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28 neue Merkwürdigkeiten der Zadic-Justiz

Rund um den Kurz-Richter Michael Radasztics, rund um ein Disziplinarverfahren in der Staatsanwaltschaft, rund um das Monsterverfahren gegen Karl-Heinz Grasser und rund um die von einem (anderen) Gericht in einem Urteil als "unglaubwürdig" bezeichneten Aussagen von Peter Pilz, des früheren Fraktionskollegen der Justizministerin Zadic und Justiz-"Informanten", sind nun weitere extrem seltsame Merkwürdigkeiten bekanntgeworden. Dabei geht es insbesondere um die Tatsache, dass mehrere hohe Funktionäre der Justiz in Verdacht des Amtsmissbrauchs durch Unterlassung stehen, weil sie entgegen dem dazu verpflichtenden Offizialprinzip eine rechtzeitige Anzeige unterlassen haben. Das alles fügt sich geradezu nahtlos in eine lange Liste extrem bedenklicher Vorgänge rund um das Justizministerium im Bereich Strafrecht.

Die wichtigsten neuen Aspekte:

  1. Richter Michael Radasztics wurde im Vorjahr zu einer Disziplinarstrafe von einem halben Monatsgehalt wegen der "Kumulierung von Pflichtverletzungen verschiedener Art über einen mehrjährigen Zeitraum (April 2012 bis Jänner 2019)" in seiner früheren Tätigkeit als Staatsanwalt verurteilt. Das Oberlandesgericht Graz hielt in seinem Disziplinarerkenntnis über Radasztics fest, "dass er durch sein Verhalten die allgemeinen Pflichten eines Staatsanwalts, die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung unverbrüchlich zu beachten, die Pflichten seines Amtes gewissenhaft zu erfüllen und sich im Dienst so zu verhalten, dass das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen seines Berufsstandes nicht gefährdet wird, verletzt". Eine eigentlich vernichtende Formulierung.
  2. Schon diese Verurteilung müsste eigentlich reichen, dass dieser Jurist keinesfalls geeignet sein kann, ausgerechnet den politisch heikelsten Prozess der letzten Jahrzehnte gegen einen (Ex-)Bundeskanzler zu leiten. Das ist zumindest als klare Verletzung der ständigen Judikatur des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs erkennbar: "Justice must not only be done, but also seen to be done."
  3. Dramatisch verschlimmernd kommt hinzu, dass Radasztics diese schuldhafte Pflichtverletzung ausgerechnet zum massiven Nachteil von Karl-Heinz Grasser begangen hat, also ausgerechnet jenes Politikers, der zusammen mit Sebastian Kurz, über den er nun (als Einzelrichter!) geurteilt hat, nach Wolfgang Schüssel der politisch weitaus erfolgreichste ÖVP-Exponent des letzten halben Jahrhunderts gewesen ist. Also auch aus diesem Aspekt geht eine massive (wenn auch vielleicht nicht nach österreichischem Prozessrecht formaljuristische, so doch im Sinne der zitierten EGMR-Judikatur eindeutige) Unvereinbarkeit hervor. Dennoch hatte er den Kurz-Prozess übernommen. Radasztics hat sich ganz offensichtlich auf die Jagd gegen die ÖVP spezialisiert.
  4. Selbst, wenn es nicht um Grasser gegangen wäre, so ist es ein Riesenskandal, dass ein Staatsanwalt sieben Jahre einen Schattenakt führt, ohne den Beschuldigten pflichtgemäß darüber und über seine Rechte zu informieren.
  5. Grasser konnte, so das Oberlandesgericht Graz, wegen des Vorgehens von Radasztics, also "wegen Unkenntnis des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens weder sein Recht auf Mitwirkung am gesamten Verfahren und rechtliches Gehör … noch sonstige nach dem Gesetz eingeräumte situationsbedingte Verfahrensrechte im Sinn des §49 StPO ausüben, insbesondere etwa durch einen Antrag auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach §108 StPO oder Einspruch wegen Rechtsverletzung nach §106 StPO eine gerichtliche Überprüfung der Vorgangsweise" von Radasztics erwirken.
  6. Radasztics hat durch Nichtoffenlegung des gegen ihn ergangenen Disziplinarerkenntnisses – obwohl die Kurz/Bonelli-Verteidiger diesbezügliche Anträge gemacht haben – haargenau das getan, was er Kurz in seinem Urteil vorgeworfen hat, nämlich nicht vollständig und präzise genug zu antworten. Dabei ist ein Disziplinarerkenntnis ein viel eindeutigeres Faktum, als es die vielen internen Gespräche rund um die Bestellung von Aufsichtsräten in einer Koalition sind.
