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Wer von der Affäre Schilling profitiert

Das überrascht nun nach der Affäre Lena Schilling und der Berichterstattung darüber wirklich gar nicht: Die Grünen haben bei den Umfragen zuletzt zwei weitere Prozentpunkte verloren, sie liegen nun bei 8 Prozent statt bei 13,9 wie bei der letzten Wahl. Hingegen überrascht es total, wo die verloren gegangenen Wähler aufgetaucht sind.

Es haben nämlich in den letzten Tagen nur zwei Parteien dazugewonnen: Das sind einerseits die Neos mit einem Prozentpunkt plus und andererseits – die Freiheitlichen. Diese haben gleich zwei Punkte dazugewonnen und haben damit wieder die 30 Prozent-Linie erreicht, eine Linie, die sie zuletzt im November überschritten hatten (und davor nur einige Male im Vorjahr, während sie bei der letzten Wahl nur 16 Prozent hatten).

Dass die FPÖ auch von der Causa Schilling profitiert ist auf den ersten Blick mehr als überraschend, bildete doch die aggressive Ablehnung der Freiheitlichen zweifellos die konstanteste Identität der Grünen. Sind jetzt etliche Grünwähler so empört über die Zumutung Schilling, dass sie gleich zur totalen Gegenpolitision gewechselt sind? Oder ist einfach bei Blau wie Grün der Anteil der Protestwähler am höchsten, also jener Menschen, bei denen vor allem das Dagegensein Hauptsache und prägender Antrieb ist, egal gegen was? Oder sind viele Grünwähler gar nicht ideologisch motiviert gewesen, sondern lediglich Menschen, die nur immer bei modischen Wellen dabei sein wollen? 

Wenn man inhaltliche Positionen von Grün und Blau anschaut, dann überrascht das etwas weniger.

  • So haben sich die Freiheitlichen in den letzten Jahren mit großer Energie und Aggressivität gegen die Corona-Impfung ins Zeug geworfen. Die Impfgegnerschaft war jedoch vor Corona eigentlich dem grün-alternativ-esoterischen Zeitgeist-Lager zuzuschreiben gewesen. Naturheilkunde und Ablehnung der invasiven Medizin waren lange eher eine Domäne städtischer Bobo-Frauen.
  • So ist die Rhetorik gegen Schwarz-Rot zumindest in Zeiten, wo beide in Opposition waren, bei Blau und Grün fast identisch gewesen.
  • So haben sich die Freiheitlichen lange besonders scharf so wie die Grünen gegen die Atomenergie gestellt – während allerdings ein Teil ihres Lager jetz  vehement Atomkraftwerke fordert und damit ganz eine Argumentation der schwedischen Schulschwänzerin Thunberg übernimmt, also aus der gleichen Szene, aus der Lena Schilling kommt (Thunberg hat diese Forderung im Zeichen der Klimapanik aufgestellt – in der an sich logischen Erkenntnis, dass man nur mit Atomstrom die bisherigen Energieformen ausreichend ersetzen kann, selbst wenn man ganz Europa mit Windmühlen übersäen würde).

Wie auch immer die Psychologie des Protestpotentials einzuschätzen ist: Viel überraschender ist, dass im Gegensatz zu den Freiheitlichen und zu den nur halblinken Neos nach den bisherigen Umfrage-Entwicklungen keine der drei anderen Linksparteien von dem Absturz der Grünen bisher profitiert hat. Die Bier-Partei des tätowierten Popsängers Wlazny, die heuer schon auf 8 Prozentpunkten gewesen ist, grundelt seit etlichen Wochen zwischen 5 und 6 Prozent und die Kommunsten zwischen 3 und 4.

Besonders deprimierend ist die Entwicklung aber für die SPÖ: Die Partei, die 2022 (unter Pamela Rendi-Wagner) schon mehrmals die 30 Prozent-Grenze erreicht hatte, grundelt wieder bei den Werten von 2020, wo sie maximal 22 Prozent erreicht hat. Und auch in den letzten Tagen ging es weiter nach unten.

Das erfüllt, sei ehrlich gesagt, mit Schadenfreude. Denn schon wieder wirkt sich eine linke Schmutzkübel-Kampagne am Ende gegen die SPÖ aus, obwohl sie höchstwahrscheinlich aus deren Eck kommt. Denn viele Indizien sprechen dafür, dass die Kampagne zur öffentlichen Entlarvung der intriganten Giftspritzerei der Frau Schilling nicht von grünen, sondern von roten Aktivisten ausgegangen ist:

  • Tatsache ist, dass das Ehepaar Bohrn Mena mit austro-chilenischem Hintergrund der einzige bekanntgewordene Name aus dem Kreis jener ist, die sich mit Schilling duellieren.
  • Tatsache ist, dass in deren Lebenslauf viele hautenge Verbindungen zur SPÖ bekannt sind. Und dass es zumindest ernst zunehmende Hinweise gibt, dass Bohrn Mena mit dem EU-Kandidaten der SPÖ, Andreas Schieder, eng verbunden ist, gegen den Schilling antritt.
  • Tatsache ist, dass von der Affäre Sinowatz-Waldheim über die Affäre Silberstein bis zur Inszenierung des Lauschangriffs auf Ibiza bei solchen üblen Aktionen immer wieder alles auf sozial-"demokratische" Akteure hindeutet, die vor nichts zurückschrecken. Lediglich in der Ära Pamela Rendi-Wagner scheint die SPÖ-Weste sauber geblieben zu sein – was erfreulicherweise auch die einzige Phase der letzten Jahre gewesen ist, wo die SPÖ bei den Umfragen in Führung gelegen ist.
  • Tatsache ist, dass es eigentlich erwartbar gewesen wäre, dass ein kräftiger Dämpfer für die Grünen der SPÖ nützen würde.

Jedoch: Das allgemein Erwartete ist nicht eingetreten. Ein Schrumpfen der grünen Werte hat nicht der SPÖ genutzt. Deren aktuelle Umfragekurven zeigen nach unten. Ebenso der mittelfristige Trend. Die SPÖ lag noch im Oktober bei 27 Prozent, jetzt liegt sie bei 22. In der Rendi-Zeit hatte sie einmal sogar 31 Prozent erreicht. Statt eines positiven Schilling-Effekts leidet die SPÖ an einem mehr als kräftigen negativen Babler-Effekt.

Warum sich freilich die ÖVP ausgerechnet in einer solchen Situation an diesen Babler kettet – was ja die zwingende Folge einer Totalabsage an die Freiheitlichen ist –, muss Karl Nehammer seinen Wählern erst erklären. Es ist nun auch Folge dieser Absage, dass es der ÖVP anhaltend schlecht geht. Sie ist jetzt unter die 20-Punkte-Grenze auf 19 abgesackt. Bei ihr sind am wenigsten Gründe zu sehen, dass die Causa Schilling Wirkung gehabt hätte. Bei ihren Rückschlägen geht es um Inhalte.

Die klassischen bürgerlichen Wähler sind über den Kurs der Partei mehr als verunsichert, ob sie nun mehr wirtschaftsliberal oder wertkonservativ oder christlich motiviert sind. Zuerst hat man ihnen die Grünen als Regierungspartner zugemutet und jetzt die SPÖ. Die Parteiführung, ob Kurz, ob Nehammer, scheint aber an diesen bürgerlichen Wählergruppen desinteressiert, die bei der SPÖ fast keine Berührungspunkte finden. Diese gibt es lediglich in der Außen- und – wenn man das noch für eine wichtige Frage ansieht – in der Coronapolitik. In der Familien-, Migration-, Schulpolitik, in der Haltung zu Law and Order, in Landwirtschaftsfragen, beim Thema Energie, selbst in der Wirtschaftspolitik ist man der FPÖ viel näher. Die bürgerlichen Wähler können daher nicht verstehen, warum man die Person Kickl zum zentralen Koalitionshindernis gemacht hat, ist ihnen doch Babler meist viel unsympathischer und in den meisten Sachfragen meilenweit entfernt, was von der ÖVP-Spitze aber fast überhaupt nicht thematisiert wird.

Jenseits dieser Positionierungen für die nächste Regierung, in denen sie schon rein zahlenmäßig keine Rolle mehr spielen können, ist für die Grünen die Lage katastrophal. Es gibt keinerlei Chancen auf eine ausreichende Mehrheit für ein Zweierkoalition mit ihnen. Die Fehlentscheidung, eine spätpubertäre Straßenblockiererin an die Spitze des EU-Wahlkampfes zu hieven, und die Panikreaktion, als die rote Intrige zugeschlagen hatte, haben den Grünen jeden Nerv gezogen. Da zieht dann ein Fehler den nächsten nach sich.

In diese Fehlerkette dürfte jedenfalls auch der von etlichen Quellen berichtete Versuch gehören, in Redaktionen zu intervenieren, möglichst gar nicht oder jedenfalls nur wenig über den Fall Schilling zu berichten. Was für eine Partei, die gerne und oft von Liberalität brabbelt, mehr als peinlich ist, auch wenn die "Gespräche" an etlichen Orten offensichtlich Erfolg hatten. Man stelle sich vor, ÖVP oder FPÖ würden versuchen, Medien zu beeinflussen. Dann wäre der Bär los, bis hin zu einer Sondersitzung des Parlaments und besorgten Warnungen des Bundespräsidenten.

Aber jetzt spielt sich der Konflikt in der linken Blase ab. In dieser gibt es eine bunte Mischung aus Grün sowie Rot in allen denkbaren Schattierungen sowie den unzähligen NGOs. Es galt bis vor wenigen Tagen die klare Devise: Hauptsache, wir halten nach außen fest zusammen, wenn es gegen Blau oder Schwarz geht.

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