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Nehammer zwischen Mut und politischem Selbstmord

Was der ÖVP-Chef jetzt sagen müsste: ein Redevorschlag. Denn das rechtsbrecherische Verhalten der Grünen hat der ÖVP eine einmalige, aber wohl auch die letzte Chance geschenkt, sich durch eine mutige Aktion zu retten und alle Fehler der letzten Jahre mit einem Mal doch noch vom Tisch zu bekommen. Die sich vorerst jedoch abzeichnende Antwort der Volkspartei droht sie hingegen endgültig unglaubwürdig und damit todgeweiht zu machen. Denn die ganze Nation sieht: Ein Bundeskanzler kann nicht gleichzeitig eine Ministerin seiner eigenen Regierung (zu Recht) wegen Amtsmissbrauchs und Verfassungsverletzung anzeigen und diese dann doch noch rund ein halbes Jahr im Amt belassen, bis es eine neue Regierung gibt. In diesem halben Jahr verfügt die Rechtsbrecherin nicht nur über ein gewaltiges Budget, sondern ist auch laut EU-Konstruktion zusammen mit 26 anderen mehrheitlich Gleichgesinnten möglicherweise noch mehrfach entscheidender EU-Gesetzgeber. Da ist Gefahr im Verzug, das dringendes Handeln nötig macht. Es gibt nur einen einzigen Weg, um diese Gefahr abzuwenden, um Österreich zu stabilisieren, um die ÖVP vor dem finalen Ende zu retten und um gleichzeitig zu verhindern, dass, erstens, Gewessler weiter amtiert, und dass, zweitens, nach der Methode Faymann 2008 vor der Wahl die ohnedies leere Staatskasse nochmals um zig-Milliarden geleert wird. Nehammer müsste daher in den nächsten Tagen eine Rede mit etwa folgenden Wortlaut halten.

Diese Rede müsste die nach der Wahl sowieso fällige Koalitionsentscheidung im Wesentlichen vorwegnehmen:

"Liebe Österreicher und Österreicherinnen.

Der schwere Verfassungsbruch durch die Bundesministerin Gewessler, der auch von ihrer Partei leider voll gedeckt wird, hat unser Land in eine schwere Krise gestürzt. Nach einigen Stunden reiflicher Beratungen und Überlegungen habe ich mich aus Verantwortung für das Land, für seine Zukunft und für die Rettung von Rechtsstaat und Demokratie zu einem Schritt entschlossen, der als einziger dieser mehrfachen Verantwortung gerecht wird. Die Österreichische Volkspartei gibt ihre grundsätzliche Ablehnung einer Kooperation mit Herbert Kickl auf. Wir bleiben zwar in jenen Sachfragen, die uns trennen, grundsätzlich anderer Meinung. Wir sind aber überzeugt, mit der FPÖ und Kickl einen sachlichen Kompromiss zu finden. So, wie die Volkspartei in den Koalitionen mit der FPÖ immer einen solchen zum nachweislichen Wohl Österreichs gefunden hat.

Es gibt keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass sich die FPÖ an die Verfassung hält. Das aber ist in einem liberalen Rechtsstaat das Allerwichtigste. Das erkennen wir in diesen Tagen ganz besonders deutlich, da sich die Grünen mit Unterstützung der SPÖ eiskalt für einen Bruch der Verfassung entschieden haben. Im Unterschied dazu gibt es in der FPÖ keinerlei Hinweise in diese Richtung. Dort verkündet niemand, dass er seine persönliche Meinung, seine Ideologie, die er als Gewissen bezeichnet, über das Recht stellen würde. Dass er seinen Eid auf die Verfassung brechen würde. Dass er im Alleingang einer EU-Gesetzgebung zustimmen würde, welche Österreich mit Milliarden belasten und welche die wirtschaftliche Existenz vieler Bürger überhaupt vernichten würde.

In vielen Sachfragen sind die Positionen zwischen ÖVP und FPÖ sehr ähnlich: von der Migration bis zur Wirtschaft, von der Meinungsfreiheit der Bürger bis zum Leistungsprinzip in der Bildung, von der Notwendigkeit niedriger Steuern bis zu einer ideologiefreien Justiz, von Recht und Ordnung bis zum Subsidiaritätsprinzip. Das unterscheidet sich sehr von der überaus mühsamen Situation der letzten viereinhalb Jahre zwischen ÖVP und Grünen. Diese hat manche Kompromisse notwendig gemacht, die uns geschmerzt haben.

