Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Die WKStA und die Entthronung der Kronzeugen

Die demnächst erwartete Entscheidung des Justizministeriums über den von der Korruptionsstaatsanwaltschaft für Thomas Schmid und Sabine Beinschab vorläufig gewährten Kronzeugenstatus wird mehr als spannend. Denn dieser Status war entscheidend bei ihrer Jagd auf Sebastian Kurz. Die Argumentation der Anwälte des langjährigen Kurz-Gefährten Gerald Fleischmann (er wird von der WKStA ebenfalls seit Jahren als Beschuldigter verfolgt), die diesen Status bekämpfen, klingt jedenfalls ziemlich zwingend. Allerdings: Dieser Schriftsatz seiner Anwälte konnte nur gleichsam als Appell an die Weisungsabteilung der Justizministerin als Rechtsaufsicht der Staatsanwaltschaft gerichtet werden, da es im österreichischen Strafrecht absurderweise keine echte Rechtsmittelmöglichkeit gegen die wichtigste Entscheidung einer Staatsanwaltschaft gibt.

Die nun befasste Weisungsabteilung ist aber der Justizministerin Alma Zadic weisungsmäßig unterstellt. Und deren erkennbare Hauptintention ist seit ihren Jahren als frühere Fraktionskollegin von Peter Pilz die Verfolgung von Sebastian Kurz und ÖVP (sowie in anderen Zusammenhängen: von FPÖ), während die echten Untaten etwa im Imperium der SPÖ-Gemeinde Wien ignoriert werden ...

Daher sind die Aussichten des Appells nicht als sonderlich hoch einzuschätzen, obwohl seine Argumente sehr zwingend klingen.

Es zeigt sich neuerlich, dass die Einführung der Kronzeugenregelung ins österreichische Strafrecht ohne Rechtsschutz für die dadurch negativ Betroffenen total verkrüppelt gewesen ist. Sie ist im Grund ein gewaltiger Schritt hin zu einer totalitär-inquisitorischen Justiz und gehört dringend novelliert.

Denn die derzeitige Rechtslage erweitert die Verfolgungs-Möglichkeiten der Staatsanwaltschaft gegen politische Feinde gewaltig. Sie ist vor allem deshalb extrem problematisch, da es keine Kontrolle durch unabhängige Richter gibt. Daher dürfte die Institution auch verfassungswidrig sein.

Die Staatsanwälte können de facto einen Verdächtigen unkontrolliert massiv unter Druck setzen und ihn vor die Wahl zwischen Strafhaft und absoluter Straffreiheit stellen, sodass viele ihrer Opfer im Extremfall zu jeder Aussage bereit sind, welche die Staatsanwälte hören wollen. Als Folge können dann andere Verdächtige zu Unrecht in eine katastrophale Situation kommen, gegen die sie sich nicht wehren können.

Diese können nämlich kein Rechtsmittel gegen die Erhebung eines anderen Verdächtigen in den Status eines Kronzeugen einbringen, obwohl ihnen das schwer schadet. Sie können erst ganz am Ende des Verfahrens, nachdem ein Urteil gegen sie selbst ergangen ist, dann in der Berufung gegen dieses Urteil auch den einst verhängten Kronzeugenstatus jenes "Zeugen" vor einen Richter bringen, der sie angeschwärzt hat, um sich selbst zu retten.

Ein Rechtsstaat sieht anders aus. Dies gilt doppelt vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die WKStA schon seit langem dafür bekannt ist, dass sie Vorverfahren im Strafverfahren schier unendlich in die Länge zieht, oft bis zu fünf oder acht Jahre lang (Dabei ist freilich die Frage offen, ob sie das aus Unfähigkeit tut oder aus böser Absicht, um schon durch die Dauer des Verfahrens ihren Opfern länger existenziell zu schaden, als das je ein Gerichtsurteil könnte). Der "Kronzeugen"-Pfusch verlängert die Strafverfahren jetzt noch deutlich mehr.

Im gesamten Kurz-Verfahren spielt der Kronzeugenstatus für Thomas Schmid jedenfalls eine Schlüsselrolle.