  7. Besonders pikant ist auch, dass durch Nichtoffenlegung dieses Schattenaktes auch der Parlamentarische Untersuchungsausschuss in Sachen Eurofighter (2017) nicht vollständig informiert worden ist.
  8. Mindestens genauso problematisch ist die Kooperation von Radasztics mit dem damaligen Fraktionskollegen der jetzigen Justizministerin, also mit Peter Pilz. Er hat diesem "amtsgeheime Informationen" weitergeleitet (es ging um die Rückforderung sicherheitsrelevanter Geheiminformationen zum Eurofighter durch das Verteidigungsministerium, die dann als Weisung des Ministeriums an Radasztics weitergeleitet worden waren, über die Pilz von Radasztics informiert wurde).
  9. Genau zu dieser Information hat Pilz tags darauf eine Parlamentarische Anfrage gestellt.
  10. Der Gipfel der Pikanterie: Diese Anfrage hat Pilz gemeinsam mit Alma Zadic eingebracht, die später als Justizministerin just für die Aufsicht in diesem Verfahren zuständig war.
  11. Es gab auch sonst Telefonate zwischen Pilz und Radasztics außerhalb des rechtlich vorgeschriebenen Wegs des Umgangs zwischen einem Staatsanwalt und einem Zeugen.
  12. Noch unglaublicher ist die Art, wie jener Kontakt überhaupt zustandegekommen ist, bei dem Radasztics die oben genannte Information an Pilz weitergeleitet hat. Denn eigentlich war eine andere, Radasztics unterstehende Staatsanwältin für die Vernehmung von Pilz zuständig. Sie wollte Pilz zu einem Termin vernehmen, zu dem Radasztics aber auf Urlaub gehen wollte. Die Zeugenaussage der Staatsanwältin: "Daraufhin hat Mag. Radasztics, wohl ohne mich zu informieren, den Vernehmungstermin für den 20.12.2018 vereinbart und mir dies erst nach Fixierung dieses Termins fast schon nebenbei mitgeteilt."
  13. Diese Staatsanwältin war dann aber bei diesem Termin dennoch anwesend und sagt dann später als Zeugin unter Wahrheitspflicht: "Ich weiß aber mit Sicherheit, dass Mag. Radasztics von sich aus Dr. Pilz erzählte, dass er eine Weisung erhalten habe." Darauf habe Pilz wörtlich erwähnt: "Oh, das interessiert mich jetzt aber."
  14. Pilz selber spricht hingegen von einem Vier-Augen-Gespräch mit Radasztics im Anschluss an seine Zeugenvernehmung vom 20.12.2018: "Ich glaube, dass das Vier-Augen-Gespräch im Anschluss an meine Vernehmung auf Initiative des Mag. Radasztics stattgefunden hat; ich bin mir diesbezüglich aber nicht völlig sicher."
  15. Vor allem aber einen krassen Gegensatz zur zuvor zitierten Staatsanwältin steht die Behauptung von Pilz bei seiner Aussage (unter Wahrheitspflicht!) am 26.2.2019, dass er schon vor dem Gespräch mit Radasztics von der Weisung gewusst hätte, wonach die Akten zurückzugeben seien. Pilz: "Er hat mir gegenüber eigentlich nur die Existenz dieser Weisung bestätigt." Außerdem sei während des ganzen Gespräches mit Radasztics "zu hundert Prozent niemand sonst im Raum" gewesen.
  16. Das Disziplinargericht (gegen Radasztics) hat diese Aussage von Pilz als "unglaubwürdig" bezeichnet. Das rückt Pilz massiv in den Verdacht der falschen Aussage.
  17. Das aber ist erst genau fünf Jahre nachher im RIS veröffentlicht und dadurch bekannt geworden – also genau nach Verjährung der mutmaßlichen Falschaussage.
  18. Das kann man natürlich auch als ganz blöden Zufall und enormes Glück für Pilz sehen, wenn man so will.
  19. Weniger glücklich ist das für alle in den Monaten davor damit befassten Richter und Staatsanwälte. Denn eigentlich wären sie von Amts wegen verpflichtet gewesen, wegen des immerhin auf einem Gerichtsurteil beruhenden Verdachts der falschen Zeugenaussage selbst Anzeige zu erstatten. Während Privatpersonen nicht zu einer Verfolgung oder Anzeige eines Delikts verpflichtet sind, sind das Amtsträger ganz eindeutig. Keiner aber hat das getan.
  20. Insbesondere Justizministerin Zadic selbst wäre als oberste Disziplinarbehörde der Justiz jetzt ob dieser Unterlassung zu einer Anzeige verpflichtet. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie gegen den darob zu Tode gekommenen Sektionschef Pilnacek und den Leiter der Wiener Oberstaatsanwaltschaft Fuchs in anderen Zusammenhängen extrem hart mit Straf- und Disziplinaranzeigen sowie Suspendierungen vorgegangen ist.
