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Jahrzehntelang hat sich die ÖVP selbst als rechtsstehend definiert. Und die Wähler haben bis auf die Kreisky-Jahre nie ein Problem damit gehabt, mehrheitlich immer rechts zu wählen. Heute propagiert die ÖVP jedoch als Hauptinhalt ihrer Wahl-"Strategie", dass sie in der "Mitte" stünde. Erfolgsrezept ist das Niemandsland der "Mitte" jedoch keines, wie die nunmehrige Lage der ÖVP, wie jede psychologische Wähleranalyse, wie aber auch viele internationale Entwicklungen beweisen.
Die so signalisierte Linksentwicklung der ÖVP ist schon deshalb ein schwerer Fehler, weil sich unter den wahlwerbenden Parteien auf der Linken gleich ein halbes Dutzend drängt und der ÖVP dort kaum Platz lässt, während sich rechts von der Volkspartei für die FPÖ ein großes und von jeder Konkurrenz freies Spielfeld geöffnet hat, das diese naturgemäß auch begierig zu nutzen versucht.
Der Hang zur "Mitte" beruht auf einem schweren Denkfehler in der strategischen Politanalyse. Wenig begabte Politikberater sehen bei Umfragen, dass sich die meisten Wähler auf die Frage, wo sie zwischen links und rechts stehen, sicherheitshalber in der Mitte positionieren. Dieses Verhalten der Befragten heißt aber bei weitem nicht, dass sie mit ihren inhaltlichen Sichtweisen wirklich in der politischen Mitte oder ganz in deren Nähe positioniert wären. Diese Antworthäufung beruht vielmehr darauf, dass die Befragten sich und ihre Anschauungen durch die Antwort "Mitte" am meisten bedeckt halten können. Dahinter steckt nicht zuletzt die Haltung, sich neugierigen Dritten gegenüber nicht allzuviel öffnen zu wollen. Es gibt ja auch keine seriöse Definition, was "rechts" eigentlich ist.
Viele fürchten, mit der Antwort "links" oder "rechts" in einen Rechtfertigungsdruck zu kommen. Sie spüren, dass vor allem das Wort "rechts" nicht zuletzt durch die aus Deutschland überschwappende politmediale Propaganda ein schlechtes Image bekommen hat, wo ja sogar mit viel Steuergeld Kampagnen "gegen Rechts" unterstützt werden. Die deutschen Ampelparteien glauben, durch die Herstellung unterschwelliger oder direkter Assoziationen rechter Parteien mit den Nazis die erfolgreiche Konkurrenz von rechts diskreditieren und zurückdrängen zu können.
Aber trotz eines solchen verbalen Herandrängens an die "Mitte" ist die Mehrheit der Menschen in fast allen Ländern rechts der Mitte zu finden. Sie meiden zwar öfter als früher das Wort "rechts", sie stehen aber inhaltlich ganz eindeutig rechts. Das merkt man, wenn man ihre Positionierungen genauer untersucht. Da ist vom Migrationsthema bis zur Gesellschaftspolitik (Gendern, LGBTQ) eine klare Dominanz rechter Positionen sichtbar.
Das hat Sebastian Kurz wie fast alle seine Vorgänger (bis auf die Herren Pröll und Mitterlehner) auch klar erkannt. Er hat mit der wiederholten Selbstpositionierung "Mitte-Rechts" große Wahlerfolge errungen. Diese Einordnung hat er freilich durch Abschluss einer Koalition mit der am weitesten links stehenden Partei dann selbst wirkungslos gemacht. Dennoch ist rätselhaft, warum seine Partei diese überaus erfolgreiche Selbstpositionierung aufgibt.
Wie man auch immer über den Rücktritt von Kurz und seine Konflikte mit der Staatsanwaltschaft denkt: Das hat nichts an der massiven Unterstützung der bürgerlichen Wähler für einen Mitte-Rechts-Kurs zu tun, den sie bei den letzten Wahlen bekundet haben. Wähler ändern ja ihre ideologische Einstellung nicht deshalb, weil ein Spitzenpolitiker aus welchen Gründen immer zurückgetreten ist. Sie ändern ihr Wahlverhalten nur dann, wenn die Partei inhaltlich nicht mehr dort zu stehen scheint, wo sie selbst stehen. Sie haben eine Mitte-Rechts-Partei gewählt, die nun plötzlich als "Mitte" antritt.
