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Causa Pilz–Pilnacek: nächste Eskalationsstufe

Der österreichische Justizskandal wird zunehmend auch ein Medienskandal. Denn kaum hat sich Peter Pilz, der frühere Parteichef der jetzigen Justizministerin, Berichterstattung des ORF zu seinen Verschwörungstheorien gewünscht, auf deren Basis dann der ihm und Alma Zadic nicht gerade fernstehende Martin Kreutner eine Anzeige erstattet hat, findet diese schon prominent im ORF und "Standard" statt. Dabei kann jeder Österreicher ständig Anzeigen gegen unbekannte Täter erstatten; sie haben keinerlei Beweiskraft. Rechtskräftige Gerichtsurteile hingegen, die Pilz, aber auch die Justizministerin schwer belasten, werden von diesen "Nachrichten"-Medien grotesker Weise ignoriert. Die "Kronenzeitung" gibt Pilz sogar Raum, etwas zu dementieren, was nie behauptet worden war; sie befragt ihn jedoch nicht zu jenem rechtskräftigen Gerichtserkenntnis, das "im Namen der Republik" seine Aussagen als "unglaubwürdig" bezeichnet. Dieses Erkenntnis hätte eigentlich zwingend ein Strafverfahren gegen Pilz wegen des massiven Verdachts der falschen Zeugenaussage auslösen müssen. Justizministerin Zadic hat ein solches aber bis zur Verjährung der Pilz-Aussagen nicht einleiten lassen. Was eindeutig auf Amtsmissbrauch durch Unterlassung hindeutet.

Zuerst zum Bericht der "Kronenzeitung": Diese zitiert zwar am 26. März, also vorgestern, einige Passagen aus dem Text, der am 7. März im "Tagebuch" erschienen ist (wobei wir beiseite lassen, dass das Boulevard-Blatt dabei selbst zugibt, "Änderungen" an diesem Text vorgenommen zu haben …). Sie ignoriert jedoch interessanterweise den "Tagebuch"-Text vom 22. März, in dem nicht weniger als 28 Merkwürdigkeiten der Zadic-Justiz aufgelistet sind, von denen etliche für Pilz sehr unangenehm sind, und die vor allem großteils aus wörtlichen Zitaten aus Gerichtsurteilen bestehen, die man eigentlich doch selbst am Boulevard für glaubwürdiger und wichtiger halten sollte als Behauptungen eines Mannes wie Pilz.

Statt dessen bringt die Kronenzeitung unkommentiert drei Sätze Dementis von Pilz, die geradezu köstlich sind. Sie werden auch dadurch nicht relevanter, dass das Blatt sie mit dem Wort "Tatsächlich" beginnt. Das ehemals auflagenstarke Boulevardblatt schreibt unter Bezug auf ein Schreiben von Pilz: "Tatsächlich gab es kein Treffen und auch keinen ,Austausch‘ über Inhalte aus dem Strafverfahren." Mag schon sein. Nur hat erstens niemand von einem "Treffen" geschrieben, sondern von einem "Austausch zwischen (dem Kurz-Richter und damaligen Eurofighter-Staatsanwalt) Radasztics und Pilz außerhalb der gewöhnlichen Zeugenvernehmung". Und einen solchen Austausch hat es eindeutig mehrmals gegeben. Zweitens stand im "Tagebuch" nichts davon, dass es dabei um "Inhalte aus dem Strafverfahren" gegangen sei. Vielmehr stand ausdrücklich zu diesem merkwürdigen Austausch: "Dessen Inhalt ist aber nie bekannt geworden."

