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Sie zählten zu den besten Wiener Schnitzeln, die ich je gegessen habe. Elisabeth Leopold hatte sie einst in ihrem ebenerdigen Grinzinger Haus für ihren Mann Rudolf und mich gebacken. Jetzt ist sie, 14 Jahre nach ihrem Mann, 98-jährig gestorben. Die Begegnung mit den beiden ist für mich ein unvergesslicher Teil meiner Erinnerungen. Nicht primär wegen der Schnitzel, nicht nur wegen der Begegnung mit zwei starken Persönlichkeiten, sondern vor allem wegen ihres Beitrags zu einer enorm wichtigen Lehre für mein Leben.
Die beiden haben in ihrem langen Leben die eindrucksvollste Kunstsammlung Österreichs zusammengebracht. Und zwar nicht durch den Einsatz ererbter Vermögen, sondern durch großes Kennertum, durch frühzeitiges Entdecken des Wertes von Egon Schiele, Gustav Klimt und der großen Kunstexplosion aus dem Wien der vorletzten Jahrhundertwende, durch geschickte Tauschgeschäfte und durch jeden Schilling, den die beiden selbst in ihrem Brotberuf als Augenärzte erwirtschaftet haben. Persönlich lebten sie hingegen durchaus bescheiden in ihrem alten Häuschen.
In diesem hatten sie bei meinem letzten Besuch schon wieder enorme Schätze angesammelt, obwohl die eigentliche Sammlung Leopold bereits zu einem staatlichen Museum geworden war. Dieser Transfer – für zwei Milliarden Schilling und offenbar im Gegenzug für Steuerschulden der Leopolds – ist ein Verdienst des Erhard Busek gewesen. Aber die Kunstfanatiker Leopold hatten schon wieder tolle Dinge in ihrem Privathaus angehäuft, von einem weiteren Schiele bis zu einer tollen Sammlung indigener Kunst aus der dritten Welt. Sie ließen sich auch durch meine besorgte Frage nicht irritieren, ob denn das in einem ebenerdigen und nicht sonderlich gesicherten Haus nicht ein gefundenes Fressen für Einbrecher nach Art des Saliera-Diebes wäre. Aber sie begnügten sich mit der Bitte, nicht die Adresse zu veröffentlichen …
Die Leopolds konnten durchaus streitbar sein, wenn es um Kunst und ihre oft sehr eigensinnigen Visionen dazu ging. Darunter litten etliche von mir sehr geschätzte Mitarbeiter in ihrer Umgebung. Die Leopolds waren aber persönlich auch sehr liebenswert, wenn es keinen Grund für einen einschlägigen Disput gab.
Das wirklich Eindrucksvollste an ihnen war aber der unglaubliche und totale Fanatismus zweier Leben für die Kunst. Vielleicht war dieser Fanatismus das Gegengewicht zum ärztlichen Dasein. Gab und gibt es doch unter Ärzten überdurchschnittlich viele kunstaffine Menschen. So fanatisch – und so erfolgreich waren aber von all den Menschen, die ich kennenlernen durfte, nur die Leopolds.
Ihre Persönlichkeit wurde mir auch zur großen Lehre in meinem Verständnis von der Kunstwelt. Wirklich Großes vor allen anderen zu erkennen, gelingt da immer nur fanatischen Einzelpersönlichkeiten, während beamtete Sammelaktivitäten stets bürokratisch mittelmäßig bleiben müssen. Mit Schrecken erinnere ich mich etwa an die mangelnde Qualität der Werke, die bei einer Ausstellung der einst vom Unterrichtsministerium (mit Steuergeldern) angekauften Bilder gezeigt worden sind. Zum Sammeln wirklich guter Kunst gehört nichts mehr als der Mut zur eigenen Meinung, viel Verständnis und die Freiheit von allen politischen oder sozialen Rücksichten und Freundschaften.
Das trifft nicht nur auf die Leopolds zu, sondern gewiss auch auf die großen Sammlungen des Kunsthistorischen Museums und der Albertina. Dort waren es zwar immer Angehörige oder Schwiegersöhne des Hauses Habsburg, welche die großen Sammlungen schufen. Aber unter ihnen war nur ein einziger auch Kaiser. So hatten etwa die Wichtigsten der letzten Jahrhunderte, von Maria Theresia bis Franz Joseph, in keiner Weise ein besonderes Talent oder Faible für Kunst. Letzterer ganz besonders nicht.
Die Albertina trägt hingegen sogar den Namen ihres großen Gründers, des Albrecht von Sachsen-Teschen. Er war der Lieblingsschwiegersohn der Maria Theresia. Er legte den großartigen Grundstein der Sammlung und hinterließ bei seinem Tod 14.000 Zeichnungen und 200.000 Grafiken.
