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Frankreich: Kein Grund zur Sorge

Alle linken Medien, Parteien und Fußballer sind in heller Panik: In Frankreich steht ein Wahlsieg der Rechten rund um Marine Le Pen bevor. Abgesehen davon, dass dieser noch keineswegs sicher ist und vor allem dann noch wackeln könnte, wenn sich die an sich überschaubaren Reste der Macronisten und die noch kleineren Reste der Gaullisten bei den Stichwahlen in zwei Wochen mit den Linksradikalen – also auch den Kommunisten! – verbünden sollten, macht die nüchterne Beobachtung deutlich: Das wäre, mit einer einzigen Fragezeichen-Ausnahme keine Katastrophe. Weder für Frankreich noch für Europa. Für andere wäre das freilich schon eine solche.

Ein Sieg der Rechten wäre nämlich für die etablierten Parteien eine Katastrophe, die in den letzten Jahrzehnten in Frankreich regiert haben (sie taten das in der Reihenfolge Sozialisten-Gaullisten-Sozialisten-Macronisten). Sie alle kämpften und kämpfen fanatisch und fast im Gleichschritt gegen einen Wahlsieg der Nationalkonservativen. Diese sind in Frankreich seit Jahrzehnten primär mit dem Familiennamen Le Pen (dabei jedoch mit unterschiedlichen Vor- und Parteinamen) verbunden. Die anderen Parteien wehren sich gegen die Le Pens mit einer unglaublichen Hysterie-Kampagne, bei der versucht wird, diese Partei zu einer riesigen Gefahr für Frankreich aufzublasen.

Auch Österreich ist schon einmal als Opfer dieser Aufblasversuche aus Frankreich massiv betroffen und geschädigt worden: 2000 hat der damalige gaullistische Präsident Chirac seine Angstkampagne gegen die Le-Pen-Partei auch auf die FPÖ übertragen. Deshalb hat er zusammen mit den damals in Europa dominierenden Sozialisten eine massive Sanktionskampagne gegen Österreich organisiert, als ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel zusammen mit den Freiheitlichen eine Art Cohabitation eingegangen ist (die freilich dann zu Chiracs Pech zur wohl erfolgreichsten Periode der letzten Jahrzehnte geworden ist).

Auch die zweite schwarz-blaue Periode in Österreich brachte ebensowenig wie die jetzige italienische Regierung unter der angeblichen Rechtsextremistin Giorgia Meloni in irgendeiner Hinsicht die Katastrophe, die von vielen prophezeit worden war: von einer Abschaffung von Rechtsstaat und Demokratie bis hin zu einer Rückkehr von Mussolini und Hitler. All diese Perioden waren und sind bei objektiver Betrachtung aber eindeutig positiv zu bewerten.

Sie haben freilich einen gravierenden Fehler gehabt: Keine einzige Linkspartei ist an diesen Regierungen beteiligt gewesen. Das war zwar genau das, was die Wähler mit ihrem Votum auch erreichen wollten – was aber die Linken wie Cholera und Pest fürchteten.

Die Wähler verstehen in allen Ländern unter Demokratie im Grund dasselbe: dass sie in einer echten Demokratie selbst es sein sollten, die über die Verteilung der Macht entscheiden. Dazu gehört klarerweise auch ein von ihnen zu bestimmender Wechsel jener Parteien, die an der Macht sind. Aber genau das will ihnen der in etlichen Ländern mit großer Hysterie betriebene "Kampf gegen Rechts" verbieten, womit die Linke zwingenderweise immer an der Macht bliebe.

  • Worauf die Wähler in vielen EU-Ländern erst recht in einer verständlichen Trotzreaktion den Rechten ihre Stimmen geben.

