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Die Büttel der Alma Zadic

Selbst der "Standard" musste seinen Bericht über den mit großem Trommelwirbel als Höhepunkt des linken Wahlkampfs geplanten Bericht der Anti-Pilnacek-Kommission sehr seltsam beginnen: Da die Kommission ganz offensichtlich nichts Relevantes gefunden hat, um Pilnacek auftragsgemäß noch einmal ins Grab nachzutreten, wurde der Bericht mit etwas seit Monaten Bekanntem und rechtlich völlig Irrelevantem begonnen. Dabei war die Kommission von der linksradikalen Justizministerin eigentlich als Scherbengericht über einen Toten, der sich nicht mehr wehren kann, und als Wahlkampfgeschütz gegen den eigenen Koalitionspartner geplant gewesen.

Der "Standard" wusste sich offenbar nicht anders zu helfen, um dem Bericht über den Bericht der Kommission doch noch irgendeinen substanziellen Drall zu geben, als wieder einmal die seltsamen und aus dem Zusammenhang gerissenen Tonaufnahmen als offenbar Relevantestes an die Spitze zu stellen. Dabei ist über diese Aufnahmen, auf denen man Pilnaceks Stimme vor seinem Tod hört, schon hunderte Male berichtet worden. Auf ihnen sagt Pilnaceks Stimme, dass ÖVP-Politiker, darunter Nationalratspräsident Sobotka, mehrmals bei ihm interveniert und sich über einseitige Strafverfolgungsaktionen der WKStA beschwert hätten.

Selbst wenn Pilnacek das wirklich so gesagt haben sollte, enthält das nichts Rechtswidriges. Im Übrigen sind die Aussagen auf diesem Tonträger ohnedies nicht seriös zu bewerten, da man ja den gesamten Wortlaut der Fragestellungen der Provokateure als Gesprächspartner nicht kennt, und da sie wohlweislich erst veröffentlicht worden sind, da Pilnacek tot gewesen ist. Dennoch bezog sich nicht nur der "Standard", sondern auch die Zadic-Kommission darauf als einen Eckpfeiler ihrer Arbeit.

In Wahrheit sollte es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein: In einer rechtsstaatlichen Demokratie sollte jeder Staatsbürger, der sich von einer Behörde wie etwa der Staatsanwaltschaft nicht rechtmäßig behandelt fühlt, die selbstverständliche Möglichkeit haben, sich zu beschweren. Beispielsweise ist auch der Posteinlauf des Bundespräsidenten voll von solchen Beschwerden und Anliegen, die man eben auch "Interventionen" oder versuchte Einflussnahmen nennen kann. Ein Problem würden diese nur, wenn sie eine rechtswidrige Konsequenz hätten.

Hingegen jetzt etwas als Haupterkenntnis zu verkünden, dessen Stattfinden erstens eindeutig rechtens und zweitens allgemein bekannt gewesen ist, heißt in Wahrheit nicht anderes: "Es war rund um Pilnacek alles in Ordnung, aber wir dürfen das keinesfalls so direkt zugeben."

Immerhin hat eine richterliche Angehörige dieser Anti-Pilnacek-Kommission sogar ausdrücklich zugegeben, dass sie weit und breit keinerlei rechtswidrige Weisungen von Pilnacek oder sonst wem gefunden haben. Weisungen sind aber das Einzige, was rechtlich zählen würde.

Ansonsten besteht der Bericht aus dem üblichen Jammern, dass es viel zu wenig Personal in der Staatsanwaltschaft gebe. Dabei wurde die WKStA ohnedies schon aufgestockt. Dabei kann mit absoluter Sicherheit jedes Ministerium, jedes Amt der Republik wortgewaltig nachweisen, dass sie "viel zu wenig" Beamte haben. Dabei hat der ums Leben gekommene Pilnacek immer wieder unfähigen Staatsanwälten empfohlen: "Derschlagts es halt", wenn sich zu einem Verdachtsfall auch nach Jahren keine für eine Anklage ausreichenden Beweise gefunden haben. Hätten sie dem Ratschlag Pilnaceks gefolgt, würde die WKStA nicht in sinnlosen Akten untergehen, derer sie angeblich nicht Herr wird.

