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Dass es ein paar Juristen am äußersten linken Rand gibt und dass man bei ihnen (wie auch bei jedem zur Vertretung des Standpunkts seines Klienten verpflichteten Rechtsanwalt) jedes gewünschte Gutachten bestellen kann, beweist überhaupt nichts über die Verfassungsmäßigkeit des Alleingangs der Ministerin für so gut wie alles namens Leonore Gewessler. Solche Gutachten lösen bei erfahrenen Juristen nur ein Gähnen aus und die Frage, ob ihre Inauftraggebung nicht bloß eine weitere Verschwendung von Steuergeldern darstellt. Immerhin steht solchen Privatgutachten die klare – und durch keine Weisung, durch keinen Auftrag präjudizierte! – Stellungnahme des offiziellen Verfassungsdienstes der Republik gegenüber. Aber auch die Strafanzeige der ÖVP gegen Gewessler beweist nichts. Nicht nur, weil jedermann Strafanzeigen erstellen kann, sondern auch, weil ein rechtskräftiges Urteil dazu erst zu einem Zeitpunkt vorliegen wird, wenn Frau Gewesslers Ministerschaft nur noch eine ferne Erinnerung sein wird. Dabei gäbe es einen relativ raschen Weg, um zu klären, ob sie im Alleingang Ja zum EU-Renaturierungsgesetz sagen hat dürfen.
Die Grünen müssten nur zustimmen, dass die Causa mit einer Ministeranklage vor den Verfassungsgerichtshof gebracht wird. Dieser zwar meist linkslastige, aber dennoch keineswegs in seinen Erkenntnissen vorhersehbare Gerichtshof ist letztlich die einzige Instanz, die wirklich darüber zu entscheiden hat, ob Gewessler das gedurft hätte. Schließlich gibt es ja noch keinerlei Judikatur insbesondere zum Artikel 23d der Bundesverfassung, an der man sich orientieren könnte.
Dieser Artikel lautet in seinen wesentlichen Passagen freilich recht ungünstig für Gewessler:
"Der Bund hat die Länder unverzüglich über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder berühren oder sonst für sie von Interesse sein könnten, zu unterrichten und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben … Haben die Länder eine einheitliche Stellungnahme zu einem Vorhaben erstattet, das Angelegenheiten betrifft, in denen die Gesetzgebung Landessache ist, so darf der Bund bei Verhandlungen und Abstimmungen in der Europäischen Union nur aus zwingenden integrations- und außenpolitischen Gründen von dieser Stellungnahme abweichen. Der Bund hat den Ländern diese Gründe unverzüglich mitzuteilen …"
Solche zwingenden integrations- oder außenpolitischen Gründe liegen nicht vor und sind auch nicht mitgeteilt worden. Das steht außer Streit und wird auch nicht behauptet. Ebenso außer Streit steht das Vorliegen einer "einheitlichen Stellungnahme". Umstritten ist nur, ob eine spätere Äußerung des Bundeslandes Wien, dass man die Zustimmung doch wieder zurückziehen will, der Ministerin plötzlich freie Hand zur Zustimmung gibt, wie von den Grünen behauptet. Und ob leichte nachträgliche Änderungen an dem zur Stellungnahme vorgelegten EU-Gesetzesvorschlag ihr eine solche freie Hand geben würden (weil dann die Bundesländer streng formal etwas anderes abgelehnt haben).
Der zweite Punkt der wahrscheinlichen Rechtwidrigkeit ist der fehlende Konsens in der Bundesregierung. Es sind eindeutig innerstaatlich auch Bereiche von der vorgeschlagenen EU-Gesetzgebung erfasst, die nach dem österreichischen Bundesministeriengesetz eigentlich in die Zuständigkeit des Landwirtschaftsministers fallen. Das ist freilich "nur" ein normales, kein Verfassungsgesetz.
Es ist erkennbarer Humbug, wenn die Grünen sagen, sie seien ja ebenfalls nicht gefragt worden, als sich Österreich gegen die Schengen-Öffnung für die beiden Balkan-Staaten Rumänien und Bulgarien ausgesprochen hat (also gegen das Weglassen von Grenzkontrollen diesen beiden EU-Staaten gegenüber). Denn diese Entscheidung hat ja weder den Kompetenzbereich der Bundesländer berührt noch den eines grünen Ministeriums, sondern nur den von Innen- und Außenministerium.
Genauso Humbug ist freilich umgekehrt auch der Brief, den der Bundeskanzler nach Brüssel geschrieben hat, dass Gewessler gar nicht zur Zustimmung gegen das Gesetz berechtigt gewesen sei. Denn im Außenverhältnis, also als Teilnehmerin des zuständigen EU-Rates, war Gewesslers Zustimmung eindeutig relevant und ist EU-rechtlich bindend, auch wenn sie im Innenverhältnis – also gemäß der österreichischen Rechtsordnung – eigentlich dazu gar nicht berechtigt gewesen sein dürfte.
