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Die EU ist keine Erziehungsanstalt

Man greift sich entsetzt an den Kopf. Denn man muss endgültig erkennen: Die EU ist schlicht nicht lernfähig. 24 Jahre nach der großen Peinlichkeit der voll in die Hose gegangenen Sanktionen der anderen EU-Länder gegen Österreich tut die EU wieder haargenau dasselbe wie damals. Nur geht es diesmal gegen Ungarn, gegen das nun ein Boykott verkündet worden ist. Der Anlass ist genauso läppisch, wie er es damals war. Die europäische Linke will haargenau so wie damals, mit Unterstützung einiger dummer Bürgerlicher, wieder ein Land bestrafen, weil es nicht das tut, was die anderen wollen. Dabei geht es um Fragen, die wieder völlig außerhalb der Kompetenzen der EU liegen. Aber wieder werden die Boykottierer am Schluss mit blutigen Köpfen dastehen und nicht verstehen, warum ihnen die Wähler immer mehr davonrennen. Besonders schlimm ist aber, dass diesmal auch die EU-Kommission voll mittut, während sie sich im Jahr 2000 klugerweise neutral verhalten hatte. Positiv ist hingegen, dass sich zumindest der ÖVP-Regierungsteil solidarisch mit dem Nachbarland verhält. So wie das Ungarns Regierungschef Viktor Orbán im Jahr 2000 Österreich gegenüber getan hat. Die Grünen sind natürlich voll bei den Sanktionen dabei. Und im EU-Parlament gibt es auch ÖVP-Abgeordnete, die bei einer besonders undemokratischen Aktion gegen Ungarn mitmachen. 

Die vor der Wiederwahl stehende EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat verkündet, dass ihre (noch gar nicht fixierten!) Kommissare während der ungarischen Präsidentschaft im nächsten halben Jahr nicht an Sitzungen in Ungarn teilnehmen werden. Das ist ein absoluter Skandal. Denn letztlich wird die ganze Union bestraft, wenn Sitzungen weniger effizient sind – man will ja die Möglichkeit nicht ausschließen, dass EU-Ratssitzungen effizient sein können …

Der offizielle Grund für den Boykottbeschluss der Kommissionspräsidentin: Sie hat mit Ungarn ein politisches Problem. In Wahrheit ist es noch schlimmer: Den Roten, Grünen und Linksliberalen in der EU ist es gelungen, Frau Von der Leyen zu erpressen, bei ihrer biblischen Hasskampagne gegen Ungarn mitzumachen. Am allerschlimmsten ist aber zweifellos, dass sich Von der Leyen voll erpressen hat lassen.

Aus einem klaren Motiv: Ohne die Stimmen der Sozialdemokraten, Linksliberalen und Grünen hätte sie keine Mehrheit im EU-Parlament und könnte nicht neuerlich Kommissionspräsidentin werden; hat sie doch darauf verzichtet, mit den Rechtsparteien auch nur zu verhandeln. Freilich: Auch die linken Erpresser hätten selbst mit Unterstützung aller Kommunisten und Linksextremisten keine Mehrheit, um einen anderen Kandidaten durchzubringen. Ganz abgesehen davon, dass ein Kandidat der Linken nie und nimmer im Europäischen Rat der Regierungschefs alle Stimmen bekäme. Die er aber bräuchte.

Also hätte Ursula von der Leyen cool bleiben können. Und müssen. Denn jetzt ist Tatsache, dass sie von nun an jeden Tag ihres restlichen politischen Lebens als erpressbare Opportunistin dasteht. Niemand nimmt sie mehr ernst, wenn sie noch einmal versuchen sollte, irgendwo politisch stark auftreten zu wollen. Künftig wird es nur noch zum Lachen sein, wenn sie den Eindruck erwecken will, sie könnte gleichberechtigt am Tisch der Großen dieser Welt sitzen, sie könnte irgendwo europäische Interessen durchsetzen. Sie ist ab heute politisch eine lahme Ente, die gegen Ungarn lächerliche Überreaktionen setzt, die sich erpressen lässt und die sich in ihrer Eitelkeit nicht wichtig genommen fühlt.

Die Charaktereigenschaft der Eitelkeit ist auch schon in den letzten Jahren deutlich zu spüren gewesen, als sich Von der Leyen mit dem früheren Ratspräsidenten einen peinlichen Wettlauf geliefert hatte, wer denn wichtiger von den beiden sei, wer denn den diplomatischen Vorrang habe. Dieser Wettlauf hat stark an die Eitelkeitsbewerbe zwischen Diplomaten der aristokratischen Jahrhunderte erinnert, wer als erster durch eine Tür gehen darf.

Gleichzeitig kursiert im Parlament ein noch üblerer, weil komplett undemokratischer Aufruf, Ungarn einfach das Stimmrecht zu entziehen. Er stammt von ein paar Dutzend EU-Abgeordneten, darunter etliche Linksliberale (Neos) und Christdemokraten, auch aus Österreich.