Diese Frage wurde zuletzt allerdings von einer weiteren, eng mit den Vorwürfen gegen Kurz zusammenhängenden Niederlage der WKStA überschattet: Das Oberlandesgericht hat eine von der WKStA betriebene Hausdurchsuchung als rechtswidrig bezeichnet. Sie hätte vom Wiener Straflandesgericht gar nicht erst bewilligt werden dürfen.

Das wirft immer öfter die grundsätzliche Frage auf, wie oft noch eine staatliche Behörde rechtswidrig handeln und Bürger dabei schädigen darf, ohne dass es Konsequenzen für diese Behörde, aber auch das immer wieder als Mittäter agierende Gericht gibt.

Letztlich wird diese Behörde nur durch die grüne Justizministerin und diese wiederum durch die inneren Beißhemmungen innerhalb der Koalition geschützt sowie durch die Tatsache, dass alle Oppositionsparteien aus taktischen oder ideologischen Gründen nur die ÖVP als Angriffsziel haben, während die Grünen als zweite Regierungspartei durch ihre radikale Wählerstruktur für die anderen unwesentlich sind und in Frieden gelassen werden – noch dazu, wo sie sich derzeit ohnedies selbst zerlegen.

Die nun für rechtswidrig erklärte Hausdurchsuchung hat sich gegen das Umfrageinstitut Demox gerichtet. Sie hat, so das Oberlandesgericht, ohne begründeten Anfangsverdacht stattgefunden und hätte daher gar nicht genehmigt werden dürfen. Das Obergericht wörtlich: Der "Verdacht muss vor dem Eingriff bestimmt und hinreichend sein. Durchsuchungen ohne solchen Verdacht, nur aus unbestimmten Mutmaßungen oder Hoffnungen, auf Geratewohl oder um überhaupt erste Verdachtsmomente zu erhalten, sind unzulässig."

Bumm. Das sitzt. Damit ist fast die ganze Arbeitsweise der WKStA in der Luft zerrissen. Diese hatte sich auch in diesem Fall auf Vermutungen der Opposition und auf einen mit diesen in Zusammenhang stehenden Artikel in einem der sattsam bekannten Wochenmagazine berufen. Die Staatsanwälte hatten behauptet, die von diversen Ministerien in Auftrag gegebenen Umfragen hätten keine sachliche Notwendigkeit gehabt, und es seien dabei auch ministeriumsfremde Fragen gestellt worden.

Und wieder einmal hatte das eigentlich für den Grundrechtsschutz der Bürger zuständige Wiener Straflandesgericht den WKStA-Antrag als genehmigt abgestempelt. Was inzwischen ein ebenso großer Skandal ist wie das Agieren der WKStA.

Der Vorwurf dieser WKStA gegen Sebastian Kurz, Sabine Beinschab und Thomas Schmid ist interessanterweise total ähnlich. Schmid hätte als Finanzministeriums-Generalsekretär bei dem Umfrage-Institut der Frau Beinschab Umfragen in Auftrag gegeben, die weniger dem Finanzministerium, sondern Sebastian Kurz dienlich gewesen seien. Und Kurz hätte ihn dazu angestiftet.

Beim nunmehrigen Einspruch des Kurz-Adlatus Fleischmann gegen den Kronzeugenstatus für Schmid geht es (noch) nicht um diese Frage. Aber auch diese wird eines Tages interessant, wenn endlich einmal (hoffentlich) unabhängige Richter rechtskräftig darüber entscheiden werden.

Beim Appell an das Justizministerium geht es vorerst "nur" um den Kronzeugenstatus von Schmid und Beinschab. Dieser ist von der WKStA vorläufig zuerkannt worden. Ganz offensichtlich ist das in der Hoffnung geschehen, damit vor allem durch die Person Schmid eine Waffe gegen den verhassten Sebastian Kurz in die Hände zu bekommen.

Dagegen wenden sich nun die Fleischmann-Anwälte aus der Kanzlei Ainedter. Sie berufen sich dabei gleich auf mehrere im Gesetz dafür zwingend vorgeschriebenen Voraussetzungen. Da diese nicht zurtreffen, hätte Schmid und Beinschab der Kronzeugenstatus keineswegs zugestanden werden dürfen. Den beiden wurde dadurch, dass sie andere belasten, für sich selbst Straffreiheit in Aussicht gestellt.

