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Wo Österreichs Politik 16 Mal lernen kann – pardon: könnte

Aus vielen Ecken der Welt, aus denen in den letzten Stunden die Schlagzeilen gekommen sind, wäre viel Spannendes zu lernen, das eigentlich zu einem Umdenken führen müsste. Aus Hütteldorf und dem Libanon, aus Frankreich und Brandenburg. Freilich: So wie die Geschichte lehren würde, wir aber meist nicht daraus lernen wollen, so würden auch aktuelle Blicke rundum lehren, aber auch daraus ist man in Österreich nur ungern bereit zu lernen.

Beim sogenannten Wiener Fußballderby zwischen Rapid und Austria ist es zu wilden Schlägereien gekommen, nachdem über die Niederlage frustrierte Anhänger des einen Vereins (also üble Hooligans) Leuchtraketen auf einen Familiensektor gefeuert haben, wo hauptsächlich Anhänger des anderen, des gastgebenden Vereins gesessen sind. Darauf haben die Anhänger dieses anderen Vereins (also üble Hooligans) die Absperrungen überwunden und Jagd auf die Gast-Hooligans gemacht, bis nach Langem endlich die Polizei aufmarschiert ist – und das noch dazu weit weg von den Szenen der Zwischenfälle.

Daraus lassen sich die ersten drei Lehren ziehen.

  1. Zuerst einmal eine fußballinterne: Es ist schlicht absurd, wenn jetzt wirklich – wie zumindest allgemein auf Grund der bisherigen Fußball-Judikatur angenommen wird – der gastgebende Verein mit einem Punkteabzug bestraft werden sollte. Denn damit würde man ja "Gäste" dafür belohnen, dass sie mit Leuchtraketen auf andere Teile des Publikums schießen und so Konflikte absichtlich provozieren. Mit einer solchen Strafe für die Gastgeber werden Gast-Hooligans geradezu dazu ermutigt, bei einer Niederlage der "eigenen" Mannschaft solcherart künftig noch viel öfter einen Prügelkrieg auszulösen. Wenn man schon nicht auf dem Spielfeld gewinnen kann, dann kann man das offensichtlich durch gezielte Leuchtraketen. Das wäre ein endgültiger Beweis, dass der Intelligenz von Fußballfunktionären tatsächlich eine Obergrenze von 50 IQ-Punkten gesetzt ist.
  2. Noch eine fußballinterne Lehre: Es waren die Vereine selber, die diese Fan-Unkultur verehrt und damit geradezu hochgezüchtet haben; siehe etwa die kollektiven Verbeugungen vor den radikalsten Zuschauern nach einem Spiel. Aber auch die nach Action lechzenden Fernsehübertragungen haben diese Szene aufgewertet. Jetzt werden sie die Geister nicht mehr los, die sie gerufen haben.
  3. Eine politische Lehre: Es wird uns suggeriert, dass Polizei und Ordner nicht imstande sind, die Fußballstadien frei von Leuchtraketen zu halten, obwohl diese seit Jahren zur gefährlichen Plage geworden sind. Wenn das aber wirklich nicht möglich sein sollte, dann ist das der endgültige Beweis, wie sehr man uns betrogen und belogen hat, als man bestimmte Zonen – oder gleich ganze Städte – für angeblich messerfrei erklärt hat. Denn wenn man nicht einmal die Besucher von Stadien ausreichend kontrollieren kann, obwohl dort überall beim Eingang Leibesvisitationen stattfinden – oder zumindest stattfinden könnten –, dann ist das noch viel mehr in den Straßen und Plätzen von Favoriten, Brigittenau und Umgebung unmöglich. Dann sind die Messerverbote nur eine Farce, um die Bürger in Sicherheit zu wiegen.