Bleibt der Vorwurf, dass halt die Oberinstanzen – gemeint vermutlich wieder vor allem Pilnacek – des Öfteren in informeller Weise Rechtsmeinungen geäußert haben.  Auch das ist nicht verboten. Und zweitens sind gerade die Folgen dieser Pilnacek-Bemerkung "Derschlagts es halt" der beste Beweis, dass solche informellen Meinungen einer höheren Stelle von den Staatsanwälten nicht befolgt werden mussten, und auch nicht befolgt wurden. Denn ganz im Gegenteil haben die WKStA-Staatsanwälte, statt Pilnaceks nicht zuletzt auf Beschleunigung der Justiz abzielenden Rechtsmeinungen zu folgen oder sich vor dem Sektionschef zu fürchten, diesen mit Strafanzeigen eingedeckt.

Daher hätte die Kommission am Ende schlicht sagen können: Wir haben keine rauchende Pistole gefunden.

Aber das wollte offensichtlich der Kommissions-Vorsitzende nicht. Freilich konnte die Kommission, in der ja auch Richter saßen, keinerlei Rechtswidrigkeiten behaupten, wo es keine gab. Dabei war diese Kommission in ihrer willkürlichen, rein von der grünen Alma Zadic bestimmten Zusammensetzung – eine Juristin ist sogar bald aus Protest ausgeschieden – ohnedies das Gegenteil eines unabhängigen Gerichts.

Und sie war vor allem in der Person ihres Vorsitzenden eindeutig schlagseitig. Was er selber auch mit dem Hinweis zugab, dass in die Arbeit der Kommission Wertungen eingeflossen sind. Ein echtes Gericht dürfte hingegen niemals Wertungen vornehmen. Zwar war die Kommission formal keineswegs ein Gericht, aber durch die Nähe zur Justiz ist bei vielen ein solcher Eindruck erweckt worden. Der Anschein der Schlagseite hängt auch damit zusammen, dass vor Jahren ein gewisser Bundeskanzler Kurz diesem jetzigen Kommissions-Vorsitzenden Budgetmittel für ein von ihm geführtes Prestigeobjekt verweigert hat, was ihn alles andere als gefreut hat. Und er hängt auch damit zusammen, dass sich dieser Vorsitzende als Proponent eines sehr schlagseitigen Volksbegehrens selbst schon massiv politisch betätigt hat, wo er (und übrigens auch eine frühere WKStA-Staatsanwältin!) auch mit linken Politikern eng kooperiert hat. Aber Kontakte sind ja nur Richtung ÖVP ein Verbrechen.

Da ist es schon ziemlich erstaunlich, dass trotzdem nichts Relevantes herausgefunden worden ist. Denn jeder einzelne der Kommissionsbefunde ist letztlich ebenso nichtssagend oder eine altbekannte Forderung jenes linken Volksbegehrens gegen die Justiz wie die Klagen über Personalmangel.