Eine theoretisch ebenfalls mögliche Kooperation mit der SPÖ unter ihrer derzeitigen linksradikalen Führung wäre mit Sicherheit viel mühsamer und schlechter für Österreich. Die SPÖ ist eine Partei, die Tag und Nacht von neuen, von höheren Steuern träumt. Die stets die offenen Tore für illegale Migranten verteidigt hat. Und die zuletzt sogar ein besonders übles Spiel zum Schaden Österreichs gespielt hat, als die Gemeinde Wien zusammen mit den Neos plötzlich die formell beschlossene Ablehnung der umstrittenen EU-Gesetze in eine Zustimmung verwandelt hat. Das beweist, dass die SPÖ ein völlig unverlässlicher und unglaubwürdiger Partner geworden ist.

Unglaubwürdig ist sie deshalb doppelt gerade in diesen Tagen, weil gerade die Wiener SPÖ, die jetzt plötzlich Gewessler unterstützt, erst vor zwei Jahren wild empört über eine andere Gesetzesverletzung der gleichen Ministerin gewesen ist, als diese den schon beschlossenen Wiener Lobautunnel vorerst gestoppt hat, der Wien entscheidend vom Durchzugsverkehr entlasten würde.

Das alles macht eine Annäherung zwischen der FPÖ und ÖVP im Interesse Österreichs und seiner Bürger nicht nur naheliegend, sondern auch geradezu zwingend.

Ich möchte mich bei Herbert Kickl offen für die Ausgrenzungen der letzten Jahre entschuldigen. Vor allem sein Hinauswurf aus der Regierung durch meinen Vorgänger war nicht nur politisch ein Fehler, sondern er beruhte auch auf einer rechtlichen Fehleinschätzung, wie inzwischen klar geworden ist. Ich bin auch überzeugt, dass erwachsene Männer und Frauen imstande sind, die scharfen persönlichen Auseinandersetzungen der letzten Jahre zu überwinden und vergessen zu machen. Gewiss habe auch ich da unsere natürlich weiterhin vorhandene parteipolitische und persönliche Rivalität mehrfach allzu zugespitzt formuliert, wie andere auch.

Ich lade daher die Freiheitliche Partei formell zur Bildung einer gemeinsamen geschäftsführenden Regierung ein, die dafür sorgt, dass unser Land auch in den nächsten Monaten stabil bleibt, und dass nicht verantwortungslose Politiker schnell vor dem Wahltag in die Steuerkasse greifen können.

Ich gehe dabei davon aus, dass die außenpolitische Haltung Österreichs, insbesondere die scharfe Verurteilung des russischen Überfalls auf die Ukraine, die Friedens- und Europaorientierung und auch die Unterstützung für die Ukraine fortgesetzt werden.  Über alle anderen Fragen soll in Gesprächen während der nächsten Tage rasch Einigkeit erzielt werden, wobei mir natürlich klar ist, dass auch die FPÖ für sie wichtige Ziele hat. Ein ausführliches Regierungsprogramm ist logischerweise erst im Herbst in aller Ruhe und abhängig vom Wahlergebnis auszuhandeln.

Ich habe daher auch schon in ersten inoffiziellen Kontakten der FPÖ Folgendes vorgeschlagen: Sie übernimmt alle Ministerien, die derzeit von den Grünen geführt werden, einschließlich der Vizekanzler-Funktion, in der wir Herbert Kickl erwarten. Lediglich die Gesundheitsagenden werden abgegeben. Im Gegenzug wird die FPÖ das Innenministerium übernehmen. Der Nachrichtendienst des Staatsschutzes wird dem Bundes- und Vizekanzler direkt und gemeinsam unterstellt. Als Signal der notwendigen Sparpolitik verzichten beide Parteien vorerst auf Staatssekretäre.

Ich bitte auch den Bundespräsidenten im Interesse Österreichs und angesichts des als massiver Bruch der vom Bundespräsidenten immer so gelobten Verfassung zu bezeichnenden Verhaltens der grünen Minister diese Entwicklung positiv und zügig zu unterstützen. Es wäre zweifellos auch für sein Ansehen günstig, würde er nicht versuchen, die Krise zu verlängern und daraus, wie es einer seiner Vorgänger im Jahr 2000 getan hat, auch noch eine Krise seines Amtes zu machen.

Liebe Österreicherinnen und Österreicher: Das, was ich hier vorschlage, ist der einzige Weg, die Stabilität und Rechtsstaatlichkeit unseres geliebten Landes in dieser schwierigen Zeit gleichzeitig zu sichern. Ich bitte auch Sie alle, im Interesse unseres geliebten Landes diesen Weg zu unterstützen. Vielen Dank!"

Nehammer wird diese Rede wohl nicht halten. Dazu fehlt ihm der Mut. Dazu fehlt ihm die Fähigkeit zum strategischen Denken. Dazu fehlen ihm die qualifizierten Berater.

