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Beinahe müsste man mit der SPÖ Mitleid haben. Sie findet als größte Oppositionspartei deprimierend wenig Unterstützung bei den Wählern. Trotz der Dauerunterstützung durch die ORF-Redaktionen; trotz der Erschütterung der regierenden ÖVP nach dem Abschuss von Sebastian Kurz durch die Zadic-Justiz; trotz der Schwäche der Regierung in Zeiten einer globalen Wirtschaftsflaute, des schlimmsten Krieges seit vielen Jahrzehnten und der ökonomischen Nachwirkungen einer ebenfalls historischen Pandemie, und trotz der sich täglich stärker herausstellenden Unvereinbarkeit von Schwarz und Grün liegt die SPÖ bei den Umfragen mit 22 bis 24 Prozent und deutlicher Abwärtstendenz frustrierend schlecht.
Sie liegt nur noch ganz knapp über ihrem letzten, desaströsen Wahlergebnis. Sie ist binnen 18 Monaten von 30 auf diese Werte abgestürzt. Dabei war sie fast das ganze Jahr 2022 noch mit großem Abstand bei zahllosen Umfragen Nummer eins, muss jetzt aber bangen, dass sie von der seit einiger Zeit (auf sehr tiefem Niveau knapp über 20 Prozent) stabilisierten ÖVP an die dritte Stelle verdrängt wird.
Die Hauptursache dieser Entwicklung trägt einen Namen: Andreas Babler. Er konnte sich nach seinem Amtsantritt in jenem Jahr 2023 nur einige Wochen auf hohem Niveau halten (als die gesamten Mainstreammedien voller orgiastischer Jubelberichte über den neuen Mann an der Parteispitze waren, und niemand ihn kannte). Er musste aber danach hilflos hinnehmen, dass sich die SPÖ in einem ständigen Gleitflug nach unten befindet.
Ganz eindeutig ist Andreas Babler selbst Hauptursache dieses Abstiegs und nicht die Reaktion einiger frustrierter Parteiexponenten, die mit ihrer Kritik an dem Parteichef zunehmend nach außen gehen.
Fast jeder seiner Auftritte bringt noch mehr Menschen zur Überzeugung: Babler ist nicht nur von Beruf Heurigenwirt, sondern er hat auch das Niveau eines Heurigenwirtes, der allabendlich mit seinen Gästen beisammensitzt und glaubt, Alkohol würde zu einer besseren Weltsicht verhelfen und das Recht zu einer deftigen Sprache geben.
Sein ökonomisches Weltbild ist im 19. Jahrhundert steckengeblieben, als die Arbeiter noch arm und ausgebeutet waren, und als antijüdisches Denken auch in der Sozialdemokratie weit verbreitet war. Selbst der städtischen Bobo-Szene aus Künstler- und Studenten-Beisln, wo man Babler anfangs ob seiner linken Sprüche noch zugejubelt hatte, ist er zunehmend peinlich und zu primitiv geworden. Diese Szene wendet sich immer mehr früher nicht wahrnehmbaren Linksaußen-Parteien wie der Bierpartei oder den Kommunisten zu, für deren nette Chefs man sich in der Szene nicht genieren musste, während auf der anderen Seite die Arbeiter im Eiltempo zur FPÖ wechselten.
Aus der Entwicklung ist ganz eindeutig ablesbar: In den letzten zwei Jahren verläuft der steile Aufstieg der Kickl-Partei, die bis 2022 zwischen zehn und zwanzig Prozent Wählerunterstützung gependelt ist,auf 27 bis 30 Prozent total komplementär mit dem Abstieg der SPÖ. Die frühere Erklärungs-These ist also nicht mehr richtig, dass nur die beiden Rechtsparteien FPÖ und ÖVP eigentlich kommunizierende Gefäße sind, zwischen denen die Wähler hin und her wechseln. Es müssen zuletzt vor allem rote Wähler gewesen sein, die zu Blau gewechselt sind.
Gleichzeitig fällt freilich auf, dass der FPÖ-Aufstieg erst wirklich begonnen hat, als Corona und damit die seltsame Linie der Freiheitlichen Partei zur Pandemie in der Aufmerksamkeit der Österreicher an Bedeutung verloren hat. Während der Infektionszeit hingegen hat sich die SPÖ unter der Medizinerin Pamela Rendi-Wagner noch exzellent entwickelt, ist von unter 20 auf über 30 Prozent gestiegen. Die SPÖ ist während Corona auch immer deutlich vor der FPÖ gelegen und hat dann nach dem Kurz-Abschuss fast ein Jahr sogar die klare Führung in der Parteienlandschaft übernommen.
Es ist daher gut verständlich, dass SPÖ-Exponenten im privaten Gespräch erstmals starke Nostalgie nach Rendi-Wagner äußern.