  • Das gilt etwa für die Klagen, dass der "Instanzenzug" in der Strafjustiz hypertroph wäre. Kein Zweifel, dass sowohl Richter wie Staatsanwälte es gerne hätten, wenn es keine Instanzen über ihnen gäbe, und dass etliche von ihnen das auch in den geheimen "Interviews" mit der Kommission so gesagt haben. Aber man kann angesichts der vielen Fehler gerade der WKStA und des Wiener Straflandesgerichts in den letzten Jahren nur sagen: Gott sei dank gibt es diese Instanzen.
  • Das gilt etwa für den Vorwurf – wohl wieder primär an Pilnacek – des "Fehlens ausreichender Distanz" in alle möglichen Richtungen. Pilnaceks Distanzlosigkeit aber war nie ein Geheimnis: Unter zahllosen Ministern war er "der" Mann, der in alle Richtungen die Justiz zu vertreten hatte, der ihr ein gutes Image verschaffen sollte, der der Öffentlichkeit auch in der Tat brillant erklären konnte, was da abläuft. Er war nach außen der Prellbock und die Klagemauer für Beschwerden über die Strafjustiz. Er wurde sogar von seinen Ministern immer wieder beauftragt, sich an ihrer Stelle zu Strafrechtsfällen in Fernsehdiskussionen zu setzen und dort die Justiz zu verteidigen. Da ist es nur noch skurril, wenn man ihm jetzt mangelnde Distanz vorwirft. War doch die Distanzlosigkeit geradezu Teil seiner Job-Description.
    Der ständige Fluss von Kopien geheimer Akten aus der WKStA an linke Wochenmedien hat die Kommission praktisch gar nicht interessiert. Dabei ist der quantitativ wie qualitativ viel problematischer. Und gar nicht erwähnt wurde der Mann einer Linkspolitikerin, der früher im Justizministerium tätig gewesen war, und in dessen Tätigkeitszeit es besonders viele Informationsabflüsse gegeben hatte. Gar nicht erwähnt wurde auch das skandalöserweise geheimgehaltene Treffen der WKStA-Chefin mit dem Lobbyisten Hochegger während eines laufenden Verfahrens.
  • Das gilt etwa für die Aussage, dass wir eine "Zweiklassenjustiz" haben. Natürlich haben wir die. Aber das schon seit Jahrzehnten. Insbesondere in den Fällen Kurz und Grasser haben Prominente auch heftig zu spüren bekommen, dass sie parteipolitisch bei der WKStA verhasst waren. Zugleich hat die zusätzliche, aber im Gesetz stehende Berichtspflicht in "clamorosen" Fällen (also de facto solchen, die politisch heikel sind) zweifellos manche Verzögerungen verursacht.

Aber dennoch ist ausdrücklich festzuhalten: Es gibt – es gäbe ein großes Staatsinteresse, dass nicht jeder wildgewordene Staatsanwalt unkontrolliert die Republik zerlegen kann, der nur sein Strafgesetzbuch kennt. Es gäbe ein großes Staatsinteresse, dass ein kluger Politiker als Minister die Interessen der Republik vor ein blindes "Fiat iustitia" stellt. Es muss außenpolitische, sicherheitspolitische, nachrichtendienstliche Interessen der Republik geben, in denen Verfahren gestoppt werden können. Gewiss ist sicher schwer zu beurteilen, wann die wirklich vorliegen und wann es nur um parteipolitische Interessen geht. Aber de facto hat sich in der Staatsanwaltschaft und im Zadic-Ministerium ohnedies niemand um die Interessen Österreichs zu kümmern versucht.

Das ist ein schwerer Vorwurf, den man aber beweisen kann:

  • Etwa mit dem irrwitzigen Verfahren, weil das Innenministerium einem wichtigen Überläufer aus der syrischen Armee Asyl in Österreich verschafft hat, um ihn zu decken, nachdem er wichtige Informationen in den Westen gebracht hat. Wider die massiven außenpolitischen Interessen Österreichs hat die WKStA das aber vor Gericht gebracht. Und die Ministerin hat das zugelassen.
  • Diesen Vorwurf kann man ebenso mit der rechtswidrigen Hausdurchsuchung auf Antrag der WKStA beim damaligen Staatsschutz BVT beweisen, durch den Österreichs Nachrichtendienst auf Jahre hinaus lahmgelegt worden ist (dass diese Hausdurchsuchung dem Innenminister Kickl angelastet wird, ist hingegen – bei allem, was Kickl wirklich vorzuhalten ist – eine der vielen Unsinnig- und Einseitigkeiten der Mainstreammedien; denn eingehende Anzeigen an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten, zählt geradezu zu den Pflichten eines Amtsträgers und sind sie doch von einem bekannten SPÖ-Anwalt gekommen, der Kickl bei Nichtweiterleitung sofort Amtsmissbrauch vorwerfen hätte können).

Mit all den schweren Fehlern der WKStA hat sich diese seltsame Kommission aber nie befasst. Ebensowenig mit der Tatsache, dass die WKStA – aus der gerade wieder ein leitender Staatsanwalt flüchtet und sich versetzen lässt – fast ununterbrochen vor allem bei den Oberinstanzen Niederlagen ihrer irgendwann dann doch fertiggestellten Anklagen erlitten hat, dass sie also ganz offensichtlich nicht nur ideologisch einseitig, sondern auch juristisch schlecht aufgestellt ist.