In Brandenburg hat die SPD mit nicht ganz zwei Prozentpunkten vor der AfD gewonnen. Beide haben zwischen fünf und sechs Punkte dazugewonnen. Alle anderen Parteien haben – bis auf die neu antretende und sehr erfolgreiche Wagenknecht-Partei – schwer verloren. Das bringt gleich eine Fülle von Erkenntnissen:

  1. Der mit einem Zuwachs bestätigte SPD-Ministerpräsident Woidke ist der Typus eines seriösen Finanzbeamten. Daraus lernen wir: Eine altgewordene Gesellschaft will Ruhe und Verlässlichkeit. Solche Motivationen dürften auch in Österreich eine Rolle spielen. Typen wie ein Babler und Wlazny sprechen nur eine Minderheit aus den städtischen Bobo-Beisln an. Ruhe und Verlässlichkeit strahlt eher ein Karl Nehammer aus. Jedenfalls hat dieser ganz ähnlich wie Woidke in den letzten Wochen bei den Umfragen ebenfalls deutlich zulegen können.
  2. Wo sich hingegen für Nehammer eine Parallelle zu Deutschland schädlich zeigt: Für die CDU, die Schwesterpartei der ÖVP, hat sich das Einreihen in die Anti-AfD-Brandmauer als verheerend erwiesen. CDU-Wähler haben sich reihenweise für den Sozialdemokraten Woidke entschieden, weil dieser sich als einzige Alternative zur "Alternative für Deutschland" im Rennen um Platz eins profilieren konnte. Anders formuliert: Das hysterische Anti-"Rechtsextremisten"-Getue hat der Linken genutzt und  der CDU geschadet.
  3. Noch ein Aspekt war für die CDU katastrophal: Der CDU-Ministerpräsident des benachbarten Sachsen, Michael Kretschmer, hat sich im Wahlkampf nicht etwa für seine Parteifreunde, sondern für Woidke ausgesprochen. Das ist etwa so, wie wenn bei einer Wiener Wahl die niederösterreichische ÖVP-Landeshauptfrau statt der eigenen Parteifreunde den Wiener SPÖ-Bürgermeister unterstützen würde, weil sie mit dem gut packeln kann (was in der Tat in den Zeiten Pröll-Häupl weitgehend der Realität entsprochen hat). Wir lernen: Unsolidarität innerhalb einer Partei ist der Schritt zum Untergang.
  4. Der CDU wie auch der ÖVP schadet es, wenn sie den klaren Eindruck erwecken, dass sie in eine Koalition mit einer Linkspartei gehen werden. Dass die Grünen als Koalitionspartner bei bürgerlichen Wählern besonders unbeliebt sind, hat die ÖVP schon lernen müssen. Und in Brandenburg hat der CDU geschadet, dass es intensive Hinweise gegeben hat, dass sie eher zu einer Koalition mit der (Ex-?)Kommunistin Wagenknecht bereit ist als zu einer mit der AfD, obwohl diese oft den Eindruck erweckt, die bessere CDU sein zu wollen, nämlich die aus Vor-Merkel-Zeiten. Ein solcher Kurs ist für antikommunistisch motivierte Wähler in Ostdeutschland besonders absurd.
  5. Noch nie war der Altersunterschied bei den Wählern einer Siegerpartei so krass wie diesmal. Die Sozialdemokraten hatten bei den Über-70-Jährigen gewaltige 49 Prozent errungen, bei den Wählern unter 24 Jahren hingegen nur 19, während die AfD in dieser Wählergruppe auf 31 Prozent gekommen ist.
  6. Die hinausgewählten Grünen haben auch bei den Jungen nur 6 Prozent der Stimmen bekommen. Wir lernen: Die Zeiten, da man uns einreden konnte, die Jugend wäre grün und links, sind bis auf ein paar Universitätsstädte illusionsbeladene Vergangenheit. Freilich: Dass die Sozialdemokraten primär eine Pensionistenpartei geworden sind, wissen wir schon seit etlichen Jahren. Zugleich sind die Jungen jene, die am meisten – von den Schulen bis zu den Parks und den Messerungen – unter den Folgen der Migration zu leiden haben. Auch die Mädchen, die früher eher links gewählt haben, haben die Moslems besonders zu fürchten gelernt, weil bei deren jungen Burschen "Christenhuren"  als Freiwild gelten.
  7. Diese Altersunterschiede zeigen: Die traditionellen Medien mit ihrer schweren Linkslastigkeit und geschlossenen Anti-AfD-Hetze greifen nur noch bei den Alten. Die Jungen bewegen sich hingegen in der den Älteren völlig fremden Ebene der sozialen Medien.
  8. Mit absoluter Sicherheit wäre der Kommentar der linken Medien, also fast aller, genauso ausgefallen, wäre umgekehrt die AfD um die zwei Prozentpunkte knapp vor der SPD gelegen. Auch dann hätten sie alle verlangt, dass die zweite, dritte und viert-platzierte Partei eine gemeinsame Koalition gegen die AfD gebildet hätte.
  9. Das ist demokratisch auch ganz eindeutig in Ordnung. Parlamentsmehrheit ist Parlamentsmehrheit. Egal, wer im Vergleich zur letzten Wahl dazugewonnen oder Mandate verloren hat. Das war ja auch 1999/2000 in Österreich völlig legal. Freilich: Etwa in Hinblick auf Frankreich sehen die linken Medien das ganz anders. Da regen sich viele darüber auf, dass das Lager von Präsident Macron  mit der Rechten ein Bündnis eingeht, obwohl die linke Volksfront die relative Mehrheit erreicht hat (siehe etwa die Überschrift in der Wiener "Presse": "Michel Barniers Team ,ist eine Beleidigung für die Demokratie'").
  10. Da  wir gerade  in Frankreich sind, fällt der Aspekt besonders auf, dass dort die "Brandmauer" gegen die rechte Le-Pen-Partei de facto gefallen ist. Denn ohne deren Unterstützung etwa beim Budget hat die neue Regierung keine Mehrheit. Und das ist mehr als spannend. War doch Frankreich bei der ersten schwarz-blauen Regierung einer der Anführer der antiösterreichischen Sanktionen: Der damalige konservative Präsident Chirac hat eine Regierungsbeteiligung der FPÖ als Störung seiner Kampagne gegen die französische Le-Pen-Partei gesehen. Ein Vierteljahrhundert später geht darob auch in Frankreich die Welt nicht unter.

