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Napoleons Glück, Ende – und die Folgen

Einst brachte sein Genie ihn an die Machtspitze von ganz Europa, das er irreversibel verändern konnte. Bis Napoleon Bonaparte am Ende von der Hybris seiner subjektiven Überlegenheit in die Demütigung von Waterloo und das Ende seiner Macht getrieben wurde. Sehr ähnlich ergeht es jetzt Emmanuel Macron. Der französische Präsident hat in seiner Hybris gleich zwei so schwere Fehler begangen, dass all seine historischen Verdienste um Frankreich und Europa irreversibel zunichte gemacht worden sind. Dabei wird aber ringsum nur der erste Fehler erkannt und gegeißelt. Der zweite, ebenso eindeutige jedoch nicht. Ganz eindeutig sind aber gleich mehrfache Folgen des angeblich großen Sieges der linken Volksfront.

Zuerst zu Macrons zwei großen Fehler:

  • Er hat das magere Ergebnis der EU-Wahlen in Frankreich zu einer Flucht nach vorne genutzt und ohne Not vorzeitige Neuwahlen ausgeschrieben, freilich nicht solche für seinen eigenen Job, sondern für das Parlament. Das erwies sich als Flucht in den Abgrund. Bis zuletzt war niemandem klar, welchen Plan, welches Ziel Macron mit den Neuwahlen verfolgte. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass auch er seinen Plan nicht kannte, dass er wie Napoleon ständigen großspurigen Aktionismus für einen Plan gehalten hatte.
  • Der zweite war eindeutig das Wahlbündnis mit der linken Volksfront vor der Stichwahl, wo Macrons Partei ebenso wie die Linke nach der Reihe Kandidaten zurückzog, um jeweils der anderen Gruppierung zum Sieg über die Rechten zu verhelfen. Das ließ verzweifelt an den Kopf greifen. Wie kann nur ein Mann, der viele vernünftige, viele für Frankreich und Europa eigentlich lebenswichtige Projekte wie eine Erhöhung des Pensionsalters verfolgt hat, der mit der Erleichterung der Kündigung von Arbeitskräften die Unternehmen zur Anstellung von viel mehr Arbeitskräften motiviert hat, irgendeine Form der Kooperation mit einer Linksfront eingehen, der nicht nur Kommunisten angehören, sondern auch der radikale Linkssozialist Melenchon, dessen Programm das absolute Gegenteil dessen ist, was Macrons liberale Ansätze bedeutet haben! Dieses Programm – das hier vor wenigen Tagen analysiert worden ist , weshalb es nicht wiederholt wird, – würde bei einer auch nur teilweisen Umsetzung mit hundertprozentiger Sicherheit den wirtschaftlichen Kollaps Frankreichs und damit Europas bedeuten (das ja nicht mehr ein starkes Deutschland zur Verfügung hat, das lange alle Unsinnigkeiten seiner Partner durchfinanziert hat).

Die Folgen des französischen Wahlergebnisses

Was bedeutet das nun für die Zukunft Frankreichs, wenn einander im Parlament drei inhaltlich völlig divergierende, beziehungsweise verfeindete Blöcke gegenüberstehen? Denn auch die Wahltagskoalition zwischen der Macron-Partei und der Linken, die beiden Gruppen jeweils in einem Teil der Wahlkreise auch ohne eigene Mehrheit zu zusätzlichen Mandaten verholfen hat, hat die beiden Lager einander in keinem einzigen inhaltlichen Punkt nähergebracht. Man war sich einzig darin einig, dass ein Sieg des Rassemblement National ganz fürchterlich wäre (ohne sagen zu können, wieso eigentlich. Das Vermengen der Wähler hat zwar Mandate gebracht, aber keine Vermengung der Programme.