Die Kommission hat es – was noch schlimmer ist – aber überdies auch verabsäumt, sich mit schweren Rechtswidrigkeiten rund um ihre eigene Tätigkeit zu befassen. Sie stützte sich im Gegenteil sogar direkt auf rechtswidrig beschaffte Quellen:

  • Das ist erstens der persönliche Computer von Christian Pilnacek, der eindeutig seiner Familie, beziehungsweise der Verlassenschaft gehört, der niemals auf schmierigen Wegen, wo man noch dazu auffallend oft auf Peter Pilz stößt, an eine Gruppe gelangen hätte dürfen, die sich  berühmt, keine Zwangsmittel eingesetzt zu haben. Nach dem gesamten Rechtsverständnis mehrerer befragter Strafjuristen war das eindeutig ein Fall von strafbarer Hehlerei.
  • Ebenso gab es keine Kritik der Kommission an den rechtswidrig gemachten Tonaufnahmen eines – offenbar alkoholisierten – Christian Pilnacek, die noch dazu nur bruchstücksweise öffentlich geworden sind.

Mit anderen Worten: Die Zadic-Kommission musste zwar auf Zwangsmittel verzichten (eben weil sie komplett neben der Rechtsordnung steht), aber nicht auf den Einsatz von Rechtswidrigem. Grauslich.

Und vor allem hat sich die Kommission nicht mit der Untätigkeit der Strafjustiz im allergrößten Korruptionsskandal der Republik befasst. Damit hat sie sich selbst total diskreditiert: Das ist eindeutig der gigantische Fluss an Bestechungsinseraten aus dem Imperium der Gemeinde Wien an willfährige Medien, wo hunderte Millionen geflossen sind. Dieser Geldfluss ist im Gegensatz zu oft lächerlichen Kleinigkeiten nie vor ein unabhängiges Gericht gebracht worden. Das ist weit über Lucona&Co der weitaus größte Justizskandal der Nachkriegsgeschichte.

Wenn die Arbeit der Kommission in der empörten Erkenntnis gipfelte, dass es parteipolitische Bestrebungen zur Zerschlagung der WKStA gegeben habe (da ist die WKStA dann plötzlich für die Zadic-Kommission doch ein Thema!), so ist das erstens wirklich nicht neu. Und zweitens kann man angesichts der schweren Missstände, Schlagseite und Einäugigkeit in dieser WKStA nur sagen: Es wäre sogar dringende Pflicht und Aufgabe im Interesse des demokratischen Rechtsstaats gewesen, tatsächlich die einseitigste und unfähigste Behörde Österreichs aufzulösen oder zumindest neu aufzustellen und nicht nur darüber zu reden.

Durch ihre eigenen – höflich ausgedrückt – Unzulänglichkeiten hat sich die Kommission selbst sehr in die Nähe dieser WKStA gerückt.

PS: Die übrigens auf Zuruf der Neos entstandene Kommission hätte zumindest gut daran getan, erstens zu erklären, was sie insgesamt gekostet hat. Und zweitens hätte sie erklären müssen, warum man nicht wie ursprünglich angekündigt im Mai, sondern erst im Juli fertiggeworden ist. Wollte man dem Wahltag möglichst nahekommen? Oder ist man von der Peter Pilz-Politpartnerin als Justizministerin mehrfach mit dem Auftrag wieder zur Arbeit geschickt worden: "Vielleicht findet ihr ja doch noch etwas"?

PPS: Besonders köstlich ist auch, auf frühere Berichte über eine Teilnahme des Kommissionsvorsitzenden an einer Jagd des Lobbyisten Mensdorff-Pouilly auf "Frischlinge" zu stoßen. Dabei hatte er damals einen Korruptionsvorwurf zu untersuchen gehabt, der eng mit Mensdorff-Pouilly zusammenhängt. Warum nur fällt mir dazu das Stichwort "Glaubwürdigkeit" ein?

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