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Man erwartet es in Zeiten des Wahlkampfs kaum: Da ist doch unter all dem Wortgeklingel der Parteienversprechen, wie sie uns alle glücklich machen wollen, wenn wir sie nur wählen, ein wirklich interessanter Vorschlag aufgetaucht. Die NEOS haben das flexible Pensionsantrittsalter entdeckt. Und das wäre mehr als eine Überlegung wert.
Bis 62 soll jeder arbeiten, doch dann soll er selbst entscheiden können, wann er wirklich in Pension gehen möchte. Nach oben hin wäre also das Pensionsantrittsalter offen.
Das ist natürlich keine Neuerfindung, denn in Dänemark ist diese Regelung längst erprobt. Sie hat vielerlei Vorteile. Sie ist der Realität angepasst, in der wir immer älter werden und daher länger von der Pension leben, während die Zahl der jüngeren Menschen und damit die der Beitragszahler, die die Pensionisten erhalten müssen, immer stärker dahinschmilzt.
Außerdem hat man herausgefunden, dass besonders Männer, die in ihrem Beruf aufgegangen sind, gesundheitlich unter der Pensionierung leiden. Das kann bis zum verfrühten Tod gehen. Der "Pensionsschock" ist ja ein bekanntes Phänomen.
Der Vorschlag wäre wirklich mehr als diskutierenswert – natürlich erst nach der Wahl, denn jetzt will sich niemand mit Lösungen großer Probleme befassen (es könnte ja Stimmen kosten).
Gerade hat die Vorsitzende der Alterssicherungskommission, Christine Mayrhuber, Alarm geschlagen, dass die nächste Regierung unbedingt das Pensionsproblem angehen muss – schließlich fließt jetzt schon jeder vierte Budget-Euro in Pensionen, statt dass damit Investitionen in die Zukunft gemacht werden können. Mayrhuber will das Antrittsalter generell erhöhen – um zwei Jahre auf 67. Und das wird es sicher nicht spielen. So viel Mut hat keine Regierung.
Da ist viel eher zu befürchten, dass auch die nächsten Koalitionen sich die Finger nicht an einer Pensionsreform zu verbrennen bereit sind. Also wird man eine Reform weiter aufschieben, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Oder bis das System kollabiert.
Schon deshalb wäre der NEOS-Vorstoß ein Königsweg: Er würde dem Einzelnen mehr Entscheidungsfreiheit über die eigene Lebensgestaltung geben, und sicher die Pensionskassen entlasten. Dass die Gewerkschaften das nicht gerne sehen werden, steht auf einem anderen Blatt. So viel Freiheit für den Einzelnen schmälert ihre Macht.
Nun werden immer zwei Argumente gegen längeres Arbeiten ins Treffen geführt.
Die einen behaupten, dass es dann zu wenig Arbeitsplätze für die Jüngeren gäbe. Das stimmt nun schon wegen der demographischen Entwicklung nicht mehr. Die Jungen fehlen. Und außerdem haben sich sehr viele der jüngeren Generationen aus der Vollzeit-Berufstätigkeit zurückgezogen. Also wäre genügend Potenzial für Ältere da.
Das zweite Gegenargument ist, dass schon jetzt ältere Arbeitnehmer altersdiskriminiert werden. 24 Prozent der Männer und 28 Prozent der Frauen treten ihre Alterspension nicht nahtlos aus einer Erwerbstätigkeit heraus an. Und das hat nicht immer gesundheitliche Gründe, sondern liegt eben sehr oft nur am Alter: Besonders Frauen ab 40 finden schwer einen neuen Arbeitsplatz. Ob sich das jetzt bei anhaltender Arbeitskräfte-Knappheit ändern wird, bleibt abzuwarten.
Mittlerweile fällt auch ein weiteres Argument der letzten Jahrzehnte weg, dass ältere Arbeitnehmer mit der digitalen Welt nicht zurechtkommen. Auch wenn die Generation 40+ noch keine "digital natives" sind, leben und arbeiten mittlerweile alle Generationen, die noch im Erwerbstätigenalter sind, friktionsfrei mit den neuen Technologien.
Übrigens hat Christine Mayrhuber, als sie mit ihrem Pensions-Alarm den Wahlkampf-Frieden störte, auch über Maßnahmen gesprochen, wie man der Altersdiskriminierung in der Arbeitswelt Herr werden könnte: Sie schlägt ein Bonus-Malus-System vor, wonach Betriebe, die ihre Mitarbeiter nicht bis zur Pensionierung halten, zur Kasse gebeten werden sollen.
Ein guter Vorschlag für eines der dringendsten Probleme dieser Republik liegt auf dem Tisch. Man kann nur hoffen, dass er nach den Wirren von Wahlkampf und Regierungsbildung noch rechtzeitig aufgegriffen wird. Die Zeit drängt.