Dass dieses Pilz-"Dementi" also schon im ersten Satz völlig ins Leere geht, hätte auch einem Krone-Redakteur eigentlich auffallen können. Selbst wenn er nicht die Aussage der einst für die Causa Eurofighter (in die sich ihr formeller Vorgesetzter Radasztics damals eingemischt hat) zuständigen Staatsanwältin gekannt hat. Diese sagte nämlich in ihrer Zeugenvernehmung vom 26. Februar 2019 unter Wahrheitspflicht laut Gerichtsprotokoll auf die Frage, ob sie "Wahrnehmungen zu einem allfälligen Naheverhältnis zwischen Mag. Radasztics und Dr. Pilz" habe, wörtlich:

"Konkret befragt ist mir noch erinnerlich, dass Mag. Radasztics nach einem gemeinsamen Termin mit mir beim Rechnungshof mit Dr. Pilz telefoniert hat. Ich weiß aber nicht mehr, wer wen angerufen hat. Ich habe Wahrnehmungen dazu, dass auch Kontakt zwischen den beiden im Rahmen der Strafsache gegen Hubert H. bestand."

Weiters verwies sie auch auf das seltsame Zustandekommen des ursprünglich von ihr selbst als eigentlich zuständiger Staatsanwältin festgesetzten Pilz-Vernehmungstermins. Dieser ist jedoch vom übergeordneten Radasztics im Alleingang auf den 20. Dezember 2018 verschoben worden, ganz offenbar deshalb, damit er da dabei sein kann.

Die erwähnte Strafsache H. ist Teil des Eurofighter-Verfahrenskomplexes. Die Angaben der Staatsanwältin belegen daher nicht nur den im "Tagebuch" berichteten "Austausch", sondern sie legen sogar einen inhaltlichen Austausch über den Eurofighter-Verfahrenskomplex nahe. Schließlich war ja auch die Weisung Inhalt des Eurofighter-Strafverfahrens (das nach Jahren ergebnislos endete).

Der zweite Satz von Pilz bezieht sich auf seine einstige parlamentarische Anfrage über eine Weisung aus dem Justizministerium, Akten (mit militärischen Geheimnissen) an das Verteidigungsministerium zurückzustellen; wobei er jetzt behauptet, dass er schon "vor" seinem Gespräch mit Radasztics von der Weisung gewusst hätte.

Auch dem steht absolut diametral die Aussage der Staatsanwältin gegenüber, die teilweise Zeugin des Gesprächs Pilz-Radasztics im Anschluss an die eigentliche Vernehmung geworden war. Das Gericht hat zur Gänze der Staatsanwältin geglaubt und nicht dem Politiker. Sie sagte wörtlich aus, dass Pilz überrascht auf die Information durch Radasztics reagiert hat:

 "Sicher bin ich mir aber über die geschilderte Reaktion des Dr. Pilz, dass dieser nämlich überrascht auf die Aussage des Mag. Radasztics reagierte und mit seiner Aussage ,Oh, das interessiert mich jetzt aber‘ eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass ihm diese Information noch nicht bekannt war. Auch bin ich mir sicher, dass sich Dr. Pilz auf einem vor ihm liegenden Zettel das Wort Weisung aufgeschrieben hat."

Pilz hätte sich wohl kaum an jenem 20. Dezember 2018 das Wort "Weisung" notiert, wenn ihm zu diesem Zeitpunkt eine Weisungserteilung bereits bekannt gewesen wäre!

Pilz gab in seiner Zeugenvernehmung vom 26. Februar 2019 "Auf Vorhalt der Aussage des Mag. Radasztics zu unserem Telefonat vom 21.12.2018", also einen Tag nach(!!) jener Zeugenvernehmung bei Radasztics, weiters an: "Ich habe ihn wahrscheinlich angerufen, um zu hinterfragen, mit welcher Begründung Mag. Pilnacek die gegenständliche Weisung zu begründen versuchte."

Also eindeutig ein weiterer Austausch.

Aus der von Pilz selbst veröffentlichten Handy-Auswertung "Radasztics" ergibt sich, dass der telefonische Kontakt am 21. Dezember 2018 um 12,35 Uhr stattgefunden hat. Die parlamentarische Anfrage wurde laut Parlaments-Homepage genau eineinhalb Stunden später um 14,05 Uhr eingebracht ...