Auch aus dem immer mehr eskalierenden Nahostkrieg gibt es, gäbe es viel für Österreichs Parteien zu lernen. Vor allem seit dieser im Libanon tobt.

14.  Vor allem zeigt sich, wie untauglich das Konzept der Neutralität ist, um die Sicherheit eines Landes zu gewährleisten. So wie die Österreicher haben  ja auch die Libanesen – mit einem relativ großen christlichen Bevölkerungsanteil – lange geglaubt, sich aus den Nahosthändeln heraushalten zu können, und sich als Schweiz der Levante des Lebens erfreuen zu können. Heute ist der Libanon wehrloses Schlachtfeld, wo die vom Iran unterstützte Hisbollah ihren Krieg gegen Israel führt, und wo Israel jetzt hart zurückschlägt. Die libanesische Regierung kann da lediglich die Toten und Verletzten in den Spitälern zählen. Warum begreifen so viele Österreicher nicht spätestens jetzt, dass Neutralität absolut nichts zur eigenen Sicherheit beiträgt? Dass der Neutrale im Ernstfall immer hilflos und alleine zum Opfer wird? Wie es etwa auch Belgien in beiden Weltkriegen passiert ist (während die Schweiz nur durch ihre hohen Gebirge und eine enorm starke Rüstung verschont geblieben ist).

15. Eine weitere Erkenntnis aus dem Libanon sollte in Österreich ebenfalls viel stärker bewusst werden: Das Unglück des einst lange von allen so beneideten Landes hat genau damit begonnen, dass es in großer Menge Flüchtlinge aufgenommen hat.

16. Eine ganz wichtige Lehre aus den Entwicklungen des Nahostkrieges vom Gaza bis Libanon betrifft die Art, wie militärische Konflikte heute hauptsächlich geführt werden. Sie sind dominierend – auch wenn Pager und Funkgeräte in den letzten Tagen für Schlagzeilen gesorgt haben – ein Krieg in der Luft. Ein Krieg mit Drohnen, Raketen und Flugzeugen. Ein Land, welches das nicht begreift, welches nicht jede Möglichkeit zur Luftverteidigung – von Abfangjägern bis zur Raketenabwehr, also im Fall Österreichs bis zu Sky Shield –, hat sich im Grund schon selbst aufgegeben.

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