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Europas Bauern reicht es

Der kollektive Aufstand der europäischen Landwirte hat in den letzten Wochen einen Höhepunkt erreicht. Sie sind mit ihren Traktoren in etliche Metropolen gefahren, um diese zeitweise oder tagelang lahmzulegen. Sie taten das in einem halben Dutzend Ländern, nicht nur in Deutschland – nur war dort die politische Erregung am heftigsten, weil dort die Mainstreammedien und die (seit Monaten bei Umfragen weniger als ein Drittel Zustimmung habende) Linksregierung sofort mit der dümmsten aller Reaktionsmöglichkeiten geantwortet hat: Sie versuchten den Bauernprotesten sofort einen rechtsextremen Stempel zu geben. Was längst ein so abgedroschener Agitationsschmäh ist, dass ihn niemand mehr ernst nimmt. Dabei sind die Gründe der Bauernklagen durchaus ernst. Sie sind vielschichtig und nicht einfach zu lösen.

Die politmediale Szene tut sich extrem schwer mit den Bauernprotesten. Steht sie doch in ihrer innerstädtischen Blase soziologisch, emotional und intellektuell der Landbevölkerung unendlich weit fern, so, als ob diese auf einem anderen Planeten leben würde (den man aber nicht retten muss). So ist in den gedruckten oder ausgestrahlten Massenmedien weit und breit kein Journalist zu finden, der auch nur im Entferntesten den Eindruck erweckt, mehr von der Landwirtschaft zu verstehen als die Propaganda grüner NGOs.

Die deutsche Linke hat sich jedenfalls vor den Bauernprotesten so gefürchtet, dass sie eine große Ablenkungsaktion mit mehreren Demonstrationen "gegen rechts" gestartet hat, sodass man nach dem ersten Schock nicht mehr über die Bauernproteste reden musste. Den Vorwand für diese Demonstrationen bot eine mit vielen Schwindeleien verbundene Lauschaktion gegen ein privates Treffen, bei dem es um die Abschiebung von Migranten gegangen ist.

Wird Politik wie in der Zwischenkriegszeit immer mehr auf der Straße ausgetragen? Fast scheint es so. Freilich zeigen die Bauernproteste sehr konkrete Probleme, die über den infantilen Glauben der Pro-Links-Marschierer hinausgehen: Wer am lautesten auf der Straße brüllt, der gewinnt die EU-Wahlen.

Zuvor zur deutschen Ablenkungsaktion (der die österreichische Linke gleich nachzutrotten versuchte): Tatsache ist, dass die Lauschaktion der sich als Journalisten ausgebenden Agenten und Agitatoren von "Correctiv" seltsamerweise erst nach zwei Monaten veröffentlicht worden ist. Das (sowie die personellen Querverbindungen) erinnert lebhaft an Ibiza: Der dortige Lauschangriff war gar erst zwei Jahre später in die Öffentlichkeit getragen worden. Und noch eine Parallele ist frappierend: Beide Male wird die Aktion in einen anlaufenden EU-Wahlkampf hinein veröffentlicht. Das zeigt ganz stark, wie sehr die europäische Linke vor einem Verlust ihrer EU-Mehrheit bangt, wie wichtig ihr die EU geworden ist – insbesondere zur Durchsetzung ihres "Green Deals".

Viel deutet auch daraufhin, dass die Veröffentlichung der (ja in der Substanz eigentlich total mageren) Ergebnisse des Lauschangriffs auf die Debattier-Runde von Potsdam etwas früher als geplant erfolgt ist. Ganz offensichtlich hat die Linke eine dringende Ablenkung der öffentlichen Aufmerksamkeit von den Bauernprotesten gesucht. Diese tauchen seither medial nur noch im Hintergrund als düsteres Versatzstück "Da war ja irgendetwas Rechtsradikales" auf.

Jenseits dieses durchschaubaren Spiels gibt es einige interessante und wichtige Aspekte rund um den Bauernaufstand, die auch durch noch so viele "Gegen rechts"-Demonstrationen nicht aus der Welt zu schaffen sind:

  1. Die EU-weit in der Landwirtschaft Beschäftigten machen zwar nur 2 Prozent der Einwohner der Union aus, in Westeuropa noch deutlich weniger. Aber zugleich gibt es keinen Berufsstand, der so positive Emotionen auslöst, der so viele Sympathien genießt wie die Bauern. Teils, weil viele Städter noch die familiären Wurzeln ihrer Vorfahren am Lande kennen. Teils, weil die Arbeit von Bauern für alle (scheinbar) nachvollziehbar ist und deren Produkte täglich auf allen Tellern landen. Teils, weil das bäuerliche Landleben für viele Städter den Inbegriff romantischer, irgendwie grüner Idealvorstellungen bietet.
  2. Zugleich sind die politischen Grünen das Hauptproblem für die Bauern geworden. Sie machen den Landwirten auf allen Ebenen das Leben schwer. Das reicht vom grünen Einsatz für die Wölfe über die grünen Kampagnen gegen den Kunstdünger und gegen die Kühe, weil diese so klimaschädlich seien, sowie den grünen Kampf gegen die meisten Formen der Tierhaltung von den Hühnern bis zum Rind, bis zum grünen Ziel, jeden Treibstoff-Verbrauch möglichst zu erschweren und teuer zu machen.
  3. Es kann aber keinen Zweifel geben, dass Landwirtschaft im 21. Jahrhundert nicht mit einer Philosophie der Ochsenkarren-Romantik betrieben werden kann.
  4. Alle grünen EU-Regeln und Einschränkungen sind mit einer Fülle von Bürokratie verbunden, sodass der heutige EU-Bauer schon fast genauso viel Zeit hinter dem Computer in seinem Büro verbringen muss wie im Stall und auf dem Feld.
  5. Die Lawine dieser grün-motivierten Einschränkungen – insbesondere, aber keineswegs nur zur angeblichen Planetenrettung – ist vor allem über die EU auf die Bauern gekommen. Daher waren und sind Bauernproteste ganz auf die kommenden EU-Wahlen hin angesetzt. In solchen Zeiten hofft man bessere Chancen für konkrete Zusagen zu haben.
  6. Zugleich sind alljährlich Jänner und Februar die idealen Monate für Aktionen der Bauern. In diesen Wochen haben sie daheim relativ am wenigsten zu tun.
  7. Der Funke, der zur Explosion der Bauernproteste führte, war daher zeitlich von der deutschen Regierung besonders dumm gewählt: Das waren die Ankündigungen der deutschen Regierung, in ihrer Budgetnot die Dieseltreibstoff-Begünstigungen für die Bauern zu kappen. Hätte die deutsche Linksregierung solches während der Erntezeit beschlossen, wären die Proteste viel geringer ausgefallen.
  8. Zugleich leiden die Bauern auch so wie alle EU-Bürger unter dem ökonomischen Bedeutungsverlust der EU: Hat doch in den letzten 30 Jahren der Anteil der EU an der weltweiten Wirtschaftsleistung um mehr als ein Drittel abgenommen.
  9. Dazu kommt zweifellos auch intern der Bedeutungsverlust der Bauern, wenn man ihn rein ökonomisch misst, und wenn man bäuerliche Leistungen wie Landschaftspflege und Schaffung des notwendigen Umfelds für den Tourismus ignoriert: Aber die reine Lebensmittelproduktion macht nur 1,4 Prozent des europäischen Wirtschaftsprodukts (BIP) aus.
  10. In dieser Perspektive muss das Bauernsterben auch noch weiter gehen: Zwei Drittel der Bauern besitzen weniger als fünf Hektar.
  11. Noch schlimmer sieht die Lage mit Blick auf die Alterspyramide aus: Ein Drittel der Bauern ist über 65 Jahre alt.
  12. Besonders bedroht fühlen sich die europäischen Bauern durch ausländische Konkurrenten. Denn diese arbeiten nicht nur mit geringeren Löhnen, Steuer- und Abgabenbelastung, sondern können durchwegs die zahllosen grünen Vorschriften der EU ignorieren.
  13. Besonders argwöhnisch blicken die EU-Bauern auf die Pläne eines Freihandelsabkommen mit Südamerika. Von dort droht den europäischen Bauern besonders intensive Konkurrenz – gleichzeitig wäre freilich ein solches Abkommen für Südamerika aber wichtiger als alle finanzielle Entwicklungshilfe, sich selbst zu entwickeln, und es würde europäischen Industrieprodukten einen wichtigen Markt öffnen, der sonst ganz aus Nordamerika beherrscht wird.
  14. Auch die Ukraine-Krise hat viele europäische Bauern – diesmal besonders jene in Polen, der Slowakei und Rumänien – empört. Denn angesichts der russischen Blockade im Schwarzen Meer konnte die Ukraine fast nichts ihrer gewaltigen Getreidemengen wie früher in die Dritte Welt exportieren, es wurde daher auf dem Landweg zu günstigen Preisen in die EU verkauft, mit denen wiederum die dortigen Bauern nicht mithalten konnten.
  15. Im Süden wieder leiden die Bauern enorm unter Wassermangel, fehlen doch Entsalzungsanlagen wie in Israel, wird doch bei der Verteilung des knappen Wassers dem gerade im Süden dominierenden und höheren Mehrwert versprechenden Tourismus Vorrang gegeben.

Das sind alles sehr vielschichtige und ernste Probleme, die den Zorn der Bauern verständlich machen. Ohne dass es für alles leichte Lösungen gäbe, hätten die Bauern jedenfalls mehr politmediale Empathie verdient. Jedenfalls zählen die Bauern zu den größten Leidtragenden der europäischen Klimareligion und ihrer zahlreichen Gebote und Verbote.

Wenigstens in einem Punkt gibt es aber auch positive Signale: Die Ukraine ist sehr erfolgreich in der Schlacht ums Schwarze Meer – ganz im Gegensatz zum Landkrieg. Sie hat dort schon so viele russische Schiffe versenken können, dass der britische Economist sogar von einem "Sieg" der Ukraine im Seekrieg spricht, und dass viel dafür spricht, dass der Getreideexport zur See fast im alten Umfang wiederaufgenommen werden kann.

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