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Der offensichtliche Selbstmordversuch der deutsch-österreichischen Journalistin Alexandra Föderl-Schmid scheint relativ glimpflich abgelaufen zu sein. Aber es ist noch offen, ob der Sturz ins kalte Wasser bleibende Schäden hinterlassen hat. Hoffen wir, dass das nicht so ist. Jenseits der persönlichen Ebene gibt der Fall Anlass zu einigen sehr grundsätzlichen Überlegungen. Gleich auf mehreren Ebenen.
Es sollte für uns alle ein Alarmsignal sein, dass sich ähnliche Verzweiflungstaten bei Personen gehäuft haben, die befürchtet haben, dass ihre berufliche Existenz durch gezielte öffentliche Hetze zertrümmert worden ist. Noch schlimmer ist, dass der Anlass der Hetze gegen einzelne dieser Personen oft kein sonderlich gravierender Fehler gewesen oder gar überhaupt nur aus parteipolitischem Hass erfunden worden ist.
Nächste Tatsache ist, dass die Zahl der Personen des öffentlichen Lebens noch viel größer ist, die ebenfalls Ziel solcher flächendeckenden Attacken geworden sind, die aber psychisch robust genug waren, dass das Ganze nicht fatal geendet hat.
Zwar sind die anonymen Attacken in Chat-Foren oft sehr schlimm. Aber diese kann man ignorieren. Die wirklich treffenden Geschütze sind praktisch immer in klassischen Redaktionen oder Parteisekretariaten gestanden. Daher stimmt das Gerede nicht, dass alles nur durch das Internet so schlimm geworden sei.
Es kann dabei überhaupt keinen Zweifel geben, dass in den meisten Diffamierungskampagnen die Geschoße von links gekommen sind.
Rund um Corona hatte sich die Aggressivität der Kampagnen von beiden Seiten gesteigert. Sowohl die Impfgegner wie auch ihre Gegner beschimpften sich gegenseitig als Mörder.
Dass aber nun ausgerechnet die stellvertretende Chefredakteurin der "Süddeutschen Zeitung" Objekt einer solchen Kampagne war, ist der Gipfelpunkt des Grotesken. Denn gerade diese Zeitung war immer zentrale Waffe, mit der Schüsse aus dem Dunkel abgegeben worden sind. Sie hat dabei immer Politiker rechts der Mitte getroffen:
Bei Föderl-Schmid ging es nicht um Corona oder Justizintrigen oder um Parteienkampf, sondern um das Stichwort Plagiat, um den Vorwurf, dass sie einst bei ihrer Dissertation wie auch in ihrer journalistischen Arbeit zu viel und ohne Kennzeichnung abgeschrieben hat. Wegen dieser Vorwürfe hat sie sich zuerst bei der "Süddeutschen Zeitung" von ihrer Funktion als stellvertretende Chefredakteurin zurückgezogen, dann wurde eine externe Kommission eingesetzt.
Geradezu lächerlich ist der Versuch der Linken, die Vorwürfe gegen Föderl durch den Hinweis abzuwehren, das Plagiatsgutachten gegen ihre Dissertation bei dem bekannten Plagiatsjäger Stefan Weber sei von der rechts der Mitte stehenden Nachrichten-Plattform "Nius" bezahlt worden. Das ändert aber in der Sache absolut nichts. Weber sagte überdies, dass er selbst Nius um Finanzierung des Gutachtens ersucht habe, nachdem zuvor ein unabhängiger Medienbranchendienst die Vorwürfe veröffentlicht hatte, dass Föderl-Schmids Artikel oft total jenen Texten glichen, die tags davor der "Spiegel" veröffentlicht hatte.
Gäbe es nicht so dramatische Folgen, dann wäre die Empörung der linken Medien als die übliche Heuchelei abzulegen. Denn bei den ersten Opfern von Weber hatte sich nie jemand dafür interessiert, wer denn die Plagiatstudien in Auftrag gegeben und bezahlt hatte. Denn die ersten Opfer waren durch die Bank konservative Politiker: So die österreichische Arbeitsministerin Christine Aschbacher und der steirische Landesrat Christian Buchmann, so der deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und die deutsche Bildungsministerin Annette Schavan.
Bei diesen ÖVP-, beziehungsweise CDU-Politikern war die Empörung aller linken Zeitungen über deren einstiges Hochschulschwindeln stets gewaltig. Alle vier mussten zurücktreten. Viermal gingen zum Teil vielversprechende Karrieren abrupt zu Ende. Zweifellos viermal bedauerliche Schicksale.
Erst später reihten sich auch linke Persönlichkeiten an diese Reihe. Die weltweit bekannteste davon war vor wenigen Wochen die Harvard-Präsidentin Claudine Gay. Nach einem peinlichen Auftritt vor dem US-Kongress kamen ihre einstigen Uni-Werke unter die Lupe und das Wort "Plagiat" in viele Medien.
Wie aber sind all diese Plagiats-Rücktritte zu beurteilen, auch wenn die nicht so fatal geendet sind wie im Fall der Föderl-Schmid? Wie ist diese insbesondere durch Weber – der daraus einen Geschäftszweig gemacht hat – losgetretene Lawine an Plagiatsgutachten zu bewerten?
