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Die vielen Peinlichkeiten für Wladimir Putin

Wahrscheinlich hätten die von den russischen Polizisten schwerst misshandelten Männer nach der Folter auch gestanden, einbeinige Giraffen zu sein, wenn man das von ihnen verlangt hätte. Ihre Gesichter deuten aber trotz der argen Verunstaltungen (die deutsche TV-Stationen seltsamerweise nicht gezeigt haben) doch ziemlich eindeutig auf eine tadschikische Herkunft hin und damit auf eine Tat radikaler Islamisten. Nach diesen Misshandlungen ist aus ihren Aussagen freilich kein sonderlicher Erkenntnisgewinn abzuleiten außer, erstens, der neuerlichen Bestätigung, dass Putins Schergen unermesslich brutal sind, haben sie doch gerade erst auch den mutigsten Kritiker des "Präsidenten" umgebracht; zweitens, dass die ursprüngliche Vermutung sich nicht bestätigt hat, wonach das schreckliche Blutbad in einer russischen Konzerthalle von Putin selbst angeordnet worden wäre, um die Kriegsbegeisterung gegen die Ukraine anzufachen; und drittens, dass Putin sich nun jedoch nach drei Tagen Funkstille genau so zu verhalten versucht, als hätte diese Vermutung doch gestimmt.

Denn er versucht nun trotz allem, die Ukraine zum Schuldigen zu stempeln, weil die Männer angeblich Richtung Ukraine fliehen wollten. Das beweist freilich gar nichts, noch viel weniger als die bisher im Detail unbekannten "Geständnisse". Denn jeder Blick auf die Landkarte zeigt, dass die Ukraine das nächste Gebiet zum Tatort ist, wo die Russen keinen Zugriff mehr haben. Die Täter werden ja eher nicht nach Belarus fliehen wollen.

Aber dennoch ist festzuhalten, dass sich der Verdacht vorerst zerstreut, dass Putin selber hinter den blutigen Schießereien gesteckt wäre, um den Kampf gegen die Ukraine emotional zu intensivieren. Denn wäre das so gewesen, hätten die russischen Geheimpolizisten zweifellos sofort eine Handvoll Ukrainer bei der Hand gehabt, die nach mehrtägiger Folter so wie die gefassten Tadschiken alles zugegeben hätten.

Auch wenn Putin wohl eher nicht der Regisseur der blutigen Vorgänge gewesen sein dürfte, bleibt das Ganze aber gleich mehrfach extrem peinlich für den russischen Diktator:

  1. Dass er drei Tage lang sprachlos geblieben ist, in denen die Russen lediglich einen mehrfach sich bekreuzigenden Putin zu sehen bekommen haben, strahlt alles andere als Führungsstärke aus. Staats- und Regierungschefs aller echten Demokratien wissen, dass sie sich in so einer Stunde umgehend an ihr Volk wenden müssen, um dessen Trauer einfühlsam zu teilen, um diesem Trost zu spenden, um Mut und Zuversicht auszustrahlen, um strenge Verfolgung der Täter zu schwören. Das alles hat er versäumt.
  2. Total unglaubwürdig ist auch seine nun aufgestellte Behauptung, dass die Ukraine den Tätern gezielt ein Fenster an der Grenze geöffnet hätte, weil sie mit den Todesschützen im Bunde gewesen wäre. Neben allen Argumenten, dass ein solches Blutbad in keiner Weise im Interesse der Ukraine und im Stil ihrer Kriegsführung gewesen wäre, spricht da auch die Tatsache dagegen, dass die Ukraine sich nie und nimmer mit extremistischen Islamisten verbünden würde – schon deshalb nicht, weil das ihre Hauptsponsoren im Westen empören würde.
  3. Peinlich, insbesondere gegenüber der eigenen Bevölkerung, ist aber auch das durch diese Behauptung gleichzeitig gemachte Eingeständnis, dass es den mutmaßlichen Tätern dabei ja auch gelingen hätte müssen, die russische Front zu durchqueren.
  4. Ebenfalls peinlich ist schon die Tatsache gewesen, dass es den Tätern (ob es die nun Verprügelten oder andere gewesen sind) in auffälligen Tarnanzügen und mit schweren Dauerfeuerwaffen gelungen ist, in die Konzerthalle einzudringen. Danach müssten in echten Demokratien einige sofort die Verantwortung übernehmen und zurücktreten.
  5. Eigentlich muss das Putin selber, weil Russland Tage vor dem Massenmord durch die Amerikaner vor einem solchen Anschlag (noch dazu während des ohnedies gefährlichen Ramadan!) gewarnt worden ist. Was Putin aber natürlich nicht wird. Ein Bauernopfer in Form eines Rücktritts etwa des Innenministers scheint aber durchaus möglich.
  6. Zusätzlich ganz persönlich peinlich ist es für Putin, dass er sich sogar selbst öffentlich über die amerikanischen Warnungen lustig gemacht und sie als Erpressungen durch Washington hingestellt hat.
  7. Ebenso peinlich ist es für den russischen Sicherheitsapparat, dass sich die US-Geheimdienste neuerlich besser über so bedrohliche Vorgänge in Russland oder im ehemals sowjetischen Tadschikistan – das Moskau ja als seine Einflusssphäre ansieht – informiert gezeigt haben, als es die russischen Spione sind. Die können nur morden und prügeln.
  8. Und der Gipfelpunkt der Peinlichkeit für Putin ist, dass er nun selber zugeben muss, dass die russische Bevölkerung in so schockierender Weise von einem ganz anderen Feind attackiert wird als dem, auf den er ausschließlich seit mehr als zwei Jahren den ganzen Hass der Russen hinzulenken versucht hat. Er hat also bei der Hauptaufgabe jedes Herrschers eindeutig versagt. Das ist der Schutz des eigenen Volkes vor äußeren Feinden.

Nun wird man abwarten müssen, ob es Putin noch einmal gelingt, die eigene Bevölkerung über all diese Ungereimtheiten und Peinlichkeiten hinwegzutäuschen, oder ob dort die Unzufriedenheit jetzt nicht mehr wirklich zu unterdrücken ist und für ihn sowie sein Regime problematisch wird. Und ob er es schafft, die Quadratur des Kreises umzusetzen, die ihm nach drei Tagen eingefallen ist: nämlich den Versuch, wegen des Blutbads neue Aggressions-Energie auf die Ukraine zu lenken, obwohl er selber zugleich zugeben muss, dass es eigentlich Islamisten gewesen sind.

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