  21. Auffällig ist auch, dass die beiden Ankläger der WKStA im Verfahren gegen Kurz und seinen Kabinettschef Bonelli sowie die Leiterin dieser WKStA in dem von Zadic betriebenen Justiz-Streit gegen Fuchs und Pilnacek just von einem Rechtsanwalt vertreten wurden, der auch schon Peter Pilz vertreten hat. Das ist zwar nicht rechtswidrig, erinnert aber daran, wie sich die Linke in der Justiz maßlos darüber aufgeregt hatte, dass der Strafverteidiger Manfred Ainedter, der auf der Kurz-Seite tätig gewesen ist, einmal auch die von Zadic aus dem Amt gemobbte Rechtsschutzbeauftragte der Justiz beraten hat.
  22. Radasztics ist am Beginn des Jahres 2023 in den Richterdienst gewechselt. Das ist vorsichtig ausgedrückt mehr als auffällig und nach Experten-Aussagen "völlig unüblich", war doch das Disziplinarverfahren gegen ihn damals schon (oder noch) anhängig. Die Möglichkeit, dass ein Staatsanwalt, gegen den ein Disziplinarverfahren anhängig ist, in den Richterdienst übernommen werden kann, ist jedenfalls und auch unabhängig vom konkreten Fall ein skandalöser Missstand in der Justiz. In der Amtsperiode Zadic ist so etwas jedoch offensichtlich möglich (geworden), was vorher nach der Erinnerung von befragten Justizexperten nie passiert ist.
  23. Keinen direkten Beweis gibt es, dass Radasztics gezielt für den Kurz-Prozess eingeteilt worden ist. Richter werden ja eigentlich nach Zufallsprinzip eingeteilt. Jedoch versichern mehrere Justizexperten, dass es mit gewissen Tricks durchaus möglich scheint zu steuern, wer ein Verfahren leitet. Etwa indem man sich in der Kanzlei erkundigt, wer denn "frei" sei, um dann gezielt an diesem Tag die Anklage einzubringen oder dies eben noch eine Zeitlang zu verzögern.
  24. Im Dezember 2023 zogen sowohl Radasztics als auch die Oberstaatsanwaltschaft Graz (diese hätte ebenfalls berufen können, weil nicht all ihre Anträge vom Gericht übernommen worden waren) ihre Berufungen gegen das Disziplinarerkenntnis gleichzeitig zurück. Das geschah also zu einem Zeitpunkt, da das Kurz/Bonelli-Verfahren bei Radasztics bereit im Gang war. Das wurde in diesem Verfahren aber ebenfalls verschwiegen.
  25. Hierbei ist besonders auffallend, dass die Zurückziehung der Berufung durch die Oberstaatsanwaltschaft Graz absolut unüblich ist und nicht nur mit Radasztics, sondern vor allem auch mit Zadic als oberster Disziplinarbehörde abgestimmt gewesen sein muss.
  26. Hinzu kommt, dass der dafür verantwortliche Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Graz just mit jener Sachbearbeiterin der WKStA verheiratet ist, deren Name auf dem Strafantrag gegen Kurz steht, und die auch immer wieder beim Prozess gegen Kurz als Zuhörerin anwesend war, wenngleich sie interessanterweise nicht mehr selbst vorne auf der Anklägerbank gesessen ist. Das ist übrigens auch ein interessanter Gegensatz zur ständigen Klage der WKStA, zu wenig Staatsanwälte zu haben (Anmerkung: Die beiden haben zwar unterschiedliche Familiennamen, es ist aber in der Justiz bekannt, dass sie verheiratet sind und auch ein gemeinsames Kind haben).
  27. Radasztics hat also nicht nur seine Disziplinarverurteilung verschwiegen, sondern auch den Umstand, dass der Ehemann der Kurz-Anklägerin eine wichtige Funktion in diesem Disziplinarverfahren hatte.
  28. Außerdem hat Radasztics in seiner Begründung für die Ablehnung des vom Kurz-Verteidiger gestellten Befangenheitsantrags seine Kontakte zu Pilz extrem heruntergespielt, also die Verfahrensparteien nicht vollständig informiert. Das alles könnte einen weiteren Befangenheitsgrund darstellen.

Das ist ganz schön viel an zum Teil problematischen, zum Teil dubiosen, zum Teil wirklich unfassbaren Problempunkten in der Justiz, die zu all den anderen, im Tagebuch in der Vergangenheit schon aufgespießten Skandalen dazu kommen (bitte diese einfach im Tagebuch unter "WKStA" suchen. Sie füllen fast schon ein ganzes Buch).

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