Tatsache ist jedenfalls, dass man über die Ministeranklage viel schneller zu einer Entscheidung über diese innerösterreichische Rechtsfrage kommt als über den von der ÖVP gewählten Strafrechtsweg (bei dem ja auch noch die ganze – verfassungsrechtlich natürlich irrelevante! – subjektive Schuldseite zu prüfen ist), über den am Ende wohl sowieso wieder der Verfassungsgerichtshof um seine Meinung gefragt werden dürfte.
Warum entscheiden sich ÖVP und Grüne dennoch nicht für den klaren und schnellen Weg?
Die ÖVP traut sich nicht, gegen den Koalitionspartner im Parlament zu stimmen (etwa indem sie einem von den Freiheitlichen eingebrachten Misstrauensvotum oder einem blauen Antrag auf eine Ministeranklage zustimmt), weil das ja eindeutig als Bruch des Koalitionsabkommens zu werten wäre. Ein solcher würde wiederum den Grünen ungehindert die Möglichkeit geben, im Gegenzug während der letzten Wochen vor der Wahl zusammen mit der Opposition jeder Menge populistischer Gesetze zur Bestechung einzelner Wählergruppen die Mehrheit zu verschaffen. Dieses ÖVP-Zögern ist an sich nachvollziehbar; ist doch Österreichs Schuldenberg schon durch frühere verantwortungslose Gefälligkeitsgesetze aus Wahlkampftagen mit rund 30 Milliarden Euro belastet (bei denen der unsägliche Werner Faymann der Haupt-Übeltäter gewesen ist). Daher schreckt die ÖVP davor zurück, gegen die Grünen im Parlament zu stimmen.
Möglich und kein Bruch des Koalitionsabkommens wäre hingegen eine Ministeranklage gegen Gewessler auch mit den Stimmen der Grünen. Diese könnte ja mit der ausdrücklichen Erklärung verbunden werden, dass man das nur tut, um im Interesse Österreichs und der Rechtssicherheit die rasche Klärung einer strittigen Rechtsfrage durch den Verfassungsgerichtshof zu erreichen.
Eine solche Ministeranklage würde als einziger Weg schnell und durch die einzige kompetente Stelle die Entscheidung zwischen den unterschiedlichen Rechtspositionen bringen und auch den verbreiteten Argwohn aus dem Weg räumen, dass die Grünen sich in ihrem Fanatismus ohnedies immer über das Recht hinwegzusetzen bereit sind (ein Argwohn, der sich zuletzt insbesondere auf die rechtlich extrem problematischen Blockadeaktionen der Frau Schilling genauso gründet wie auf die eindeutige Verletzung des Bundesstraßengesetzes durch Frau Gewessler).
Einer solchen Ministeranklage könnten die Grünen umso leichter zustimmen, da Gewessler bis zu einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs ohnedies mit allen Kompetenzen (und Bezügen) im Amt bliebe. Was bei einer Mehrheit für ein Misstrauensvotum natürlich nicht möglich wäre.
Warum stimmen die Grünen dann dennoch solch einem Schritt nicht zu?
Dafür gibt es nur eine Erklärung: Die Grünen fühlen sich trotz der Geldausgaben für teure Parteigutachten in ihrer rechtlichen Stellung alles andere als wohl und sicher. Das heißt aber: Solange sie sich hinter solchen Anwaltsarbeiten verstecken, sind sie hauptschuld an der völlig überflüssigen Krise der Republik.
Das rechtlich schlechte Gewissen der Grünen zeigt sich ja auch schon daran, dass Frau Gewessler erst wenige Stunden vor ihrem EU-Votum klargemacht hat, dass sie doch zustimmen werde, nachdem sie davor lange über den Widerstand der ÖVP geklagt hat, der ihre Zustimmung verhindere. Hätte sie sich wirklich im Recht gefühlt, hätte sie ihre Entscheidung in aller Seriosität schon deutlich vorher klarmachen können.
Erst ganz plötzlich, buchstäblich von Sonntag auf Montag, war Gewessler und den Grünen der vorher so beklagte Widerstand des Koalitionspartners wurscht. Und die Verfassung ebenso. Wie auch das klare Todesurteil für jede Perspektive, dass es noch jemals zu einer schwarz-grünen Koalition kommen könnte.
Was allerdings für Österreich hervorragend wäre.
PS: Wie bedenklich und extrem das Agieren der Grünen auch in anderen Zusammenhängen ist, zeigt auch eine von ihnen geplante Veranstaltung, bei der besonders radikalen Aktivisten des politischen Islam eine parlamentarische Bühne geboten werden sollte. Erst im allerletzten Augenblick wurde diese Veranstaltung abgesagt, was leider als einziges Medium das ÖVP-"Volksblatt" meldet, während die Mainstreammedien auch diesen grünen Skandal nicht gemeldet haben. Aber sie berichten ja nun fast schon im Gleichschritt nur noch das, was Rot und Grün nutzt. Aus diesem Gleichschritt brechen einzig hie und da "Kurier" und "Kleine Zeitung" aus.