Was ist das Verbrechen Ungarns, das so einen Irrsinn ausbrechen hat lassen? Sie haben einzig in Reisen des ungarischen Ministerpräsidenten nach Kiew, Moskau und Peking bestanden, bei denen er versucht hat, irgendwelche Schritte Richtung Frieden zu erzielen. Gewiss kann man mit gutem Grund sagen: Diese Reisen waren sinn- und ergebnislos. Der russische Diktator Putin ist noch lange nicht bereit, seinen Eroberungskrieg zu beenden, seine Truppen abzuziehen oder wenigstens das Bombardement von Kinderspitälern und anderen humanitären Einrichtungen zu beenden.

Das heißt aber nicht, dass man es wider alle Erwartungen nicht doch versuchen soll, in Moskau immer wieder auf einen gerechten Frieden zu drängen. Das haben seit Ausbruch des Krieges schon viele andere versucht, von Karl Nehammer bis Emmanuel Macron. Mit ähnlichem (Nicht-)Erfolg. Und unter ähnlicher Motivation: Man wollte auch nach innen ein Zeichen setzen, weil von allen Wirtshaustischen, Mainstreammedien und Oppositionsbänken kritisiert worden ist, dass es zu wenig Vermittlungsversuche gäbe. Bei diesen Herrn gab es nie einen solchen Sturm der Entrüstung. Daher müsste eigentlich auch für Ungarns Viktor Orbán gelten: Es soll ein Regierungschef nie etwas Schlimmeres machen als einen weiteren aussichtslosen Versuch, Frieden zu erreichen.

Was ist jetzt an Orbáns Reisen so besonders verwerflich? Oder müssen europäische Regierungschefs vor jeder Auslandsreise die EU-Kommission um Erlaubnis fragen? Oder darf ein Regierungschef, wenn sein Land gleichzeitig die Ratspräsidentschaft hat, nicht mehr ohne Genehmigung der EU-Kommissionspräsidentin reisen? Oder musste sich diese einfach deshalb so aufpudeln, weil die zu ihrer Mehrheit gehörenden Roten, Grünen und Linksliberalen in ihrem Ungarn-Hass das so verlangt haben? Oder gibt es einen anderen Grund, warum sie nicht einfach achselzuckend und bedauernd das Scheitern eines weiteren Friedensstiftungs-Versuchs zur Kenntnis genommen hat?

Auf der anderen Seite müssen sich die mehr oder weniger linken Erpresser fragen lassen, was denn ihr eigener Vorschlag zur Beendigung des Krieges sei. Denn der scheint ja lediglich darin zu bestehen, halt zu warten, bis die beiden Kriegsparteien total ausgeblutet sind.

Gewiss, es muss einen Grundsatz beim Friedenstiften geben, der für ganz Europa, für alle Welt wichtig ist, der immer zentral bleiben sollte: Es wäre eine Katastrophe, wenn im 21. Jahrhundert wieder territoriale Eroberungen toleriert würden, bei denen ein Land einfach in ein anderes, militärisch schwächeres einmarschiert. Daher ist es so wichtig, die Ukraine mit allem zu unterstützen – solange diese bereit ist, gegen die Aggressoren zu kämpfen.

Aber daneben ist es zur Vermeidung von weiterem schrecklichem Blutvergießen genauso wichtig, dem russischen Diktator die Möglichkeit zu geben, ohne Gesichtsverlust aus dem Krieg herauszukommen. Nicht zuletzt deshalb muss ja man auch darauf Rücksicht nehmen, dass er den Befehl über eine atomare Armada hat, welche die Welt vernichten kann.

Gibt es zwischen diesen beiden Polen eine Möglichkeit für Frieden? Dafür gibt es nur drei akzeptable Wege, die in Stichworten so zu beschreiben sind:

  • Das österreichische Modell: Die Russen ziehen wie 1955 komplett aus dem ganzen Staatsgebiet ab, die Ukraine verpflichtet sich wie damals Österreich, sich im Gegenzug neutral zu erklären, keine Langstreckenraketen und ausländische Stützpunkte zu haben, keinem Bündnis beizutreten.
  • Das Selbstbestimmungsmodell: Bezirk für Bezirk, Gemeinde für Gemeinde wird in allen strittigen Gebieten bei einem sauberen Referendum unter UNO-Aufsicht darüber abgestimmt, zu welchem Land man gehören will. Dabei müssten alle vor Kriegsbeginn in diesem Gebiet lebenden Ukrainer wahlberechtigt sein.
  • Das Autonomiemodell: In den russischsprachigen, aber auch zum Beispiel in den ungarischsprachigen Gebieten der Ukraine gibt es eine starke und rechtlich festgehaltene Autonomie nach dem Vorbild Südtirol, über deren Einhaltung der Internationale Gerichtshof wacht.