Ein Machtübernahme durch die Rechten wäre erst dann eine wirkliche Gefahr, wenn es auch nur das geringste Anzeichen gäbe, dass die Wähler dann die einmal gewählten Rechten nicht mehr abwählen könnten, sobald sie mit diesen unzufrieden sind. Ein Wachsen der Unzufriedenheit mit dem RN ist jaan sich auch durchaus wahrscheinlich: Denn auch die Rechten werden ihre versprochenen Ziele wohl nicht erreichen. Sie werden an neuauftauchenden Problemen oder zuviel Wirtschaftspopulismus scheitern und/oder sich wieder einmal intern zu zerfleischen beginnen. Wie es beispielsweise FPÖ oder AfD schon sehr oft getan haben (und wohl sicher wieder tun werden; siehe: Haider stürzt Steger; Knittelfeld begräbt die ganze Partei unter sich; Strache stürzt Haider; Kickl stürzt Strache; Fortsetzung folgt).

Heute aber stehen diese Rechten vieler Länder in den Augen der Wähler als die einzigen da, welche den derzeit weitaus größten Problemrucksack, nämlich die Massenmigration und Islamisierung, nicht nur rhetorisch, sondern auch tatsächlich lösen werden. Zwar gibt es überhaupt keine Garantie, dass ihnen das auch gelingt. Tatsache ist aber, dass das den Linken und den Parteien der Mitte nicht gelungen ist, dass sie das oft nicht einmal ernsthaft versucht haben (wenn man von den sehr rechten Sozialdemokraten Dänemarks und den britischen Tories absieht, wobei letztere das Problem freilich ebenfalls viel zu spät angegangen sind, nämlich erst dann, als ihr politischer Absturz wegen vieler anderer Fehler und wegen der Sehnsucht der britischen Wähler nach dem schon lange überfälligen Wechsel wohl unvermeidlich geworden ist).

Zurück auf den Kontinent. Nicht nur der natürliche Lauf der immer wieder zum Machtwechsel drängenden Repräsentativdemokratie und nicht nur die Konzentration der Rechtsparteien auf das brennende Thema Migration/Islamisierung führen zum Erfolg der Rechtsparteien. Das tun noch andere Faktoren:

  • Der erste ist die aberwitzige Kampagne der übrigen Parteien und aller Medien gegen den Rassemblement National (RN, also etwa: Nationale Sammelbewegung; beziehungsweise bis 2018: Front National, FN, Nationale Front). Diese Kampagne hat aber genau das Gegenteil des Beabsichtigten bewirkt.

Damit hat man diese Partei (genauso wie in anderen Ländern die AfD oder FPÖ) in den Augen vieler Wähler zur einzigen Alternative zur bestehenden Machtstruktur erhöht. Damit wurde jedem, der sich über irgendeine Regierungsmaßnahme ärgert, erst recht eingehämmert, was er zu tun hat, wenn er der Regierung den Stinkefinger zeigen will. Diese Logik hätte jeder gute Politpsychologe vorhersagen können. Je mehr eine Regierung über eine bestimmte Oppositionspartei schimpft, desto mehr wird diese zu "der" Alternative zur Regierung.

Die Linksparteien brauchten und brauchen den "Kampf gegen rechts"überdies auch als einziges die Emotionen in ihren Reihen bindendes Band. Da sie wirtschaftlich in keinem Land etwas zustandebringen und da sie de facto jedes Land in die Verarmung stürzen, hatten sie nur den Kampf gegen einen imaginären Faschismus als Antrieb gefunden.

Sehr typisch ist aber auch der aktuelle AfD-Parteitag in Essen. Während dieser recht diszipliniert ablief, sorgten die linken Gegendemonstranten durch ihre aggressiven Attacken für schwerverletzte Polizisten.

  • Solche Demonstrationen einigen zwar die zahllosen linken Strömungen. Sie bringen aber alle unabhängigen Wähler zum eindeutigen Schluss: Die Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat geht von links und nicht von rechts aus.
  • Der nächste Ursachenfaktor für den Erfolg von RN, AfD & Co ist die total falsche Reaktion der meisten traditionellen konservativen und christdemokratischen Parteien.

