zu einer SPÖ unter einem Andreas Babler mehr Vertrauen haben als zu irgendjemandem sonst? Diese Frage wird dann fast übermächtig, wenn man, wie viele eurer Wähler, in fast allen inhaltlichen Punkten diametral andere Überzeugungen und Auffassungen hat als der Traiskirchner Hilfsarbeiter und Heurigenwirt.

Am unangenehmsten wird für Nehammer aber die Frage, warum er fast fünf Jahre lang Vertrauen in die Grünen, in diese grüne Regierungsmannschaft haben konnte, wenn er es Kickl verweigert. Das ist aus gleich mehreren Gründen absolut unfassbar. Denn:

  • Was kann schlimmer sein als die Ministerinnen Gewessler und Zadic?
  • Hat nicht die eine Ministerin mit ihrer Stimme im Namen ganz Österreichs für die Renaturierungsverordnung – abgesehen von allen mutmaßlichen Verletzungen der Bundesverfassung – jedes Vertrauen in der eigentlich zur Einstimmigkeit verpflichteten Regierung zerstört und vermutlich auch großen Schaden für Österreich ausgelöst?
  • Warum hat Nehammer dennoch mit ihr und ihrer Partei weiterregiert (abgesehen von einer lächerlichen Strafanzeige an die Zadic-Staatsanwaltschaft, die natürlich gleich wieder schubladisiert worden ist)?
  • Hat dieselbe Ministerin nicht auch in Zusammenhang mit dem Lobau-Tunnel eiskalt die Gesetze gebrochen?
  • Hat die andere Ministerin nicht noch schlimmer agiert, als sie die Staatsanwaltschaft zu einer ideologischen Hassorganisation verkommen ließ? Hat sie doch auf Wunsch der linken Kaderorganisation WKStA sowohl den vorgesetzten Oberstaatsanwalt und den zuständigen Sektionschef unter – wie heute eindeutig ist – völlig unhaltbaren Vorwürfen gemäß einer eindeutig politischen Agenda gefeuert!
  • Hat die Ministerin nicht ganz gezielt auf den Sturz des ÖVP-Bundeskanzlers hingearbeitet?
  • Wie erklärt eine angeblich unabhängige Justiz die Umstände, dass gerade ein schon vorher politisch schwer auffälliger Richter dann "ganz zufällig" den Kurz-Prozess als Einzelrichter zu leiten gehabt hat?
  • Warum hat sie einen Staatsanwalt trotz einer schweren disziplinären Vorstrafe ins Richteramt wechseln lassen?
  • Ist das nicht ein ganz, ganz schlimmes Vergehen gegen die Ethik des Rechtsstaats?
  • Hat sie den Mann nicht gerade deshalb zum Richter gemacht, weil er mit ihrem ehemaligen Parteifreund und Parteikollegen Peter Pilz eng kooperiert und weil er als Staatsanwalt seine Pflichten ausgerechnet zum Nachteil eines ÖVP-Politikers (Karl-Heinz Grasser) bewusst verletzt hat?
  • Hat sie sich wenigstens post mortem wegen ihres Vorgehens gegen den tragisch ums Leben gekommenen Christian Pilnacek entschuldigt?
  • Hat diese Ministerin irgendwo schützend eingegriffen, als die theoretisch unabhängige Rechtsschutzbeauftragte von linken Staatsanwälten hinausgemobt worden ist?
  • Hat sie eingegriffen, als die Staatsanwaltschaft ganz gezielt strafrechtlich völlig irrelevante Elemente aus beschlagnahmten Chat-Protokollen in den Strafakt genommen und damit dafür gesorgt hat, dass sie öffentlich bekannt werden (wie etwa die Verwendung eines Schimpfwortes) und einem ÖVP-Politiker schwer geschadet haben?
  • Hat sie eingegriffen, hat sie wenigstens die Leiterin der "Korruptionsstaatsanwaltschaft" gefeuert oder disziplinär zur Rechenschaft gezogen, weil durch jahrelang menschenrechtswidrig verschleppte Verfahren, die NIE durch ein Gerichtsurteil bestätigt worden sind, zahlreiche Existenzen wirtschaftlich und privat vernichtet worden sind?
  • Hat sie irgendwelche Konsequenzen gezogen, als ihre (weisungsgebundene!) Staatsanwaltschaft eine völlig unbegründete und rechtswidrige Hausdurchsuchung beim österreichischen Verfassungsschutz angeordnet hat, die den Sicherheitsinteressen der Republik schwer geschadet haben?
  • Wie kann die ÖVP da auch nur eine Sekunde über eine Koalition nachdenken, in der Rot und Pink all diese Justizskandale weiterhin decken wollen?
  • Was hat sich Nehammer gedacht, als der politisch etwas klügere Chef der benachbarten CSU – aus vielen anderen Gründen, die aber alle mit der grenzüberschreitenden politischen und ideologischen Identität der Grünen zu tun haben – vor allem anderen eine Koalition mit den Grünen ausgeschlossen hat?

Bei allem Respekt vor einem Offiziersehrenwort darf man Nehammer schon darauf hinweisen, dass in der Vergangenheit Offiziere bisweilen sehr wohl eingesehen haben, dass ihr früheres Ehrenwort ein dummer Unsinn gewesen sind. Da ein Bruch des Ehrenwortes aber vielen als mit ihrer Ehre unvereinbar geschienen ist (was auch immer diese Ehre für sie genau bedeutet), haben sie den Dienst quittiert oder etwas kraus versucht, ihre Ehre in einem Duell zu rehabilitieren. Und manche haben für sich noch schlimmere, letale Konsequenzen gezogen.

Nur die dümmsten Geber eines Offiziersehrenworte haben unbeirrt an diesem festgehalten und damit alle Konsequenzen für sich und auch für ihr Vaterland in Kauf genommen.

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