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Nehammer: Zum Staatsmann ist‘s noch weit

Die meisten Österreicher hatten bisher noch nicht die Dringlichkeit eines Nationalstadions oder einer Kulturakademie erkannt. Es ist auch recht unklar, ob es Sinn macht, wenn Österreich im Alleingang ein Projekt wie einen "grünen Verbrenner" ansteuert. So nett alles aber zweifellos wäre, was Karl Nehammer da in den letzten Tagen vorgeschlagen hat, so ist eines klar: Jene drei Dinge, die Österreich für eine gute Zukunft am dringendsten brauchen würde, hat der ÖVP-Obmann in seiner großen programmatischen Rede leider nicht angesprochen. Da ist es auch alles andere als ein Trost, dass es auch sonst keine Partei, keine Politiker im Lande gibt, die diese drei Notwendigkeiten alle erkennen und ansprechen würden.

Gewiss: Im Vergleich zu Herbert Kickls Tonfall nimmt sich der schwarze Parteichef angenehm zivilisiert aus.

Gewiss: Im Vergleich zur Schlaraffenland-SPÖ nehmen sich Nehammers Vorstellungen geradezu bescheiden aus. Aber auch die sind nicht finanzierbar – oder nur mit einem neuen großen Griff in die Staatsschuldenkiste.

Gewiss: Es ist erfreulich, dass Nehammer im Gegensatz zu den Klassenkampf-Retro-Vorstellungen der SPÖ keine neuen Steuern vorschlägt. Aber für den großen Wurf, den Nehammer bräuchte, den Österreich bräuchte, fehlen drei essentielle Ecksteine.

1. Mit dieser SPÖ ist nichts Sinnvolles machbar

Der erste Eckstein wäre die offen ausgesprochene Erkenntnis, dass in einem Zusammengehen der ÖVP mit der SPÖ unter einem Andreas Babler das meiste unerfüllbar bleiben muss, was Nehammer an Gutem und Richtigem vorschlägt, ob es nun sein Bekenntnis zu Leistung oder seine Absage an die Zuwanderung ins Sozialsystem betrifft. Das heißt zumindest: Nehammer sollte dringend seine Absage an eine Koalition mit den Freiheitlichen relativieren (deren Parteichef er ja nicht austauschen kann, wenn er eine Sekunde lang über diese Forderung nachdenkt), da sonst nur die SPÖ als Koalitionspartner übrigbliebe. Denn eine dritte Möglichkeit gibt es nicht.

Nicht nur für die ÖVP, sondern auch für Österreich wäre es dringend nötig, deutlich klarzumachen, dass die derzeitige SPÖ unter Babler noch viel problematischer ist als die FPÖ unter Kickl. Bei diesem sind abgesehen von seiner Russlandliebe zwar einige rhetorische Grauslichkeiten zu finden, bei Babler hingegen jede Menge inhaltlich-programmatischer Wahnsinnigkeiten, die man in einer Koalition mit ihm nicht alle verhindern könnte. Mit anderen Worten: Ein Babler in der Regierung ist für bürgerliche Wähler, ist für Österreich noch viel weniger verdaubar als ein Kickl.

Dazu kommt die Wahlarithmetik: Denn Schwarz wie Rot liegen in den Umfragen so brustschwach, dass sie auch noch eine dritte Partei bräuchten, um überhaupt eine Regierung bilden zu können. Zumindest das sollte man aber aus Deutschland gelernt haben: Eine solche Dreierkoalition ist katastrophal, wo sich in jeder Frage eine Partei gegen die anderen profilieren will und aus parteiinterner Logik wohl auch muss.

Aber auch die nur aus zwei Parteien bestehende rot-schwarze Vergangenheit ist den meisten Österreichern als Dauerblockade noch ungut in Erinnerung, während zumindest das erste Schwarz-Blau etliches vorangebracht hat.

2. Ohne Pensionsantritts-Reform bleibt Nehammer unglaubwürdig

Der zweite fehlende Eckstein wäre die dringend notwendige Sanierung der Staatsfinanzen. Diese ist dann doppelt wichtig, wenn man wie auch Nehammer etliche Ideen hat, die noch weiteres Staatsgeld kosten würden. Ohne solche Sanierung droht ein Strudel, der Österreich wirtschaftlich und sozial nach unten zieht, ähnlich jenem Sog, in den während der letzten Jahre und Jahrzehnte Griechenland, Argentinien oder Italien hinabgeschlittert sind. Diese Länder sind alle durch ihre sozialistisch und linkskatholisch motivierte Ausgabensucht in katastrophale Krisen geraten.

Eine erfolgreiche Sanierung und Zukunft Österreichs ist letztlich absolut undenkbar, solange man nicht ins Pensionssystem eingreift. Daran ändert die Tatsache nichts, dass keine der drei (mittel)großen Parteien Österreichs diese Notwendigkeit auch nur anzudeuten wagt. Aber, es kann kein Zweifel sein: Wer das verschweigt, schwindelt uns etwas vor.

Da es sozial eine Katastrophe und Ungerechtigkeit wäre, in die Höhe der ausbezahlten Pensionen einzugreifen (oder sie per Inflation wertlos werden zu lassen); und da es wirtschaftlich eine Katastrophe wäre, zur Finanzierung der ständig steigenden Pensionskosten die Steuern oder Versicherungsbeiträge noch weiter zu steigern, bleibt nur ein einziger sozial wie wirtschaftlich verträglicher Ausweg: Das wäre die­­ möglichst rasche Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters. Diese wäre im Übrigen auch in Hinblick auf das demographische Geburtendefizit der Österreicher dringend notwendig, weil uns wirklich überall die Arbeitskräfte ausgehen und wir zunehmend ein Volk von Pensionisten werden.