Sie ließen sich – unter dem über die Grenzen hinausgegangen Einfluss von Angela Merkel – von der Linken und den links beherrschten Medien in einen "Kampf gegen rechts" einbinden. Die Christdemokraten hatten Angst, in diesem antifaschistischen Zirkus selbst als rechte Partei zu den Bösen gezählt zu werden. Sie versuchten aus dieser Angst heraus in den letzten Jahren, sich auch in Österreich unter dem Einfluss ahnungsloser, aber teurer Politberater (deren Analyse-Niveau eigentlich nicht über jenes durchschnittlicher Gourmetjournalisten hinausgeht) plötzlich als Partei der "Mitte" zu positionieren.  

Dabei ist Mitte keine Position, sondern ein uninteressantes Niemandsland, maximal ein Einerseits-Andererseits. Zwar bezeichnen sich immer wieder Bürger selbst als in der Mitte stehend, aber in Wahrheit bedeutet sehr oft eine "Mitte"-Antwort: "Geht dich nichts an, was ich politisch denke. Ich weiß ja auch nicht, wie du, lieber Meinungsforscher, denkst."

Jahrzehntelang war völlig unbestritten, dass CDU, Gaullisten, DC, ÖVP usw rechte Parteien sind. Dennoch durchschauten nur die klügsten Politiker von CDU & Co die Falle, sobald sie sich von Medien und Linksparteien in die Mitte ziehen ließen. Dazu zählte einst etwa Franz Josef Strauß, der klarmachte, dass rechts von der Union kein Platz sein dürfe. Dazu zählte (oder zählt?) auch Sebastian Kurz, der keine Scheu hatte, seine Position immer wieder als halbrechts zu bezeichnen, was die abgestürzte ÖVP seither nicht mehr tut.

Im Grund hat man – auf Verlangen Merkels – die traditionelle Position rechts der Mitte aufgegeben, als die ungarische Fidesz-Partei aus der EU-Fraktion der Europäischen Volkspartei hinausgeworfen und die polnische PiS-Partei gar nicht erst aufgenommen wurden. Das waren schwere Fehler von geradezu historischer Bedeutung für die EVP.

Dort, wo die traditionellen Halbrechts-Parteien zentrale Positionen nicht mehr vertreten haben, taten sich logischerweise riesige inhaltliche Lücken rechts von ihnen auf:

– Wertkonservative, christliche, familienorientierte Positionen wurden zunehmend aufgegeben zugunsten eines Allerwelts-Mitte-Progressismus, der sogar Gendern sowie das schwule und Trans-Getue der Linken toleriert.

– Noch mehr gilt das für heimatorientierte Positionen. Wenn man mit jüngeren Leuten spricht, dann sind die fassungslos, wenn sie erfahren, dass noch vor wenigen Jahrzehnten eigentlich die ÖVP "die" Österreich-Partei gewesen ist, während der FPÖ-Chef die österreichische Nation sogar als Missgeburt bezeichnet hat (ohne Widerspruch in seiner damals noch total deutschnational orientierten Partei zu ernten).

Es ist müßig nachzudenken, was zuerst war: die nationale Heimatorientierung oder die deutliche Ablehnung von Migration und Islamisierung. In den Augen der Wähler passt beides heute jedenfalls perfekt zusammen. Das eine ohne das andere macht keinen Sinn. Und beides finden sie rechts deutlich stärker als in der Mitte. Und links gar nicht.

In vielem passt also der Aufstieg der durch Fehler der anderen mit so viel Alleinstellungsmerkmalen versehenen Rechtsparteien von Frankreich bis Österreich perfekt zusammen.

  • Es passt auch zusammen, dass all die Rechtsparteien eine starke Gegenposition gegen die Zentralisierungstendenzen in der EU aufgebaut haben und eine Rückkehr von Kompetenzen Richtung Nationalstaaten verlangen.