Der spätere Aufstieg der FPÖ auf Kosten der SPÖ hat aber noch weitere Ursachen als das Versagen Bablers:
Dieser Wunschtraum vieler Österreicher, quasi mit einem einzigen kurzen Gesetz die nationale Sicherheit herstellen zu können, ist ja an sich verständlich, weil es so schön wäre, wenn er mit der wirklichen Welt etwas zu tun hätte. Man kann ihn aber nur dann ernsthaft träumen, wenn man keine Ahnung von den weltpolitischen Vorgängen hat, die über den täglichen ZiB-Konsum hinausginge.
Genau dieser früher typisch linke Wunschtraum wird aber jedenfalls von vielen Österreichern geträumt. Er wird jetzt emotional von der FPÖ geschickt angesprochen. So infam diese im Ergebnis eindeutig prorussische Haltung in Wahrheit auch ist, so hat er doch einen Teil des einstigen SPÖ-Publikums positiv angesprochen.
Diese innere Uneinigkeit ist im Lauf der letzten Jahre schon vielfach öffentlich sichtbar geworden: So etwa durch Bemerkungen von Alfred Gusenbauer über Parteifreunde und deren "übliches Gesudere" oder durch das Pfeifkonzert beim Parteiaufmarsch am 1. Mai, das Werner Faymann hinweggeblasen hatte. Vor allem sind bis heute die Wunden des Dreikampfs Bablers mit Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil noch in vielen giftigen Äußerungen etwa aus dem Burgenland nachweisbar.
Seine schwache Performanz hilft Babler nicht gerade, diese Spaltung zu überwinden. Während es der früher oft zerstrittenen ÖVP nach Abbau des ewigen Störenfrieds Othmar Karas gelungen scheint, trotz fehlenden Wählerzuwachses zumindest bis zum Wahltag ungewohnte Einheit zu zeigen, gelingt der SPÖ das nicht einmal mehr auch nur andeutungsweise.
Zuletzt hat der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer frontal gegen Babler geschossen. Er verlangt – nachdem Doskozil im Gegensatz zur Bundes-SPÖ schon eine Asylobergrenze von 10.000 verlangt hat – eintritt, überhaupt "Null" als Asylobergrenze. Dornauer will die SPÖ "in Richtung pragmatische Mitte rücken, hin zu den Lebensrealitäten". Gefragt, ob es ein Fehler sei, dass Babler die derzeitige ÖVP als potenziellen Koalitionspartner ausschließe, meinte Dornauer gegenüber dem "Standard" mehr als distanziert: "Der Bundesparteivorsitzende konzentriert sich derzeit auf die programmatische Parteiarbeit nach innen. Ich hoffe, seine Strategie geht auf."
Auch Gewerkschaftsboss Muchitsch hatte sich jüngst für eine Korrektur des Kurses seiner Partei ausgesprochen. Babler sei es gelungen, die linke Hälfte zu binden, Muchitsch wünscht sich aber eine wirtschaftsaffinere Positionierung.
Den Gipfelpunkt an innerparteilichem Giftverspritzen hat Babler aber selbst zu verantworten. Er hat dieser Tage in einem Fernsehinterview Unglaubliches über all seine Vorgänger, aber auch über die Stimmung in der Partei gesagt: "Wir haben zwanzig, dreißig Jahre miteinander gelitten: Funktionäre, Mitglieder." Wer seine eigene Partei und all seine Vorgänger als Quelle des Leidens hinstellt, der braucht sich nicht zu wundern, wenn sich viele, für die ihre Partei immer alles gewesen ist, innerlich von einem solchen Parteichef abwenden.
Babler scheint völlig zu vergessen, dass er als ursprünglicher Außenseiter aus jenem Dreikampf am Ende nur deshalb als Sieger hervorgegangen ist, weil viele Anhänger Rendi-Wagners letztlich für ihn gestimmt haben, da sie den undisziplinierten Stänkerer Doskozil und seine FPÖ-Freundlichkeit bestrafen wollten.
Der in Wahrheit erfolgreichste SPÖ-Politiker der letzten 30 Jahre hat sich nach seiner politischen Karriere so intensiv aufs Geldverdienen konzentriert und dabei so intensiv mit einigen unappetitlichen Figuren kooperiert, dass er und damit auch die Partei für einstige SPÖ-Wähler aus der Unterschicht total widerlich geworden ist.
Zwischen dem linken und rechten Flügel gibt es fast keine Konsensbereiche mehr außer der gemeinsamen Sehnsucht, wieder an die Macht zu kommen. Siehe etwa:
In all diesen (und vielen anderen) Punkten vertritt Babler eindeutig die radikale Seite. Damit hat er zwar gute Chancen – zumindest bis zu den Wahlen – auf eine mehrheitliche Zustimmung unter den roten Aktivisten. Bei den (früheren) SPÖ-Wählern stößt das aber vielfach auf Ablehnung.
Ein paar Beispiele beweisen diesen Zusammenhang:
Gewiss gibt es in jedem Land viele nationale Besonderheiten. Gewiss spielen einzelne Politikerpersönlichkeiten immer eine Rolle. Aber dennoch ist die Tendenz eindeutig beweisbar:
Es sind europaweit keine guten Zeiten für Sozialisten; und wenn sie irgendwo reüssieren, dann mit einem rechten Kurs.