Eine solche Steigerung des Antrittsalters wäre außerdem auch die logische Reaktion auf die fast ständig gestiegene und weiter steigende Lebenserwartung. Und sie wäre auch gut erklärbar und keineswegs der Weg in eine Wahlniederlage, wie viele Politiker glauben, würde man sie den Menschen nur intensiv in ihrer Notwendigkeit und ihren Vorteilen erklären:

  • Für die Pensionisten (weil sie dann nicht mehr um ihre künftige Pensionssicherheit bangen müssten),
  • aber auch für die mittelalterlichen Österreicher (weil sich viele von ihnen noch nicht so rasch als Auslaufmodelle sehen wollen)
  • und für die Jungen (für die eine Reduktion des Pensionsantrittsalter auch ein Einbremsen des immer größer Werdens der auf ihnen lastenden Finanzierungsbürde bedeuten würde).

Gewiss: Der links beherrschte Verfassungsgerichtshof, der sich in seiner Judikatur um alles sorgt, nur nicht um die Gefahren eines Staatsbankrotts und die erdrückende Schuldenlast auf dem Rücken der Jungen, würde leider nur Antrittsalter-Erhöhungen mit möglichst langer Vorlaufsfrist erlauben. Umso wichtiger wäre es, möglichst umgehend damit anzufangen. Umso wichtiger wäre es aber auch sicherzustellen, dass die beiden in der nächsten Legislaturperiode nachzubesetzenden VfGH-Richterstellen – auf denen derzeit zwei von der SPÖ nominierte Personen amtieren – durch  Juristen mit wirtschaftlichem statt sozialistischem Sachverstand und gesellschaftspolitischer Wertorientierung besetzt werden. Was ebenfalls nur in einer Koalition mit der FPÖ ginge, bei Rot-Schwarz jedoch auf keinen Fall.

3. Was beim Kampf gegen die Migration am wichtigsten wäre

Der dritte Eckstein einer guten Zukunft für Österreich wäre zweifellos noch schwieriger zu setzen: Das wäre die dringende Reduktion der Migrationszahlen, eine drastische Erhöhung der Abschiebungen und eine signifikante Abnahme der Asyl- und Bleiberechtsgewährungen sowie der Familienzusammenführungen.

Dazu sind auf sehr vielen Ebenen Maßnahmen zu setzen. Die entscheidenden wären aber rechtliche. Daher wären einerseits die schon angesprochenen weichenstellenden Nachbesetzungen im Verfassungsgerichtshof doppelt notwendig. Dazu müsste Österreich aber auch auf europäischer Ebene für rechtliche Änderungen kämpfen, die es linken Richtern künftig unmöglich machen würden, die Tore für die illegale Migration so weit zu öffnen wie bisher. Diese rechtlichen Änderungen wären auf Ebene der Menschenrechtskonvention des Europarates am effizientesten, sie könnten aber wohl auch auf primärrechtlicher EU-Ebene oder auf der von EU-Richtlinien erfolgen.

Diese Änderungen könnte Österreich gewiss nicht im Alleingang erreichen. Dazu wäre vielmehr die außenpolitische Suche nach Gesinnungsgenossen in anderen europäischen Ländern dringend notwendig, mit denen gemeinsam solche Ziele anzustreben sind.

Dazu bräuchte Österreich freilich Persönlichkeiten, die außen- und europapolitisch Gewicht und exzellente Kontakte hätten (die es seit Kurz und Schüssel nicht gibt). Und dazu bräuchte es hochqualifizierte Europarechtler (die dabei mit Substanz auch international agieren könnten).

Die britische Debatte um das Ruanda-Modell zeigt, dass es jedenfalls dringend auf internationaler Ebene rechtliche Initiativen braucht, weil ja sogar das Nicht-mehr-EU-Mitglied Großbritannien auf große rechtliche Widerstände stößt, die wahrscheinlich ohne Änderung oder gar Kündigung der Menschenrechtskonvention nicht überwindbar sind.

Daher wäre es absoluter Wahnsinn, wenn Nehammer den Grünen wirklich das zugestehen sollte, was Sebastian Kurz leichtfertig bei Koalitionsabschluss zugesagt hat: dass die Grünen in beiden europäischen Gerichtshöfen den nächsten von Österreich entsandten Richter stellen sollen. Das wäre insbesondere in Sachen Migration geradezu kriminell für die Zukunft Europas und damit auch Österreichs.

Wenn sie begriffen hätte, wie sehr die gesamte politische Entscheidungsmacht von den europäischen und österreichischen Höchstgerichten an sich gerissen worden ist, dann dürfte die demokratisch legitimierte Mehrheit keine Sekunde zögern, wenigstens bei Richternachbesetzungen die Dinge wieder ins Gleichgewicht zu bringen zu versuchen und die Demokratie wieder gegen den Richterstaat aufzuwerten.

Karl Nehammer hat also noch einen weiten Weg vor sich, wenn er zum Staatsmann werden will. Solange er um diese drei zentralen Punkte einen Umweg macht, wird ihm das nicht gelingen. Mit einer Kulturakademie und einem Nationalstadion kann er jedenfalls nicht als zukunftsorientierter Staatsmann punkten.

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