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Die Parteien und ihr Mittelmaß

Knapp zwei Monate vor der Nationalratswahl geistert das Gerücht, dass der SPÖ-Chef nur fünfzehn Monate, nachdem er an die Parteispitze gekommen ist, schon wieder angezählt ist. Typisch auch, dass immer derselbe Name als Ersatz auftaucht, wenn die Sozialisten wieder einmal nach einem Zugpferd suchen. Dann macht sofort wieder der eher farblose und knochentrockene Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke Karriere in der Gerüchteküche. Man glaubt, ein Déjà-vu zu haben. 

Doch diese immer wiederkehrende Personalie ist mehr als eine Kuriosität. Die politischen Konkurrenten müssen auch gar nicht schadenfroh sein, denn diese pikante Situation ist eine recht drastische Illustration dafür, wie dünn die Personaldecke nicht nur der SPÖ, sondern aller unserer Parteien ist. Und das hat vielerlei Gründe.

Der sicherlich wichtigste und selbstverschuldete ist, dass die Parteien allesamt keine Nachwuchspflege mehr betreiben. Wo sind die Zeiten, wo aus den Jugendorganisationen mehrere "Kronprinzen" oder "Junge Löwen" auf den Weg in Parteikarrieren geschickt werden konnten? Die dann auch noch politisch sattelfest und gut ausgebildet waren. Heute greift man rasch einmal auf eine hübsche junge Person zu, von der man allzu wenig weiß und die auch in erster Linie nur an sich selbst (und ihre Karriere) glaubt, kaum aber an Grundsätze der Partei, die ihr die Chancen eröffnet. Wie sehr das nach hinten losgehen kann, haben gerade erst die Grünen mit ihrer Lena Schilling lernen müssen.

Hinter der Schilling-Affäre steckt noch eine zweite negative Entwicklung: Man verlässt sich allzu gerne auf so genannte Quereinsteiger, sucht nach bekannten Gesichtern, von denen man sich verspricht, dass sie Stimmen bringen. Der ORF hat da schon mehrfach als "Talente-Pool" hergehalten, doch die Leuchtkraft der kometenhaft Aufgestiegenen ist fast immer sehr schnell verglüht. Die längste Karriere hatte noch Ursula Stenzel, die dann irgendwann die Partei wechselte, andere wie Josef Broukal oder Eugen Freund waren schon kurz nach dem Wahltag in der Versenkung verschwunden. Auch da fehlte die Substanz, fehlte die Identifikation mit Inhalten, aber auch das politische Knowhow . Jedoch ist auch die Politik ist ein Beruf, der erlernt sein will.

Dazu kommt, dass es eine Politikerverdrossenheit, oft auch eine Parteienphobie gibt, so dass junge, talentierte Menschen gar nicht an ihnen anstreifen wollen.

Der Beruf des Politikers ist mittlerweile auch alles andere als erstrebenswert. Die öffentliche Meinung verlangt 24 Stunden, sieben Tage die Woche vollen Einsatz, aber erregt sich regelmäßig über "üppige Gagen" – wer will da schon dazugehören? Das Image und somit das Sozialprestige ist schlecht – nur die Journalisten liegen in der öffentlichen Meinung noch schlechter. Und wer noch Ideale hat, wer etwas gestalten will, der muss schnell lernen, dass es dafür kaum Spielraum gibt: Die Zukunft haben wir längst auf- und ausgezehrt – für diese Diagnose reicht ein Blick auf den Schuldenstand in den Staatsfinanzen.

Dazu kommt, dass ein eigenartiger "Stil" eingerissen ist: Man setzt sich nicht mehr mit den Mitbewerbern inhaltlich auseinander, sondern kämpft mit heimlich aufgenommenen Videos und anonymen Anzeigen. Und wenn man den Wähler korrigieren will, schaltet man halt die Staatsanwaltschaft ein oder veranstaltet Tribunale in Form von Untersuchungsausschüssen.

Schon das alles muss einen talentierten jungen Menschen rasch davon abbringen, den Beruf des Politikers ergreifen zu wollen.

Dazu kommt ein durch die sozialen Netzwerke aufgeheiztes Klima, das so viel Hass und Verachtung schürt, dass es kaum mehr verwundert, wenn dann irregeleitete junge Menschen Mordkomplotte schmieden. Wenn sogar der harmlose alte Herr in der Hofburg den Schutz von zwei Leibwächtern braucht, um seinen Hund äußerln führen zu können, dann kann man sich leicht an den Fingern einer Hand abzählen, wie bedroht sich Politiker fühlen müssen, die tatsächlich Entscheidungen treffen.

Das Resultat von all dem ist ein Defizit an attraktiven Politikern, an Parteienvertretern, denen die Menschen vertrauen, die ihnen die weit verbreitete Geringschätzung der politischen Kaste nehmen.

Auch demokratische Parteien brauchen mitreißende, charismatische Personen, die sie für die Menschen attraktiv macht, die den Wählern als positive Kraft gegenübertreten, der sie zutrauen, das Beste für das Land und seine Menschen zu wollen, zu versuchen und hoffentlich auch umzusetzen. So aber regiert hierzulande in allen Parteien ein Mittelmaß, das weder fähig ist, einen Wahlkampf zu einem Wettbewerb der Ideen zu machen, noch umsichtige Entscheidungen für das Land zu treffen. Und wenn das Angebot so dürftig ist, muss sich niemand wundern, wenn die Wahlbeteiligung sinkt, die Kluft zwischen Wählern und Politikern immer größer und der Glaube an dieses Land und sein politisches System immer schwächer wird.

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