In dieser Parlamentsanfrage nimmt Pilz sogar ausdrücklich auf die Begründung der Weisung Bezug, die ja nach seiner eigenen Zeugenaussage Gegenstand des Telefonats zwischen ihm und Radasztics gewesen ist: "Ist es richtig, dass als Begründung für die Zurückforderung der Unterlagen deren Bedeutung für die ,nationale‘ und die ,militärische‘ Sicherheit sowie die umfassende Landesverteidigung angeführt wurde?"

Das, was Pilz im Schreiben an die Kronenzeitung neuerlich behauptet, ist jedenfalls schon am 23. Mai 2023 vom Oberlandesgericht Graz "Im Namen der Republik" (im Disziplinarverfahren gegen Radasztics) rechtskräftig als "unglaubwürdig" bezeichnet worden. Das Gericht kam vielmehr eindeutig zur Überzeugung, dass es Radasztics gewesen ist, der Pilz – rechtswidrig – über jene Weisung informiert hat. Das bedeutet nichts anderes als die Tatsache, dass Pilz damit in massivem Verdacht steht, falsch ausgesagt zu haben.

Diese Tatsache ist aber von den Justizbehörden erst Monate später und zwar genau an jenem Tag im offiziellen Rechtsinformationssystem veröffentlicht worden, da das Delikt verjährt ist. Das aber wieder rückt die Justizministerin und alle Staatsanwälte, die schon vor der Veröffentlichung Kenntnis von diesem Vorwurf hatten, ebenso massiv in einen ganz anderen Verdacht: nämlich den des Amtsmissbrauches durch Unterlassung. Sie haben pflichtwidrig (gegen das Offizialprinzip!) kein Verfahren gegen Pilz begonnen. Dieser Verdacht ist aber noch keineswegs verjährt!

All diese rechtlich unangreifbaren und ungeheuerlichen Fakten sind jedoch weder dem ORF noch der Kronenzeitung der Erwähnung wert. Sie halten vielmehr eine auf Veröffentlichungen ausgerechnet dieses Peter Pilz zurückgehende Anzeige (wie sie jedermann erstatten kann, so natürlich auch ein Vertrauensmann der Justizministerin) für relevanter als Gerichtserkenntnisse im Namen der Republik, die eine Ministerin, einen Ex-Abgeordneten und mehrere Staatsanwälte konkret belasten.

Diese Kreutner-Anzeige ist ganz eindeutig ein Manöver zur Ablenkung von den genannten Fakten. Sie wird mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit nie zu irgendeiner Verurteilung führen. Dabei geht es darum, dass die Polizei bei jener Freundin des ums Leben gekommenen Sektionschefs Pilnacek, zu der dieser offenbar unterwegs war (und die sich nun auffallend in den Vordergrund drängt), unmittelbar nach seinem Tod Schlüssel, Handy und Computer Pilnaceks gesucht hat. Pilz & Co knüpfen daran die Verschwörungstheorie, dass die Polizei danach gesucht hätte, um irgendetwas – natürlich im Auftrag der ÖVP – zu vertuschen.

Tatsache, ist jedoch, dass die Polizei rechtlich dazu absolut die Befugnis, ja sogar die Pflicht hat, alles sofort und umgehend sicherzustellen, was mit einem noch nicht hundertprozentig geklärten Todesfall eines Prominenten zu tun hat. Und zwar auch ohne dazu langwierig auf einen Auftrag durch einen Staatsanwalt warten zu müssen (das glauben nur Pilz und Kreutner).

Diese Nebelgranate soll aber ganz offensichtlich von den oben skizzierten Belastungen ablenken. Sie lenkt aber möglicherweise auch noch von einem anderen Umstand ab: Der Computer Pilnaceks ist derzeit anscheinend unauffindbar. Weder hat ihn die Freundin herausgegeben noch war er im Auto oder in der Wohnung des ums Leben gekommenen Spitzenjuristen zu finden.

