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Wo ist der Unterschied zwischen Trump und Scholz?

Redet der deutsche Bundeskanzler leichtfertig einen Weltkrieg herbei? Nicht nur diese besorgten Fragen über Vorgänge beim großen Nachbarn drängen sich in diesen Stunden auf, sondern auch noch eine weitere, ganz anders geartete: Ist Deutschland überhaupt noch ein Rechtsstaat? Zu einer solchen Qualifikation würden ja nach bisherigem Verständnis die Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Richter zählen.

Der ehemalige und möglichweise auch zukünftige US-Präsident Donald Trump steht – unter anderem – wegen das Vorwurfs vor Gericht, geheime, auch militärisch sensible Unterlagen aus dem Weißen Haus mitgenommen und unvorsichtig gelagert zu haben. Dabei wird ihm jedoch nicht vorgeworfen, diese Informationen auch weitergegeben zu haben.

Das, was seit ein paar Stunden von britischer wie französischer Seite dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz vorgeworfen wird, ist hingegen viel schlimmer: Scholz hat Nato-interne Geheiminformationen sogar öffentlich ausgeplaudert. Diese Scholz-Aussagen sind so sensibel, dass sie vom russischen Diktator Wladimir Putin zum Vorwand der Behauptung genommen werden könnten, dass der Westen Russland angegriffen hätte oder zumindest Kriegspartei geworden sei.

Scholz hatte sich zu der von ihm abgelehnten Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern nämlich folgendermaßen geäußert: "Was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung von Seiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden." Damit spielte er darauf an, dass ein Einsatz von Bundeswehrsoldaten ein Mandat des Bundestags erforderlich machen dürfte. Jeder Versuch der Geheimhaltung wäre dahin.

Briten und Franzosen unterliegen dieser Beschränkung nicht. Sie hatten daher auch nie öffentlich bestätigen müssen, dass ihre Soldaten in die Auswahl von militärischen Zielen involviert sind. Das erklärt ihren Ärger über Scholz.

"Dies ist ein eklatanter Missbrauch von Geheimdienstinformationen", sagte der konservative Parlamentsabgeordnete Tobias Ellwood, der früher den Verteidigungsausschuss geleitet hatte. Dies werde von Russland zweifellos propagandistisch ausgenutzt werden. Scholz versuche damit von Deutschlands Zögern abzulenken, die Ukraine mit "Taurus" auszurüsten. Alicia Kearns, Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Unterhaus, wurde noch deutlicher: "Scholz’ Kommentare sind unverantwortlich und ein Schlag ins Gesicht der Verbündeten." Besonders deutlich wurde auch der frühere britische Verteidigungsminister Ben Wallace: "Das Verhalten von Scholz hat gezeigt, dass er für die Sicherheit Europas der falsche Mann ist, im falschen Job zur falschen Zeit."

Großbritannien und Frankreich haben der Ukraine Marschflugkörper bereitgestellt. Das britische Modell "Storm Shadow" und der französische Typ "Scalp" sind weitgehend baugleich, der deutsche "Taurus" verfügt über eine größere Reichweite und stärkere Durchschlagskraft.

Ein Sprecher des britischen Verteidigungsministeriums widersprach der Darstellung des deutschen Kanzlers, dass die Briten an der Zielsteuerung mitwirkten: "Der Einsatz von ,Storm Shadow’ durch die Ukraine und seine Zielverfahren sind Sache der ukrainischen Streitkräfte."

Die zweifellos tatsächlich in die Raketenstarts involvierten britischen und französischen Experten müssen in Wahrheit vor allem auf eines achten: dass diese Raketen keine sensiblen Ziele in Russland selbst angreifen, wie etwa Putin selber eines wäre. Das dürfte auch der Inhalt der militärischen Geheimverträge der Ukraine mit Frankreich und Großbritannien sein, deren Existenz an sich schon länger bekannt ist.

Vor diesem internationalen Hintergrund ist die Forderung von Hans-Georg Maaßen jedenfalls mehr als logisch, dass Scholz wegen dieses Riesenfehlers zurücktreten müsse. Der Vergleich mit dem Trump-Strafverfahren macht eine solche Rücktrittsforderung doppelt logisch, da Trump ja gar keine Geheiminhalte an die Öffentlichkeit getragen hatte, Scholz hingegen sehr wohl. An der Schwere des Fehlers ändert es auch nichts, dass Scholz "nur" Geheimnisse der engsten Verbündeten, nicht des eigenen Staates ausgeplaudert hat. Das dürfte ihn zwar formaljuristisch schützen. Das schafft aber umso mehr Ärger nach außen.

Erschwerend kommt hinzu, dass das Ganze in einer Situation passiert, da die persönliche Chemie zwischen dem deutschen Regierungschef – einem überaus nüchternen Hamburger – und seinen Kollegen in Paris wie auch London schon seit Längerem auffallend unterkühlt ist. Jetzt wird es zweifellos noch kälter werden.

