Wie die Jahrhundertflut instrumentalisiert wird
21. September 2024 01:41
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 4:30
Kaum hatte Anfang dieser Woche der Regen aufgehört, kamen sie mit ihren Deutungen, Erklärungsversuchen, Schuldzuweisungen und Prophezeiungen aus ihren Löchern gekrochen: die ganze Heerschar an Klima-, respektive Klimakatastrophenwissenschaftlern. Im Schlepptau mit dabei die Freitags-Klimademonstranten – bei allerdings äußerst bescheidenem Zulauf (Gottseidank arbeiten und helfen lieber viele noch, statt zu streiken). Und willfährige Medien spielen bei dieser ganzen Unwetter-Tragödie eifrig mit, haben aber außer der ewigen Frage, ob das jetzt schon die Auswüchse der menschengemachten Klimakrise seien, wenig an Hirnschmalz aufzubieten. Sie verstärken noch die (leider absehbar gewesene) Instrumentalisierung dieser Flut, die zweifelsohne viel Leid über das Land gebracht und viele Existenzen vernichtet hat. Und schüren Panik just bei denen, die neben finanziellen und manuellen auch seelischen Beistand benötigen würden.
Nachfolgend ein paar Anmerkungen und Richtigstellungen zu den Beobachtungen der vergangenen Tage:
- Unzweifelhaft ist, dass aus den Hochwasserkatastrophen von 2002 und 2013 die richtigen Schlüsse gezogen worden sind. Denn dort, wo einst die Wassermassen so stark gewütet haben, passierte nun fast nichts, respektive hielt sich der Schaden in Grenzen: an der Donau und am Kamp. Selbst Extremwetterereignisse, die anderorts auf der Welt und in Europa nicht beherrschbar wären und viele Tote fordern würden (siehe die Hochwasserkatastrophe im deutschen Ahrtal vor drei Jahren mit rund 150 Toten), sind mit den richtigen Maßnahmen bewältigbar. Im konkreten Fall mit Dämmen und mobilem Hochwasserschutz (Donau) sowie einem regulativ wirkenden Stausee (Kamp). Dann sind selbst sintflutartige Regenfälle mit mehr als 400 Litern am Quadratmeter binnen weniger Tage grosso modo machbar.
- Unzweifelhaft ist auch, dass Wien mit einem blauen Auge davongekommen ist und die Wassermassen zwar die Infrastruktur für Tage lahmgelegt haben, aber keine Menschen zu Schaden gekommen sind. Wiewohl der aus mehreren Wienerwaldbächen gespeiste Wienfluss hart an seine Kapazitätsgrenze gekommen ist. Übrigens: Vor mehr als 20 Jahren gab es Pläne, den Wienfluss bis zum Karlsplatz komplett zu renaturieren – dann entstanden aber Bedenken von Hydrologen ob dieser feuchten, urbanen Träumerei. Und so blieb das aus der Zeit und unter Mitwirkung Otto Wagners ersonnene Betonkorsett zur Flussregulierung großteils unberührt. Im Zusammenhang mit den schon mehrfach vergrößerten Rückhaltebecken in Auhof – ebenfalls nicht vollständig nach grüner Art renaturiert – konnte dieses System nun gröbste Schäden in den Bezirken Penzing, Hietzing, Meidling, Wieden und Mariahilf verhindern. Betonkorsett? Richtig, genau das, was uns EU-weit und in linken Medien als das Böseste vom Bösen verkauft wird, hat funktioniert. Dass der "Standard" in einem Kommentar solche Betonkorsette trotzdem als Übel anprangert, aber das Beispiel Wien "übersieht", ist geradezu grotesk.
- Der Wiener Hochwasserschutz hat übrigens trotz eines – logisch für eine Millionenstadt – enorm hohen Versiegelungsgrads funktioniert. Womit wir beim großen, zweiten Erzählstrang dieser Katastrophe sind. Die großflächige und unaufhaltsame Bodenversiegelung sei schuld, machen uns Wissenschaftler nun weis. Leider Gottes haben diese Damen und Herren von etablierten Wissenschaften wie der Geografie keine große Ahnung, sonst könnten sie derlei nicht behaupten. Das beweist das Tullnerfeld – die wohl am stärksten betroffene Region – schon beim bloßen Hinsehen: Wer die weite Ebene zwischen Wienerwald und Donaustrom kennt, weiß sofort: Dort sind geschätzt 99 Prozent Wiesen, landwirtschaftliche Flächen und andere Grünareale – also ausreichend Möglichkeit, dass das Wasser frei versickern könnte. Nur leider – und das zeigen die unzähligen nassen Keller dort – können die Böden solche Mengen auch nicht aufnehmen. Noch heute steht dort auf den Feldern das Wasser, der Grundwasserspiegel wird lange hoch bleiben. Dort den Bewohnern einzureden, wenn man Kreisverkehre oder Straßen aufreißt und entsiegelt, würde alles gut, ist nichts anderes als Schildbürgerei.
- Bezeichnend auch ein Schlaglicht auf "Puls 4", wo ein direkt neben der Großen Tulln wohnendes Hochwasseropfer unter Tränen meinte: Ja, die grüne Umweltministerin Gewessler hätte schon recht gehabt, man müsse die Flüsse jetzt endlich renaturieren, um so etwas künftig zu verhindern. Leider (oder vielleicht auch besser so) hat dem bedauernswerten Mann niemand gesagt, dass er dann halt auch sein Heim und Haus für immer aufgeben muss. Denn eine Renaturierung kann wohl nur heißen, der Großen Tulln links und rechts hunderte Meter mehr Platz zu verschaffen und alle Siedlungen abzureißen – leider auf Kosten der dortigen Bewohner. Renaturierung irgendwo am Oberlauf der Tulln hat wohl wenig Sinn.
- Die große Aufgabe aller – insbesondere in Niederösterreich – ist es nun, in den kommenden Wochen aus dem Hochwasser die richtigen Schlüsse zu ziehen. So wie nach 2002. Und klare Antworten auf folgende Fragen zu geben: Warum sind die kleineren Bäche und Flüsse wie Perschling, Tulln und Co. so zum Problem geworden? Warum haben die Dämme nicht gehalten? Waren die Berechnungen (von Wissenschaftlern) falsch? Hätte man in Kenntnis der enormen Regenmengen – zumal die Wetter-Prognosen haarscharf gestimmt haben – in bestimmten Regionen anders handeln müssen? Sind die Hochwasser-Simulationen das Geld wert? Und warum kann man angeblich das Klima in 50 Jahren exakt vorausdeuten, nicht aber das Ausmaß einer nahen Flut bei erwartbaren Regenmengen?
Das sind die relevanten Fragen dieser Zeit – mit einem einzigen Ziel: bestmögliche Anpassung an Extremwetterereignisse zum Schutz der Bevölkerung. Wer die Parole ausgibt (und sei es nur suggestiv), der Verzicht auf Auto, Fleisch oder Flugreisen würde die nächste Flut verhindern, sollte ab in die Psychiatrie.
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