  1. Vorerst kann man jedenfalls viel darauf setzen, dass es lange dauern wird, bis Frankreich eine Regierung hat, die im Parlament nicht gleich wieder gestürzt wird.
  2. Jedenfalls wird die Linke alles daran setzen, dass kein Beamtenkabinett amtieren kann. Denn beri einem solchen hätte Macron de facto wieder volles Durchgriffsrecht und der linke Wahlerfolg würde auf einen rein nummerischen Zuwachs reduziert.
  3. Nach der unsinnigen Polarisierung der letzten Monate ist ein Zusammengehen der Macron-Mitte mit der Rechten undenkbar. Dazu sind mittlerweile die Rivalitäten zu groß. Mit der Linken wird es inhaltlich wahnsinnig schwer werden. Denn diese werden in keine Regierung gehen, ohne dass zumindest ein Teil ihrer ruinösen Forderungen erfüllt wird. Budgetsanierung oder Pensionsreform kann sich Macron jedenfalls abschminken.
  4. Sein tiefer Fall hat sich in den vergangenen Tagen am deutlichsten daran gezeigt, dass etliche Kandidaten seiner eigenen Partei ihn dringend gebeten haben, NICHT zu ihrer Unterstützung in ihre Wahlkreise zu kommen. Er würde mehr schaden als nutzen.
  5. Alles wird dramatisch erschwert dadurch, dass auch die Linke ja keinesfalls ein geschlossenes Lager ist, sondern ebenfalls ein Wahlbündnis. Dieses Bündnis aus gleich vier Parteien (aus Grünen, Kommunisten und zwei sozialistischen Parteien, wovon eine die radikalste, aber zugleich linksintern größte ist) ist einzig aus Rücksicht auf das französische Wahlsystem zusammengeschweißt worden. Selbst wenn die Linke die absolute Mehrheit erzielt hätte, wäre völlig offen, ob man sich auf den linksradikalen Mélenchon als Regierungschef einigen würde. Noch viel zweifelhafter ist, ob der Mann bei einem Bündnis mit Macron Premierminister werden kann.
  6. Es gibt praktisch Null Chance, dass wenigstens das jetzt gewählte Parlament eine ganze Periode durchdienen kann. Es ist sogar unwahrscheinlich, dass es das Parlament wenigstens bis zur nächsten Präsidentenwahl – spätestens im April 2027 – schaffen wird.
  7. So unwahrscheinlich es nach einem eher enttäuschenden Wahltag auch klingen mag: Für Marine Le Pen haben sich die Chancen, nächste Präsidentin zu werden, dramatisch verbessert. Sie und ihre Partei können jetzt alle Holprigkeiten einer wohl alternativlosen Cohabitation zwischen Macron und der Linken erste Reihe fußfrei anschauen und müssen für nichts die Verantwortung tragen. Damit wird sie zur einzigen Alternative zu einem unvermeidlichen Dauerstreit der ideologisch total unterschiedlichen Partner.
  8. Mit Sicherheit wird Le Pen dabei immer wieder vor allem auf einen Aspekt des Wahlergebnisses verweisen: Hätte Frankreich das britische Wahlsystem – "The winner takes it all" schon im ersten Wahlgang – dann wäre ihre Partei ganz eindeutig der Wahlsieger geworden!
  9. Interessant ist auch die theoretische Übertragung des österreichischen Wahlsystems auf Frankreich. Dann wäre ungefähr die gleiche Situation wie in Österreich entstanden: Ebenfalls die Rechte am stärksten und die politische Mitte in Entscheidungsnot, ob man sich nach rechts oder nach links wenden soll.
  10. Der einzige wirklich tiefe Konfliktpunkt zwischen Macron und der Rechten ist deren Russlandfreundlichkeit. In allen anderen Politikbereichen wäre eine Annäherung zwischen dern beiden einfacher als mit der Mélenchon-Linken.
  11. Die Rechte ist unter Marine Le Pen eindeutig gemäßigter geworden als unter ihrem Vater, der noch üble antisemitische Exzesse produziert hatte. Die Franzosen nennen eine solcherart zivilisiert gewordene Partei eine "Krawattenpartei".
  12. Der Antisemitismus ist heute ganz eindeutig auf der Linken zu finden. Das wird Macron eine Kooperation mit der Linken doppelt schwer machen.
  13. Auf den Antisemitismus kann die Linke aber nicht verzichten: Denn sie ist eindeutig eine Migrantengruppierung geworden. Unter Migranten aber dominieren die Moslems und da ist ein scharfer antiisraelischer und antijüdischer Kurs unverzichtbar.
  14. Wie schon in vielen anderen Ländern hat sich auch in Frankreich gezeigt: Die Grünen sind nur eine modische Subvariante von Sozialisten und Kommunisten.

Macron wird jetzt jedenfalls eine lahme Ente. Ohne Mehrheit im Parlament ist jeder französische Präsident weitgehend kastriert. Alle seine mutigen Aufrufe, dass Europa erwachen, dass es eine "strategische Autonomie" entwickeln sollte, sinken unerfüllt in den Schoß der Geschichte, wo sie unter W wie Wunschdenken abgelegt werden können. Frankreich wird in der Außenpolitik keine positive, keine relevante Rolle mehr spielen.

Und das ist die wahre Tragik für das EU-Europa, weil sonst schon überhaupt keine Führungspersönlichkeit vorhanden ist.

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