Die ÖVP führt halt lieber ein Kanzlerduell mit jemandem, der ohne ihre Zustimmung gar nicht Kanzler werden kann, und begreift nicht, wie unglaubwürdig sie sich damit selber macht. Aber dennoch ist eine solche für Österreich so wichtige Rede hier ausformuliert, damit auch Nehammer absolut klar wird, es gäbe selbst in einer verzweifelten Situation noch einen guten Weg, nämlich den nach vorne. Jedes andere Verhalten wird sich hingegen katastrophal für die Republik, für ihn selbst und seine Partei auswirken.

Jetzt werden manche fragen: Aber würden die anderen mitspielen?

Die Freiheitlichen wären gut beraten, das Angebot anzunehmen, wenn sie nicht bei den Nationalratswahlen schwer verlieren wollen, weil sie dann ja selber schuld daran sind, dass es in Österreich weiter linke Minister geben muss. Mit einer Annahme dieses Angebots wären auch alle zuletzt so hoch gespielten Bedenken der ÖVP gegen Kickl vom Tisch. Das wäre ein historischer Erfolg für Kickl. Ein besseres Angebot werden die Freiheitlichen nicht bekommen. Umgekehrt würden bei einer Ablehnung durch die FPÖ auf sehr lange all jene recht behalten und Oberwasser bekommen, die sagen, die FPÖ sei unter Kickl halt doch nicht regierungsfähig.

Alexander van der Bellen wiederum wäre gut beraten, zur Kenntnis zu nehmen, dass ein Bundespräsident keine Chance hat und sich nur so wie Thomas Klestil im Jahr 2000 blamieren kann, wenn er gegen eine parlamentarische Mehrheit – sollten sich ÖVP und FPÖ zusammenfinden – zu agieren versucht. Sollte er aber weiterhin bloßer Sprecher seiner Partei bleiben wollen, würde er künftig so jämmerlich dastehen wie Thomas Klestil in seinen letzten Amts- und Lebensjahren.

Van der Bellen könnte sogar erkennen, dass es letztlich gerade für die Grünen günstig wäre, würde jetzt der radikale Schnitt erfolgen: Dann würden sie wohl am Wahltag aus der linksradikalen Ecke viele Solidaritätsstimmen bekommen, die sonst mit Sicherheit bei Kommunisten und Bierpartei landen würden. Eine Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition ist sowieso absolut undenkbar.

Alternativlos traurig wäre eine solche Entwicklung nur für die SPÖ. Was man aber mit großer Genugtuung konstatieren kann, da es ja sie war, die mit einem ganz miesen Trick der Regierung eine Falle stellen wollte.

PS: Manche linke Mainstreammedien haben sich eilfertig dadurch beeindrucken lassen, dass Frau Gewessler angeblich mehrere Rechtsgutachten für ihren Standpunkt gegen den Standpunkt des offiziellen Verfassungsdienstes und der ÖVP und vor allem gegen den ausdrücklichen Wortlaut der Verfassung und des Ministeriengesetzes bereit hat. Dazu hat jetzt interessanterweise ein sehr linker Professor eine OGH-Entscheidung ausgegraben, die eine Prozesspartei abgeschmettert hat, welche gleich sechs Gutachten vorgelegt hat. In dieser Entscheidung heißt es wörtlich: "Eine solche Vorlage mag zulässig sein, der Oberste Gerichtshof ist aber nicht verpflichtet, auf derartige Auftragswerke im Einzelnen einzugehen." Der OGH kenne selbst das Recht. Auf Deutsch: Solche (teuren) Privatgutachten könne man sich sparen.

PPS: Statt dem Innenministerium könnte die ÖVP den Freiheitlichen übrigens auch die Nominierung der Linzer FPÖ-Abgeordneten und Rechtsanwältin Susanne Fürst als EU-Kommissarin anbieten, da ja in Wahrheit der ins Auge gefasste Finanzminister Brunner für die Regierung in Wien viel wichtiger ist. Immerhin werden für die Kommission ohnedies Frauen verzweifelt gesucht. Und immerhin war die FPÖ bei der EU-Wahl, wenn auch wider alle Prognosen sehr knapp, stärkste Partei geworden.

PPPS: Wie kaputt diese Regierung ist, sieht man auch daran, dass sie Ministerratssitzungen derzeit nur noch im Umlaufverfahren macht, also per Boten, weil die Schwarzen verständlicherweise nicht mehr mit einer Frau Gewessler am gleichen Tisch sitzen wollen. Aber so kann es doch nicht ein halbes Jahr lang bis zu den Wahlen und zu den darauffolgenden Regierungsbildungsverhandlungen gehen!

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