Ich wäre freilich – vorsichtig ausgedrückt – nicht sonderlich überrascht, wenn der Computer eines Tages in den Händen jener Kreise auftauchen sollte, die Pilnacek einst schon durch – mindestens zwei – heimliche Abhöraktionen Fallen stellen wollten. Die dabei entstandenen Tonaufnahmen sind dann wieder von Zadic als Vorwand für die Einsetzung der skurrilen Kreutner-Kommission genutzt worden, die jetzt gleichsam Pilnacek post mortem zum Bösewicht zu machen versucht, weil er als Sektionschef mit oft energischen Worten seiner Aufsichtspflicht über die immer wieder negativ auffallende, völlig einseitig vorgehende, viel zu langsam arbeitende und daher von ihm mehrfach kritisierte WKStA nachzukommen versucht hat.

Der zweite Aspekt der Verschwörungstheorien von Pilz und Genossen ist der Umstand, dass die Polizei keine Obduktion des ums Leben gekommenen Pilnacek veranlasst hat, sondern dass erst die Staatsanwaltschaft das getan hat, die ein Verfahren gegen unbekannte Täter eingeleitet hat. Tatsache ist freilich, dass nicht einmal ein einziges Indiz bekannt ist, das auf irgendein Fremdverschulden oder auch nur die Involvierung einer anderen Person hindeuten würde. Daher ist doppelt skurril, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren "wegen fahrlässiger Tötung"(!!) eingeleitet hat. Das ist jenes Strafdelikt, das zur Anwendung kommt, wenn jemand im Straßenverkehr nicht aufpasst, wodurch eine andere Person ums Leben kommt ...

Freilich ist auch nicht eindeutig klar, ob Pilnacek wirklich Selbstmord begangen hat, nachdem er beim alkoholisierten Autofahren erwischt worden war. Denn eigentlich wäre es viel logischer gewesen, sich ins tiefe Wasser des Stromes zu stürzen, wenn man sich wirklich das Leben nehmen will. Pilnacek wurde hingegen in den flachen Donauauen gefunden. Dort hat er in seiner Verzweiflung ein paar Zigaretten geraucht, nachdem er nun erstmals wirklich ein Delikt gesetzt hatte, das ein Disziplinarverfahren rechtfertigt (eben das alkoholisierte Autofahren samt Führerschein-Abnahme), nachdem die Zadic-Justiz ihn solange zu Unrecht mit einem solchen Verfahren verfolgt hat. Außerdem kursieren in jener Region Gerüchte, dass seine "Freundin" ihn in dieser Situation nicht sonderlich liebevoll aufgenommen haben soll. Das könnte ein zusätzliches Motiv gewesen sein, nächtens noch einmal wegzugehen und (nicht gerade nüchtern) durch die Auen zu stolpern. 

Mit den Details vertraute Personen halten einen Unfall daher für wahrscheinlich. Darauf deuten auch Verletzungen an seinen Beinen hin, die zwar nicht tödlich gewesen waren, die aber – zusammen mit seiner Alkoholisierung – von einem nächtlichen Stolpern und Sturz stammen könnten.

PS: Mit dem dritten Dementisatz könnten Pilz und Kronenzeitung formal sogar Recht haben: "Auch hier gab es kein Treffen zwischen Pilz und der Justizministerin Zadic". Abgesehen von der mehr als rätselhaften Einschränkung durch das Wort "hier" gibt es tatsächlich keinen direkten Beweis für solche Treffen, sondern nur vertrauliche Aussagen von Spitzenjuristen, die Pilz mehrfach im Justizministerium gesehen haben. Da aber mehrere Pilz-Freunde im Kabinett von Zadic tätig sind, kann es leicht sein, dass er formell nur bei Kabinettsmitarbeitern einen Termin hatte, zu dem dann ganz zufällig – in Wahrheit verabredet – Zadic gestoßen ist. Auch der Tagebuch-Autor hat in seinem Journalistenleben mehrfach solche indirekte und vertrauliche Minister-Treffen gehabt, die nie in einem Minister-Terminkalender aufgeschienen waren. Denn zu einem solchen Kalender haben allzuviele Menschen Zugriff  ... 

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