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Leidet Europa an kollektiver Faulheit?

Man macht sich unbeliebt, wenn man das so direkt sagt. Aber dennoch: Wir leiden an kollektiver Faulheit. Das stürzt uns in einen ständig stärker werdenden Strudel wirtschaftlicher und sozialer Probleme, aus dem wir uns nur noch sehr mühsam mit einer großen Kraftanstrengung befreien werden können.

Gewiss: Es gibt tolle Ausnahmen, Unternehmer, Facharbeiter, Forscher, Familien, die das Rad in Gang halten. Aber der große Trend zeigt in eine andere Richtung. Ein paar konkrete Beweisstücke:

  • Immer öfter taucht in Gesprächen mit jungen Menschen das Verlangen "Work-Life-Balance" auf, was ja nichts anderes heißt als: weniger arbeiten. Das scheinen sich viele Junge auch leisten zu können, da "dank" der Demographie der Konkurrenzdruck am Arbeitsmarkt abnimmt.
  • In Aufnahmegesprächen wird immer öfter der Wunsch nach häufigem Home-Office gestellt, das sich aber in der Praxis oft als Möglichkeit zum Arbeitszeit-Betrug wie auch innovationshemmend erwiesen hat und das dem Arbeitgeber mehr Koordinationsaufwand abverlangt (wenn es auch den Vorteil hat, dass man Büroflächen einsparen kann).
  • Von Gewerkschaftsseite wird immer intensiver eine weitere Arbeitszeitreduktion verlangt.
  • Alle Notwendigkeiten, den Pensionsanspruch einer deutlich länger lebenden Generation nach hinten zu verschieben, werden ignoriert, weil die Parteien glauben, sonst Wahlen zu verlieren.
  • In vielen Schulen ist seit vielen Jahren die Forderung nach Leistung zurückgedrängt und durch die Wohlfühlschule sowie die Einführung von mehr Freizeit ersetzt worden.
  • Und letztlich gehören auch die alljährlich wachsenden öffentlichen Schuldenstände in diese Liste, die ja nichts anderes bedeuten als eine kollektives "Konsumiere jetzt, zahlen sollen dann die anderen später".

Das sind gewaltige kulturelle Entwicklungen. Es wäre naiv, sie nur einzelnen Politikern oder Parteien in die Schuhe zu schieben. Niemand soll auch glauben, es ginge bloß um ein Jammern auf hohem Niveau. Man denke etwa an das seit vielen Jahren schwer krisengeschüttelte Argentinien, wo das in BIP gemessene Einkommen pro Kopf nicht einmal mehr 40 Prozent jenes der Österreicher ausmacht. Um 1950 hingegen war Argentinien noch eines der reichsten Länder der Welt.

Genauso kann es auch den Europäern gehen, vor allem jenen im Westen des Kontinents. Das wird vor allem klar, wenn man sie etwa mit dem Wohlstand in Ostasien vergleicht, etwa mit Singapur, Südkorea, Taiwan. Diese zählten alle rund um 1950 zu den ärmsten Ländern der Welt.

Ich schreibe in jeder Nummer von Österreichs einziger Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

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