Der Vorwurf der Fleischmann-Vertreter gegen die Kronzeugenentscheidung der WKStA beruht auf dem Paragraphen 209a der Strafprozessordnung. Dieser verlangt erstens ausdrücklich, dass jemand nur dann als Kronzeuge straffrei werden kann, "wenn er freiwillig an die Staatsanwaltschaft herantritt". Und zweitens sagt 209a, dass man nur dann Kronzeuge sein kann, wenn man "sein Wissen über neue Tatsachen oder Beweismittel offenbart, deren Kenntnis wesentlich dazu beiträgt, die umfassende Aufklärung einer in den Z 1 bis 3 genannten" – das sind nur gravierende – "Straftaten über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus zu fördern". Nichts davon trifft zu.

Denn weder Schmid noch Beinschab waren freiwillig zur Staatsanwaltschaft gekommen um auszusagen, sondern sie waren von der WKStA davor unter enormen Druck gesetzt worden. Beinschab war sogar von den Staatsanwälten in Untersuchungshaft geworfen worden. Und bei Schmid gab es vorher nicht nur schon massive öffentliche Vorwürfe und aggressive Vernehmungen, sondern genau zum Zeitpunkt des Kronzeuge-Werdens auch einen mehr als ominösen Wechsel des Strafverteidigers, dessen Hintergründe bisher nie offengelegt worden sind.

Das alles lässt massiv den Verdacht aufkommen, dass die Staatsanwälte (ähnlich wie schon gegen Karl-Heinz Grasser) ein Angebot auf der Linie gemacht haben: Wenn du uns Kurz lieferst, lassen wir dich gehen. Jedoch, so nun wieder Ainedter: ",Deals‘ der Strafverfolgungsbehörden in einer Drucksituation des potentiellen Kronzeugen sind aber unzulässig."

Die Fleischmann-Anwälte weisen ferner darauf hin, dass es sich bei den insgesamt 13 Umfragen beziehungsweise "Studien", deren Ablauf und Finanzierung von der WKStA inkriminiert werden, ja nur um Ausführungshandlungen der immer gleichen Tat handle. Drei dieser Studien waren Schmid außerdem schon vorgehalten worden, als er lange vor seiner "freiwilligen" Kronzeugenaussage bereits unter "dringendem" Tatverdacht vernommen worden ist. Damals hat er jedoch "keine Angaben zur Sache machen" wollen.

Noch gravierender ist der nächste Hinweis der Kanzlei Ainedter: "Auch die WKStA selbst verzichtete auf eine gesonderte Nummerierung der einzelnen ,Untreuefakten in Zusammenhang mit Studien‘ und geht somit – zu Recht – von nur einer Tat mit mehreren Ausführungshandlungen aus."

Schmid habe bloß bereits aktenmäßig bekannte Tatsachen aufgeklärt. Überdies bezweifeln die Fleischmann-Anwälte, dass Schmid überhaupt sein vollständiges Wissen über neue Tatsachen und Beweismittel geoffenbart habe. Sie äußern sogar auch den Verdacht, dass er solche erfunden habe, um den Kronzeugenstatus zu erlangen. "Schmid hat also offensichtlich eineinhalb Jahre taktiert und Informationen über Straftaten Dritter gesammelt bzw. zurückgehalten, um sich allenfalls von einer Strafbarkeit in Zusammenhang mit mehreren schwerwiegenden Kronzeugentaten ,freikaufen‘ zu können."

Im Fall Beinschab wiederum haben die WKStA-Staatsanwälte übersehen, dass der Vorwurf der "Untreue" schon im Verfahren gegen Exministerin Karmasin erhoben worden war, dass es also keineswegs um etwas der Staatsanwaltschaft Unbekanntes gegangen war.

Überdies ist sehr fraglich, ob es durch die Umfragen, die Schmid bei Beinschab in Auftrag gegeben hat und in denen nach Ansicht der Staatsanwälte Fragen gestellt worden sind, die nichts mit dem Finanzministerium zu tun haben, überhaupt einen Schaden gegeben hat. Denn Beinschab hat selber ausgesagt, dass sie bei Umfragen erbetene Fragen mehrmals "auch gratis" angehängt habe, also ohne dass die Umfrage dadurch teurer geworden wären.