Die Antwort bewegt sich auf mehreren Ebenen:
In diesem Zusammenhang fällt mir eine einstige Kollegin ein, deren Diplomarbeit mit der Bemerkung "zu journalistisch" zurückgeworfen worden ist (Der Professor wusste um ihren Beruf). Daraufhin fügte sie ein paar Dutzend Fußnoten ein und verwandelte einfache Sätze in Schachtelsätze und schon war sie Magister (Noch grotesker ist, wenn Professoren mit Konzentration auf das Unwesentliche eine Arbeit zurückschmeißen, weil sie nicht gegendert ist …).
Zurück zu Alexandra Föderl-Schmid: Hätten also nicht die Linke und ihre Zeitungen einst immer laut vor Empörung aufgeheult, wenn bürgerliche Politiker beim Jahrzehnte zurückliegenden Plagiieren auf der einstigen Uni erwischt worden sind, müsste man ungebrochenes und reinstes Mitleid mit ihr haben.
Die zweite Ebene ihres Falls ist der Vorwurf des journalistischen Abschreibens. Das ist in diesem Beruf wohl noch viel häufiger als auf universitärer Ebene, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Ich war zwei Jahrzehnte Auslandsjournalist. Da war es ganz klar, selbstverständlich und notwendig, dass die lokalen Zeitungen eine zentrale Informationsquelle gewesen sind, wenn man aus einem anderen Land zu berichten hatte. Und selbstverständlich hat man da nicht ständig dazugeschrieben: Diese Information stammt aus der (in Österreich oft unbekannten) Zeitung X, jene aus der (oft unbekannten) Zeitung Y. Das hätte die Leser nur genervt. Wichtig war, dass man ein stimmiges Bild des Landes gezeichnet hat, dass man Quellen nach ihrer Vertrauenswürdigkeit zu behandeln versucht hat, dass man das Wichtigste aus möglichst vielen Details zusammenstellt.
Andererseits hat es uns immer geärgert, wenn wir eine interessante Nachricht erfahren haben – und diese dann binnen weniger Stunden ohne Quellenangaben in anderen Medien gestanden ist. Freilich haben das auch wir des Öfteren gemacht.
Besonders mieser Journalismus ist es aber eindeutig, wenn es stimmt, dass Föderl-Schmid in der "Süddeutschen" regelmäßig Artikel aus dem "Spiegel" abgeschrieben hat, ohne ihn zu zitieren. Das soll jetzt eine Kommission überprüfen. Im eigenen Land ist solch plumpes Abschreiben nicht nur unfair, sondern auch dumm. Es ist freilich nur schwer vorstellbar, dass das bei einer so prominenten Abschreibvorlage nicht längst aufgefallen wäre, Lesern wie Kollegen.
Freilich – so mein Verdacht – könnte es Kollegen ohnedies durchaus aufgefallen sein. Aber da man eine Vorgesetzte kaum zu kritisieren wagt, hat man, hat man, hat wahrscheinlich ein missgünstiger Kollege halt die Hinweise über den Branchentratschdienst an die Öffentlichkeit gebracht. Das ist nicht die feine Art.
Aber gerade von der Linken sind ja "Whistleblower", die genau dasselbe gegen die eigenen Firmenchefs machen sollen, was jetzt jemand gegen Föderl-Schmid getan hat, in den letzten Jahren zur Ehre der Altäre erhoben und auch vielfach gesetzlich geschützt worden. Deshalb sind die Aktionen der "Süddeutschen" infam, mit Überwachungsmethoden nach dem Whistleblower zu suchen, der über den Inhalt von Redaktionskonferenzen berichtet hat.
PS: Ganz am Rande sei eine persönliche Episode erzählt, die etliche Jahre zurückliegt. Es ging um einen Gastkommentar eines Strafverteidigers in der von mir geleiteten Zeitung. Dieser löste eine aus der Parteizentrale organisierte wochenlange Kampagne einer SPÖ-Organisation nach der anderen aus. Einziger "Grund" der Attacken war, dass dieser Strafverteidiger davor Klienten verteidigt hatte, die in den Augen der SPÖ der Inbegriff des politisch Bösen waren. Als ob es nicht schon seit dem 19. Jahrhundert ein absolutes Grundrecht ist, dass selbst der ärgste Verbrecher Anspruch auf einen Rechtsbeistand hat. Aber in Wahrheit ging das Ziel der Attacken natürlich nur gegen meine Person. Interessant ist aber auch die Schlusspointe: Diese Kampagne hörte schlagartig auf, als Gerfried Sperl, der Vorgänger Föderl-Schmids an der Spitze des "Standard", überraschenderweise einen großen Kommentar zu meiner Verteidigung verfasst hat (ohne dass wir davor irgendeinen Kontakt gehabt hatten). Das hat ihn im SPÖ-Zentralsekretariat nicht sehr beliebt gemacht, ihm aber dafür meine große Dankbarkeit eingebracht.
PPS: Noch eine persönliche Bemerkung: Als Jurist der alten Studienordnung lässt mich das Stichwort "Plagiat" zum Glück gut schlafen: Wir mussten "nur" sechs schwere mehrstündige mündliche Prüfungen absolvieren, aber im Gegensatz zu heute und den meisten anderen Studienrichtungen nie eine große Arbeit schreiben, die heute in Uni-Bibliotheken zu finden wäre. Und meine Studien in Volkswirtschaft und Politikwissenschaft, wo ich das tun hätte müssen und wahrscheinlich auch bisweilen Passagen irgendwo abgeschrieben hätte, habe ich nie abgeschlossen ...