Solche Wege immer wieder auszuloten, zu versuchen, die vorhandenen Gesprächsblockaden zu überwinden, ist sowohl klug wie auch moralisch anständig. Weniger klug ist ein anderes, auch in Ungarn immer wieder verbreitetes Konzept: Jetzt einmal Waffenstillstand und dann sehen wir halt irgendwie weiter. Denn das würde mit hoher Wahrscheinlichkeit bedeuten, dass nach einer strategischen Erholungs- und Aufrüstungphase die Kämpfe mit sogar erhöhter Intensität weitergehen werden. Und selbst, wenn das nicht passieren sollte, würde das jedenfalls bedeuten, dass aus den Waffenstillstandslinien de facto dauerhafte Grenzen werden, dass Russland sich also fast ein Fünftel der Ukraine brutal erobert hat und dass sich die ganze Welt damit abfindet. Was viele künftige Aggressoren zweifellos zu neuen Kriegen ermutigen wird. Ob sie wieder Russland, China oder Indien heißen, ob es ein lateinamerikanisches oder ein afrikanisches Land ist.

Die einzigen Punkte, wo Orbán wirklich zu kritisieren ist, sind seine regelmäßigen Aktionen zur Behinderung von Hilfe für die Ukraine. Das ist ganz schlimm, weil diese Aktionen nur die Russen unterstützen, die sich, wenn auch teuer, über mehrere asiatische Länder alles beschaffen können, was sie brauchen, während Ungarn die Ukraine-Hilfe boykottiert.

Diese Erinnerung an die zentralen Eckpunkte eines Ukraine-Friedens ändert aber überhaupt nichts daran, dass das Verhalten der Ursula von der Leyen gegenüber Ungarn mies, feig und niederträchtig ist. Hinter ihr sind es vor allem die Linken, ob Rot, ob Grün, ob Gelb, die die Hauptschuld an der für die EU gefährlichen Krise tragen. Bei allem Verständnis, dass sie ihren Parteifreunden in Ungarn helfen wollen und dass sie sich über das oft sehr selbstbewusste Auftreten Viktor Orbáns ärgern, kann einfach nicht hingenommen werden, dass die Linke die EU-Führung erpressen und ein europäisches Land ohne akzeptablen Grund demütigen kann, nur weil es nicht links genug ist.

Das versuchen sie aber seit Jahren mit einigem Erfolg. Und letztlich tun sie das vor allem aus Ärger, weil Ungarn sechs – in Wahrheit ungemein positive – Dinge tut:

  1. Ungarn hat im scharfen Kontrast zu den Immigrationshelfern (also den Linksparteien, den Gerichtshöfen und Angela Merkel) von Anfang an den Zuzug von außereuropäischen Eindringlingen konsequent abgelehnt und bekämpft;
  2. Es hat sich energisch gegen alle Versuche der Linken gewehrt, schwule und Trans-Propaganda über die Schulen an die ungarischen Jugendlichen heranzubringen;
  3. Es verfolgt (trotz der verwirrenden Polemik Orbáns gegen alles "Liberale") die beste liberale und sich längst schon rentierende Wirtschaftspolitik, die insbesondere in der einzigen total echten Flat-Tax Europas ihren Kulminationspunkt hat: Ungarn ist das einzige EU-Land, wo man doppelt so viel Geld ausbezahlt bekommt, wenn man doppelt so viel arbeitet;
  4. Es betreibt die intensivste Politik eines europäischen Landes zur Bekämpfung des überall katastrophalen Geburtenmangels, der ja anderswo ignoriert wird, obwohl er das größte Zukunftsproblem Europas ist;
  5. Es unterstützt fast als einziges Land gezielt verfolgte Christen in der islamischen Welt;
  6. Es kämpft am heftigsten und mutigsten unter allen EU-Ländern für die nationale Identität und Eigenständigkeit gegen jede Bevormundung aus Brüssel – überall dort, wo nicht ein gesamteuropäischer Binnenmarkt wirklich mehr Sinn macht.

In all diesen Punkten kann man Ungarn nur laut Beifall zollen. Was freilich nichts daran ändert, nochmals sei es gesagt, dass die mangelnde Unterstützung der Ukraine, solange kein echter Friede da ist, ein schwerer, dummer und unmoralischer Fehler ist.

Freilich scheint dieser Fehler eine eindeutige Reaktion auf das ständige Mobbing Ungarns durch die Linksparteien, die Linken in der Europäischen Volkspartei und die EU-Institutionen von Gerichtshof bis Kommission zu sein. Was ihn nicht besser, aber psychologisch verständlicher macht. Und was jedenfalls auch der Linken und den EU-Institutionen eine deutliche Handlungspflicht auferlegen müsste – zumindest dann, wenn ihre ständige Europarhetorik auch nur eine Sekunde ernst zu nehmen sein soll. Und nicht nur ein rhetorisches Druckmittel zur Durchsetzung ihrer woken "Werte".

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