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Wie weit sollen Polizei oder Staatsanwälte in private elektronische Konversationen der Bürger hineinschauen können? In Österreich ist das an sich strenger beschränkt als in anderen Ländern. Das ist, das wäre gut so. Das scheint auf den zweiten Blick aber auch schlecht zu sein. Das lässt aufs dritte nachdenken, wo der ideale Kompromiss gefunden werden kann zwischen dem dringend notwendigen Schutz unserer Privatheit einerseits und dem Schutz gegen Terror andererseits.
Strenger Schutz des Bürgers gegenüber der Neugier des Staates ist an sich immer eine gute und wichtige Sache. Schon allein deshalb, weil es den Staat gar nicht gibt. Nur sehr einfache Gemüter stellen ihn sich als guten, allwissenden und gerechten Gott über uns allen vor, der ständig richtig handelt. In Wahrheit aber gibt es nur Beamte, Richter, Polizisten und Politiker, die namens "des" Staates handeln. Das sind also Menschen, die erstens fehleranfällig sind, die zweitens immer persönliche Interessen, Neigungen und Vorurteile haben, und die drittens bisweilen bösartig sind. Sie tun nur so, als ob sie der gute, allwissende und gerechte Gott, pardon: Staat wären.
Daher wäre es sehr gut, wenn diesen Menschen sehr enge Grenzen dabei gesetzt sind, wann sie in unsere Freiheiten, in unsere Kommunikation, in unser Privatleben eingreifen dürfen. Aber ganz offensichtlich sind diese Grenzen in Österreich gar nicht so eng, wie sie dargestellt werden. Denn sonst hätten die Skandale rund um die Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA jedenfalls einige der dort tätigen Staatsanwälte selbst vor den Richter bringen müssen. Und zwar nicht als Ankläger, sondern als Angeklagte.
Die Causa Sebastian Kurz ist nur der prominenteste, aber bei weitem nicht der einzige Fall, der eigentlich dafür sorgen hätte müssen, die Neugier der Vertreter der Staatsmacht zu beschränken, statt sie noch auszuweiten. Denn diese Staatsanwälte haben ja penibel alle möglichen Chat-Kommunikationen des Ex-Bundeskanzlers in die Akten genommen, die absolut nichts mit strafrechtlichen Delikten zu tun haben. Jedenfalls ist es kein Strafdelikt, wenn ein Politiker in einem vertraulichen Austausch mit einem anderen schreibt, dass ein Dritter ein "Orsch" sei. Genau das hat aber den Sturz eines Bundeskanzlers und Absturz einer Partei ausgelöst, nachdem es geschickt an die Medien weitergespielt worden ist. Und eine Folge dieser Art war mehr oder weniger eindeutig vorhersehbar gewesen.
Die Akten der Staatsanwaltschaft unterliegen zwar dem Amtsgeheimnis, sind aber im wirklichen Leben so wenig geheim, dass man mit Sicherheit sogar davon ausgehen kann, dass alle pikanten Stellen sehr bald bei Medien landen. Sei es, dass dabei Rechtsanwälte als Drehscheibe aktiv sind, sei es – was als viel wahrscheinlicher gilt – dass Angehörige der WKStA selber entsprechend ihrem politischen Agitationsinteresse Aktenbestandteile kopieren und diese in einem "anonymen" Kuvert an bestimmte Wochenblätter schicken.
Unzählig sind die Beispiele, wo Staatsanwälte nicht die Amtsverschwiegenheit gewahrt haben – obwohl sie seit der Strafprozessreform seit zwei Jahrzehnten gewaltig viel zusätzliche Macht haben. Sie haben diese zusätzliche Macht aber nicht mit der nötigen zusätzlichen Selbstdisziplin austariert.
Das macht es also im Schutz der Bürger notwendig, dass man die Kompetenzen des Staates – genauer: seiner Organwalter –, uns auszuspionieren, nicht ausweitet, sondern viel mehr einschränkt.