Wie weit das alles Ministerin Zadic beeindrucken wird, ist freilich schon aus parteipolitischen Gründen mehr als fraglich. Letztlich setzen die Anwälte daher eher auf den Rechtsschutzbeauftragten der Justiz, der allein berechtigt ist, die Fortführung des Verfahrens gegen Schmid zu beantragen. Allerdings: Auch in dieser Funktion hat Frau Zadic nach einem Konflikt der früheren Beauftragten mit der WKStA eine kräftige Säuberung vorgenommen …

Damit steht der Rechtsstaat vor einer dramatischen Bedrohung: Wenn die WKStA wirklich mit der Kronzeugen-Story für Schmid und Beinschab durchkommt, dann eröffnet das unglaublich viele geradezu totalitäre Möglichkeiten für die Strafverfolger: Sie werfen Menschen ins Gefängnis und winken ihnen mit dem Kronzeugenstatus, also der unbescholtenen Freiheit, wenn diese nur alles sagen, was die Staatsanwälte hören wollen. Selbst wenn dabei nur ein paar unwichtige Details neu sind.

Was ist das "Fortkommen" eines Bundeskanzlers?

Unabhängig von der Kronzeugenfrage fällt übrigens ein geradezu absurder Widerspruch in der Argumentation der WKStA rund um die Beinschab-Umfragen des Finanzministeriums auf: Die Strafverfolger behaupten, dass die von Schmid in Auftrag gegebenen Umfragen "ausschließlich parteipolitisch motiviert und für das (partei)politische Fortkommen von Sebastian Kurz und der Gruppe seiner engsten Vertrauten um ihn, sowie der ÖVP Bundespartei, relevant" gewesen wären. Jedoch zeigen die Kalenderdaten der inkriminierten Umfragen, dass 12 der 13 Umfragen erst zu einem Zeitpunkt erfolgt sind, wo Kurz schon ÖVP-Chef gewesen ist, und 11, als er schon Bundeskanzler gewesen ist!

Wo und wie da das "Fortkommen" von Kurz auch noch NACH seinem fulminanten Wahlsieg durch von Herrn Schmid aus dem Finanzministerium beauftragte Umfragen gefördert werden soll, kann nur in der lebhaften Hass-Phantasie der WKStA eine Begründung finden. Oder wollte Kurz nach Ansicht der Staatsanwälte vielleicht gleich auch Bundespräsident werden, was zumindest protokollarisch eine Art Fortkommen wäre?

Darüber hinaus ist die WKStA-Behauptung auch völlig unbewiesen, dass Kurz bei diesen für ihn also weitgehend wertlosen Umfragen Schmid dazu angestiftet hätte, sie aus dem Finanzministeriums-Budget zahlen zu lassen. Gab es doch zahllose Umfragen anderer Auftraggeber und Institute mit ganz ähnlichen Ergebnissen. Sie sagten alle, dass Kurz damals höchst populär gewesen ist.

Kurz war so lange populär, bis ihn die Staatsanwälte gestürzt haben. Das hat zugleich den größten Absturz einer Partei in der Nachkriegsgeschichte ausgelöst. Das rechtfertigt auch eindeutig den Ausdruck "Putsch", den der zu Tode gekommene Sektionschef Christian Pilnacek für die Taten der Staatsanwälte formuliert hat, weswegen ihn Zadic und die WKStA waidwund gejagt haben.

Der Vorwurf eines strafrechtlich relevanten Auftrags durch Kurz für die Beinschab-Umfragen steht also auf extrem dünnen Beinchen (während unbestreitbar der Vorwurf gegen den "Kronzeugen" Schmid selber, im Ministerium die Umfragen nicht korrekt abgerechnet zu haben, viel gravierender ist!).

Wahrscheinlich wegen dieser dünnen Beinchen haben die Genossen Staatsanwälte diese Causa auch noch nie vor einen unabhängigen Richter gebracht. Dabei ist die erste Anzeige etwa gegen Schmid schon 2019 eingegangen. Aber was sind schon fünf Jahre bei der WKStA, wenn es gegen ÖVP oder FPÖ geht …

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung