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Der Wille und die Stimme

Viele Christen empören sich zu Recht über das FPÖ-Plakat "Euer Wille geschehe". Leider ist der respektlose Umgang der Kickl-Partei mit dem Zitat aus dem Vater unser und aus den letzten Worten Christi am Kreuz nicht das einzige Bedenkliche daran.

Man muss sich auch überlegen, was eine derartige Aussage einer wahlwerbenden Partei eigentlich heißt: Dass sie zwar dicke Programme zusammengeschrieben hat, aber dass sie gewillt ist, diese einfach beiseitezuschieben, und nur macht, was "das Volk" will. Und da wird es demokratisch holprig:

Wie kann man in einer Demokratie annehmen, dass es einen einzigen Willen des Volkes gibt? Weil wir zum Glück keine Einheitspartei haben, die sich selbst als Volkswille geriert, müssen Mehrheiten gefunden werden, die dann das machen, wofür sie glauben, gewählt zu sein – was dann am nächsten Wahltag vom Wähler bewertet wird. Das ist Demokratie.

Und: Woher will die FPÖ überhaupt wissen, was "Euer Wille" ist? Da bieten sich nur zwei Möglichkeiten an. Entweder sie erklärt ihren Willen zum Willen des Volkes (was wiederum alles andere als demokratisch ist) oder sie regiert anhand von Meinungsumfragen. Und das ist absurd.

Damit ist sie dort, wo die "Kronenzeitung" auch schon ist, die sich derzeit als "Stimme Österreichs" wichtig zu machen versucht. Diese "Stimme" verkündet dann die Ergebnisse einer von ihr gemachten Meinungsumfrage: 88% sagen, "mein Leben muss wieder leistbar werden", 89 % sind für "viel mehr Geld für Pflegebedürftige", 77 % wollen eine "lebenslange Fußfessel für Triebtäter", 86 % bekräftigen "wer unsere Regeln nicht befolgt, gehört strikt abgeschoben" und 79 % sind dafür, dass "Winnetou Winnetou bleiben muss".

Wenn Krone-Herausgeber Dichand Politik machen will, dann soll er sich mitsamt seiner Stimme Österreichs Wahlen stellen. Politik zu machen ist aber wirklich nicht die Aufgabe einer Zeitung.

Noch dazu ist diese Stimme eigentlich dazu gezwungen, das nachzuplappern, was ihr die Kronenzeitung vorschreibt. Denn die hat die Fragen formuliert – und viele andere nicht gestellt: Sie hätte sonst sicher eine mindestens so hohe Zustimmung für eine Reichensteuer vermelden müssen (was nun wieder dem Krone-Milliardär Dichand nicht in den Kram gepasst hätte). An die 100% würden sicher eine monatliche staatliche Zuwendung von 1000 € für jeden Österreicher begrüßen oder zehn Urlaubswochen, ein großes Auto für jeden Haushalt und kostenloses Benzin dazu. Die Liste staatlicher Wohltaten, nach denen die Stimme verlangen könnte, ist sicher sehr, sehr lang.

Es ist aber nicht nur lächerlich zu glauben, dass gute Politik sich nach Meinungsforschungsergebnissen richten sollte. Es kann auch gefährlich sein. Würde man im Gefolge eines Mordes die Frage nach Wiedereinführung der Todesstrafe stellen, dann hätte man eine klare Mehrheit dafür.

Dieses Beispiel mag drastisch erscheinen. Aber es zeigt sehr deutlich, warum sowohl der FPÖ-Slogan als auch der "Stimme-Österreichs"-Unfug vollkommene Themenverfehlungen sind.

Politische Parteien stehen für Überzeugungen, für Programme, im besten Fall für Visionen für die Zukunft des Landes. Die haben sie dazulegen, zu argumentieren, davon sollen sie die Bürger überzeugen. Im demokratischen Wettstreit der Ideen und Konzepte (der ein Wahlkampf eigentlich sein sollte) bekommt man trotzdem sicher keine 89 Prozent Zustimmung – und das ist gut so.

Die Ergebnisse von Umfragen als Grundlage von Entscheidungen zu nehmen, hat auch nichts mit direkter Demokratie zu tun. Das vorzugeben wäre unernst. Volksbefragungen und Volksabstimmungen brauchen sehr viel Information im Vorfeld, denn jeder Bürger, der teilnimmt, sollte seine Entscheidung aufgrund von Fakten treffen, sollte all die Für und Wider kennen, die es zu bedenken gilt. Das macht man in der Schweiz so, das war auch in Österreich bei den großen Volksabstimmungen so, zuletzt bei der Bundesheer-Abstimmung. Das ist mühsam für alle Beteiligten – für die Politik, die informieren, erklären muss, und für die Bürger, die das bewerten müssen.

Das hat nichts mit dem raschen Ja oder Nein bei einer Umfrage zu tun, wo Lust und Laune, Uninformiertheit und Spaß mitspielen. Darum ist es schon gut, dass die "Stimme Österreichs" nur die Spalten der Kronenzeitung füllt.

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