Es ist ein ganz wichtiges Grundprinzip einer Demokratie, ohne welches ein Staat kein Rechtsstaat ist, dass die Bürger nicht abgehört werden, dass sie sich über Telefon, SMS, Tiktok, WhatsApp, Twitter, Telegram, Facebook genauso frei unterhalten können wie am Wirtshaustisch. Und es ist alles andere als ein Zufall, dass die Diktatur in Venezuela, die soeben massiv Wahlen gefälscht hat, nun auch Twitter unterbunden hat. Freie Kommunikation der Bürger untereinander ist für jene, die die Staatsmacht missbrauchen, enorm gefährlich.
Auf der anderen Seite muss man insbesondere aus aktuellem Terroranlass aber auch Verständnis für die Klagen der Polizei haben, dass sie in Österreich lange nicht so viele Kompetenzen bei der Durchsuchung elektronischer Plattformen nach gefährlichen Terroristen hat wie ihre ausländischen Kollegen. Dadurch sind ihnen etwa zuletzt die Vorbereitungen einiger junger Moslems zu Terroranschlägen gegen Konzerte der US-Sängerin Taylor Swift entgangen. Erst durch die Hinweise amerikanischer Geheimdienste konnten diese gerade noch rechtzeitig hoppgenommen werden. Diese Dienste können zum Unterschied von den österreichischen die immer zahlreicher werdenden elektronischen Chat-Plattformen rund um den Planeten verfolgen – und tun dies auch.
Das ist zweifellos nicht nur für die österreichische Polizei extrem unbefriedigend. Das ist vor allem auch für die Sicherheit der Bürger dieses Landes schlecht. Es kann ja eigentlich nicht sein, dass unsere Sicherheit davon abhängig ist, ob sich die Amerikaner – oder andere Dienste – immer genug für die Sicherheit der Österreicher interessieren.
Wie aber sollten die Dinge besser geregelt werden? Das scheint fast eine Quadratur des Kreises zu sein. Einerseits gilt es, die Österreicher besser vor der Neugier bösgesonnener Beamter oder Politiker zu schützen, auf der anderen Seite gilt es genauso, sie gerade dadurch besser vor Islamisten und anderen Gewalttätern zu schützen, dass die Beamten noch viel neugieriger sein dürfen. Das klingt nach dramatisch widersprüchlichen Anforderungen, nach einer Quadratur des Kreises.
Dieser Widerspruch aber ist durch eine kluge Regelung in hohem Maße auflösbar. Diese Regelung müsste in etwa so aussehen:
Schaffen die österreichischen Parteien eine solche Regelung nicht, dann wäre es besser, es bleibt alles beim Alten. Denn die Amerikaner dürften bisher ohnedies nur solche Dinge an Österreich weitergeleitet haben, wo es um solche schweren Delikte geht. Obwohl sie zweifellos viel mehr wissen oder wissen können. So war ja schon vor Jahren bekannt geworden, dass sie sogar die deutsche Bundeskanzlerin abgehört haben, also eine der wichtigsten Verbündeten, die eine fanatische SMS-lerin gewesen ist.
Solche breitangelegten Abhöraktionen werden die US-Dienste – und zweifellos auch etliche andere Staaten jetzt oder in Bälde – jedenfalls weiterhin tun. Egal, ob Österreich es erlaubt oder nicht. Egal, ob die Deutschen es wollen oder nicht. Egal, ob wir unserer Polizei die gleichen Rechte geben, wie die amerikanischen Dienste sie haben, oder nicht.
Der Status quo hat zumindest – so unbefriedigend er auch ist – den Vorteil, dass die Amerikaner imstande zu sein scheinen, geheim Erfahrenes prinzipiell vertraulich zu behandeln. Jedenfalls bekamen wir nirgends pikante Dialoge oder Äußerungen einst der Angela Merkel oder heute des Olaf Scholz zu hören oder lesen. Dabei hätten wir diese sicher alle mit der gleichen voyeuristischen Neugier gelesen wie bei Sebastian Kurz ...