Gar nicht auszudenken ist, wie sich die Situation Deutschlands nach einem eventuellen Amtsantritt von Donald Trump entwickeln wird. Gibt doch Deutschland nach wie vor viel zu wenig für die eigene (und damit auch gemeinschaftliche) Verteidigung aus: Im Jahr 2022 waren das nur 1,4 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung (BIP). 2023 ist dieser Wert zwar auf 1,6 gestiegen. Aber er liegt noch immer weit unter den von allen Nato-Ländern seit langem beschworenen 2,0 Prozent. Und damit sind auch die großspurigen Ankündigungen von Scholz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine blamiert, dass Deutschland jetzt seine Verteidigung massiv stärken werde. Trump hat aber schon sehr oft gesagt, dass seiner Meinung nach die amerikanische Beistandszusage nicht für jene Länder gelten solle, die dieses Ziel nicht erreichen.

Laschets Demokratie-Begriff

Mindestens genauso beklemmend ist eine Aussage des letzten CDU-Spitzenkandidaten Armin Laschet, der gegen Scholz angetreten war. Er wollte eigentlich davor warnen, dass ein AfD-Politiker Ministerpräsident in einem Bundesland werden würde. Denn dann hätte er "Zugriff auf die Sicherheitsbehörden, auf die Ernennung der Polizeipräsidenten, auf den Verfassungsschutz, die Medienaufsicht und die Staatsanwaltschaften einschließlich der Ernennung der Richter".

Damit aber hat Laschet gleichzeitig auch zugegeben, dass gegenwärtig die schwarzen, roten und postkommunistischen (also von der Linkspartei gestellten) Ministerpräsidenten einen solchen, an totalitäre Staaten erinnernden und die Gewaltenteilung ignorierenden Zugriff hätten. Denn es ist ja nicht denkbar, dass ein AfD-Politiker mehr "Zugriff" auf Richter, Staatsanwälte, Medienaufsicht und Verfassungsschutz bekommen würde als die anderen Bundesländer-Chefs.

Damit gibt Laschet – wie wenn es eine Selbstverständlichkeit wäre – zu, dass Deutschland schon heute kein Rechtsstaat mehr ist, dass die Gewaltentrennung nicht funktioniert. Denn diese Qualifikationen können ja nicht davon abhängen, welche Farbe die Herrscher über all diese Bereiche hätten.

Da wundert es nun wirklich niemanden mehr, dass etwa der deutsche Verfassungsschutz immer mehr den Eindruck erweckt, seine Hauptaufgabe wäre nicht der Schutz der deutschen Verfassung, sondern der Schutz der anderen Parteien vor der AfD. Genau auf dieser Linie hat der Verfassungsschutz einiger Bundesländer die AfD offiziell als "rechtsextrem" eingestuft. Ohne Vorlage konkreter Beweise. Und ohne überhaupt präzise zu definieren, was "rechtsextrem" eigentlich genau sei.

Irgendeine Form der nationalsozialistischen Wiederbetätigung kann es ja nicht sein. Die müsste jeder Verfassungsschutz ja sofort vor den Strafrichter bringen. Herumgerede, manche in der AfD würden "völkisch" denken, sind noch viel weniger überzeugend. Denn erstens gibt es in Deutschland angeblich Meinungs- und Denkfreiheit, zweitens ist dieses Wort wiederum rechtlich nicht definiert, und drittens führt jede Annäherung an seine Bedeutung zur klaren Erkenntnis, dass drei Viertel aller Regierungen der Welt "völkisch" denken. Und handeln.

Besonders problematisch wird die Gefährdung des deutschen Rechtsstaats, betrachtet man sie auf europäischer Ebene. Da sind Polen und Ungarn drastisch – mit Entzug von Milliarden ihnen zustehender Euros! – bestraft worden, weil sie den Rechtsstaat verletzt hätten. Fragte man, was denn genauer passiert sei, dann bekam man maximal zur Antwort, die Regierungen hätten Einfluss auf die Bestellung von Richtern genommen.

Bei Deutschlands, nun von Laschet offen angesprochenen Rechtsstaatsdefiziten gibt es keinerlei Aufregung in der EU. Das ist der endgültige Beweis, dass die Sorge um den Rechtsstaat ganz offensichtlich nur dann gilt, wenn es rechte, wenn es nationalkonservative Regierungen sind, die Einfluss auf die Bestellung von Richtern usw. nehmen. Wenn es die anderen Parteien tun, ist das ganz in Ordnung. Wenn also die neue Regierung in Polen beispielsweise die gesamte Führung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens feuert, dann ist das ganz in Ordnung und wird von der EU-Kommission mit Milliarden belohnt.

Und wir sollen das alles Demokratie und Rechtsstaat nennen.

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