Genauso gehen die Sammlungen des Kunsthistorischen vor allem auf zwei Habsburger zurück, während sich viele andere kaum als Kunstkenner erwiesen haben: auf Kaiser Rudolf II. und auf Erzherzog Leopold Wilhelm, der als Statthalter in den Niederlanden von britischen bis flämischen Sammlungen die wichtigsten der Wiener Juwelen erworben hatte.
So wie offensichtlich die bildende Kunst braucht auch die Musik neben genialen Schöpfern geniale Förderer, die Qualität zu erkennen vermögen. Mozart etwa oder Schubert hat es oft an solchen Förderern gemangelt, während etwa Haydn oder Beethoven in weit besserem Ausmaß welche gefunden hatten. Um nur die wichtigsten Beispiele aus der Wiener Klassik zu erwähnen.
Was für eine Lehre können wir aus diesen kurzen Streifblicken in die Welt der Spitzenkunst gewinnen? Kunst lässt sich nicht durch Fünfjahrespläne und ähnliche Denkansätze entwickeln. Sie entsteht oft, sehr oft durch Menschen, die unter Entbehrungen für ihr großes Talent kämpfen müssen. Und sie braucht genauso mutige Förderer beziehungsweise Sammler, die ebenso wie die Künstler einen starken eigenen Willen, den Mut, aus dem Gewohnten auszubrechen und vor allem einen genialen Blick beziehungsweise ein geniales Ohr haben müssen, um große Schöpfungen zu erkennen. Die Leopolds waren zwar gewiss keine Zeitgenossen Schieles mehr. Aber sie erkannten früher als alle anderen dessen wirklichen Wert.
Diese Bedeutung von Einzelpersönlichkeiten ist wichtiger als alles andere. Ihr Wirken kann nicht von Staats wegen geschaffen oder angeordnet werden. Der Staat kann gute Opernhäuser und Museen finanzieren, die jene Werke zeigen, die von solchen Einzelpersönlichkeiten geschaffen und entdeckt worden sind. Der Staat kann und soll also wichtige Rahmenbedingungen schaffen. Aber das Wichtigste hängt immer von einzelnen Künstlern, Sammlern und Förderern ab.
Das ist sehr gut auch mit Forschung und Wirtschaft zu vergleichen. Auch in der Forschung ist es letztlich immer der Einzelne – auch wenn er in einem Team werkt –, der den Mut, die Durchhalte- und Willenskraft, das Genie hat, sich aus bloßer Neugier seinen "Spinnereien" hinzugeben (wie es Nobelpreisträger Anton Zeilinger genannt hat), der solcherart wirklich Tolles zustandebringt.
Ebenso sind es in der Wirtschaft die großen und kantigen, visionären und mutigen Einzelpersönlichkeiten, welche die wirklich sensationellen Unternehmen aufbauen, die den Wohlstand der Nation entscheidend vorangebracht haben. Um wieder nur in Österreich zu bleiben: Man denke etwa an Dietrich Mateschitz, an Hans Dichand, an Herbert Turnauer, an Daniel Swarovski oder Gaston Glock. Das, was sie durch ihr Genie geschaffen haben, ist Millionen anderen nicht geglückt. Und einem Staat, einem Politiker ist solches schon gar nicht geglückt und wird es auch nie glücken.
Staat und Politiker haben jedoch eine andere wichtige Aufgabe, sowohl in der Welt der Kunst als auch in jener der Wirtschaft und in jener der Forschung: Sie sollten sich um die Schaffung der bestmöglichen Rahmenbedingungen kümmern, damit die Genies erfolgreich werden können, damit möglichst viele von ihnen aufblühen. Durch gute Schulen, gute Universitäten, durch ein günstiges Steuersystem, durch gute Museen und Opern, durch möglichst wenig behindernde Regeln.
Man kann diese Rahmenbedingungen auch so definieren: Der Staat handelt im Interesse der Nation richtig, wenn er es schafft, dass hier viele solcher Übertalente aufblühen, dass von anderswo welche gerne herkommen, und dass keiner von ihnen weggehen will.
Man kann sie auch negativ definieren: Mit Quoten-, Gender- und Diversity-Regeln, mit Schikanen und Hochsteuern erreicht man mit Sicherheit, dass hierzulande und in Europa keine Persönlichkeiten der genannten Qualität mehr nachkommen. Statt dessen haben wir dann halt unsere Frauen-, Schwulen- und Migrantenquoten in allen Aufsichts- und sonstigen Räten ...