Darin sind sie sich einig, obwohl sie nicht einmal imstande sind, sich zu einer gemeinsamen Fraktion im EU-Parlament zusammenzuschließen, was finanziell sehr vorteilhaft wäre.

Die Unfähigkeit zum Zusammenschluss hat zwei Ursachen: Die eine besteht darin, dass seit Jahrhunderten der Kern jedes französischen Nationalgefühls eine starke Gegenposition zur deutschen Nation bedeutet hat. Der RN würde seine Wahlaussichten dramatisch verschlechtern, würde es als Schwesternpartei zur AfD (oder zu irgendeiner anderen deutschen Partei, die rechts der Mitte steht) auftreten. Der RN hat also gar kein Motiv, mit AfD oder FPÖ zu fraktionieren, denn dann würde nach bekanntem Muster bei jedem "aufgefundenen" Liederbuch die französische Linkspresse aufheulen.

Die rechten Parteien in Europa sind noch in einem zweiten, sehr wichtigen Punkt tief gespalten: Das ist die Haltung zum Ukraine-Krieg. Die italienische Meloni-Partei ist ebenso wie die polnische PiS-Partei vehemente Gegnerin Russlands und Unterstützerin der Ukraine. AfD, FPÖ und die ungarische Fidesz-Partei erwecken hingegen ständig den Eindruck, zumindest indirekt Russland helfen zu wollen.

Zwischen diesen Positionen steht der RN. Zu diesem Thema scheint es aber auch einen ersten inhaltlichen Konflikt innerhalb der französischen Rechten zu geben: Marine Le Pen bezieht immer wieder sehr prorussische Positionen, während ihr "Schüler" und Kandidat für den Premierposten, der junge Strahlemann Jordan Bardella, ganz Nato-treu auftritt.

Sicher kann man daher nicht sein, welche Politik der RN verfolgen wird, wenn er wirklich Politik machen wird.

Das ist der einzige, freilich große Punkt der Besorgnis, den man europaweit beim erwarteten Erfolg des RN haben muss: Dann drohen – zusammen mit einem Sieg des an Europa recht desinteressierten Donald Trump – den russischen Aggressionen Tür und Tor weit nach Europa hinein geöffnet zu werden.

Ansonsten müssen sich nur die anderen französischen Parteien vor einem Erfolg des RN fürchten. Auch Präsident Macron müsste sich fürchten (der ja ganz unnötig die Wahlen ausgerufen hat), wenn er mit einem Premierminister kooperieren muss, der keineswegs mehr auf seinen Pfiff reagiert wie dessen Vorgänger. Freilich ist unklar, ob Jordan Bardella überhaupt das Premier-Amt annimmt, beziehungsweise ob seine Chefin ihm das erlaubt, solange die Partei nicht die absolute Parlamentsmehrheit errungen hat.

Denn zwei Jahre Cohabitation, also der ständige Kompromiss oder die ständige Rangelei zwischen Macron und einem RN-Premier, würden mit Sicherheit viel vom derzeitigen Glanz des RN abbröckeln lassen. Diesen gegenwärtigen Glanz will die Rechte aber unbedingt noch bis zur Präsidentenwahl in spätestens zwei Jahren bewahren, bei denen Marine Le Pen, also die wahre Chefin, antritt. Sie würde sich ohne Cohabitation aus der parlamentarischen Totalopposition heraus viel leichter tun.

PS: Der 28-jährige Bardella erinnert in vielem an die vier erfolgreichsten Strahlemänner der österreichischen Politik, die ebenfalls recht jung sehr weit nach oben gekommen sind, die überaus eloquent und selbstsicher aufgetreten sind und kommunizieren konnten, die auch äußerlich attraktiv (gewesen) sind, was nachweislich bei Frauen aller Altersstufen besondere Wirkung erzielt: Hannes Androsch, Jörg Haider, Karl-Heinz Grasser und Sebastian Kurz. Dass alle Vier später tief abgestürzt sind, ist ein anderes Kapitel …

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