Tatsache ist überdies, dass seit Kriegsende die Parteien rechts der Mitte mit Ausnahme der Kreisky-Zeit immer die absolute Mehrheit gehabt haben. Niemand kann erklären, warum man da freiwillig ins Niemandsland der Mitte rückt. Nach der Wahl werden jene dümmlichen Berater, die Karl Nehammer die "Mitte" eingeredet haben, daher auch sehr bald verschwunden sein.
Zwar hat die ÖVP seit Mai, als sie bei Umfragen sogar unter die 20-Prozent-Linie gerutscht ist, mit derzeit 24 Prozent etliches aufgeholt. Aber das ist immer noch bloß der Wert ihres allerschlechtesten Wahlergebnisses, seit es sie gibt.
Man kann auch durchaus fragen, ob die ÖVP derzeit nicht sogar ein Stück links der Mitte zu finden ist. Denn sie hat zu keiner der Linksparteien oder deren Obleuten eine so klare Trennlinie gezogen wie zu Herbert Kickl. Der ist aber nun einmal Chef der einzig verbliebenen Partei rechts der Mitte und wird sicher nach dem zu erwartenden Wahlerfolg etwa in der Höhe der einstigen Ergebnisse Jörg Haiders mit rund 27 Prozent nicht gestürzt werden (auch wenn die FPÖ heuer bei Umfragen sogar schon eine Zeitlang die 30-Prozent-Grenze erreicht hat, die inzwischen unerreichbar scheint).
Vor allem bringt die ohne Wenn und Aber ausgesprochene Absage an Kickl viele einstige ÖVP-Wähler ins Grübeln. Denn für sie ist – auch wenn sie die Aversionen gegen die Person Kickl voll nachvollziehen können – die SPÖ unter ihrem derzeitigen Chef Andreas Babler tausend Mal stärker abstoßend als Kickl. Wenn man aber die Kickl-FPÖ ausschließt, dann gibt es mit tausendprozentiger Sicherheit keine Koalition ohne die Babler-SPÖ. Da denken sich viele Bürgerliche aber: "Nein, danke – Babler ist das Übelste, was Österreich passieren kann." Eine Stimme für die ÖVP bietet keine Garantie mehr, dass diese Babler so weit wie möglich von relevanten Entscheidungen fernhält.
Seit die FPÖ ein sehr marktwirtschaftliches Wirtschaftsprogramm präsentiert hat, ist sie überdies bei jenen Fragen, die in der Politik und speziell für die immer wegen ihrer Wirtschaftskompetenz gewählte ÖVP die wichtigsten sind, die der ÖVP weitaus am nächsten stehende Partei (abgesehen von den quantitativ und damit für eine Regierungsbildung unbedeutenden Neos).
Auch der Blick ins Ausland beweist: "Mitte"-Parteien, die sich ständig krampfhaft von rechts abgrenzen oder gar nach links gehen, müssen scheitern, Drei große Länder seien als Beispiele genannt:
Wo auch immer man hinblickt: Die ungeschickten Versuche, in der politischen Mitte ein politisches Lager zu errichten, sind immer dann zum Scheitern verurteilt, wenn dieses Lager nicht fest auf der Rechten verankert ist. Wer glaubt, politische Äquidistanz zwischen links und rechts zur zentralen Selbstdefinition machen zu können, kann den Wählern nie eine klare Orientierung vermitteln und er wird die konservativen, christdemokratischen, (Hayek-)liberalen, heimatverbundenen Wähler verlieren.
Er hätte wissen müssen: Die Wähler der sogenannten Mitteparteien sind in ihrer großen Mehrheit in vielen wichtigen Fragen immer rechts zu finden – auch wenn sie das zum Teil bei Umfragen nicht in der vollen Deutlichkeit sagen, sondern sich selbst hinter der nichtssagenden Allerweltbeschreibung "Ich steh in der Mitte" verstecken.