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Eine neue – eine ganz andere Universität

Sie könnte der wichtigste und erfreulichste Beitrag zum kränkelnden Wissenschaftsstandort Österreich seit Jahrzehnten werden; sie könnte den qualitativ immer mehr absinkenden Alt-Unis ein ganz anders geartetes Positivbeispiel entgegensetzen. Das alles könnte der Fall sein, wenn es nicht den für den Zustand der bisherigen Universitäten Verantwortlichen doch noch gelingen sollte, das neue Uni-Modell in die Luft zu sprengen. Genau das versuchen sie aber über die SPÖ-Außenstelle namens Verfassungsgerichtshof, der sich immer stärker als nie gewählte Überregierung zu etablieren begonnen hat. Aber selbst, wenn das Projekt gelingt und abheben kann, gibt es zwei große Problembereiche, die ungelöst bleiben.

Die Rede ist von der neuen Linzer Universität, die "IT:U (Interdisciplinary Transformation University Austria)" heißen soll, die früher als "Technische Universität für Digitalisierung und digitale Transformation in Oberösterreich" beziehungsweise als "IDSA (Institute of Digital Sciences Austria)" beziehungsweise als "Interdisciplinary Transformation University Austria" bezeichnet worden ist. Jetzt kann man für Linz nur hoffen, dass man sich statt auf ständige Namensänderungen auf die wirkliche inhaltliche Arbeit konzentrieren kann.

Jedenfalls soll Linz heuer schon in Vollbetrieb gehen. Die IT:U soll eine ganze Reihe dringend notwendiger, aber für die Linke und damit wahrscheinlich den VfGH ungeheuerlicher Innovationen bringen, von denen 5000 Studenten, die Forschung rund um die Entwicklung der Digitalisierung und nicht zuletzt Österreichs wichtigster Wirtschaftsstandort, also Oberösterreich, profitieren würden:

  1. Sie soll komplett auf Englisch unterrichten, der Wissenschaftssprache des 21. Jahrhunderts;
  2. Sie soll ohne Gender-Institute und sonstigen Ideologie-Schwachsinn auskommen;
  3. Sie soll in das industrielle Haupt-Bundesland der Republik einen gewaltigen Schub an dringend benötigter digitaler Kompetenz bringen;
  4. Sie soll viel stärker als die Alt-Universitäten Lehrkräfte und Experten aus der Praxis einbinden;
  5. Sie soll viel stärker als die Alt-Universitäten die Wirtschaft und ihre Bedürfnisse einbinden;
  6. Sie soll an realen, nicht nur theoretischen Aufgaben und Projekten arbeiten;
  7. Sie soll den an der Uni entstehenden "Start-Ups" helfend zur Seite stehen;
  8. Sie soll – genauer: darf – Studiengebühren festsetzen (allerdings rätselhaftweise erst ab 2027, was noch Zeit und Raum für zahllose Querschüsse gibt);
  9. Sie kann nicht durch die unerträglichen und veränderungsfeindlichen Mitbestimmungs- und Gremial-Strukturen gebremst werden, die es an anderen Universitäten gibt, und auf die alle Angehörigen dieser Gremien – aber sonst niemand Wert legt.

Das Ganze bedeutet also eine ungefähr so dramatische Antithese zur universitären Realität der Republik, wie wenn man in ein Prostitutionsviertel eine Klosterschule hinein platzieren würde.

Die neue Uni ist ein Mittelding aus den Modellen Fachhochschulen (jedoch viel wissenschaftlicher orientiert als diese) und Privathochschulen (jedoch vom Staat initiiert). Dabei haben insbesondere das schwarz-blau regierte Land Oberösterreich, aber auch die rote Gemeinde Linz konstruktiv mitgewirkt. Daher ist zu hoffen, dass das einst primär von den Herren Kurz und Stelzer angestoßene Projekt zumindest regional so etwas wie ein parteienübergreifendes Backing hat.

Freilich ist noch völlig offen: Wird die IT:U wirklich den großen Qualitätssprung in Sachen digitaler und wirtschaftsnaher Forschung darstellen, den Österreich braucht? Die beiden letzten Universitätsgründungen, die jeweils auf Wunsch von Bundesländern entstanden sind, haben den Sprung zur Relevanz ja in keiner Weise geschafft. Sie spielen vielmehr kontinuierlich nur am Ende der österreichischen Tabelle. Klagenfurt und Krems strahlen bis heute das Image aus: "Noch ein Bundesland hat halt auch eine Uni gewollt."

In Linz könnte das anders sein. Denn die neue Universität ist kein Produkt des Minderwertigkeitskomplexes eines Bundeslandes. Gibt es dort doch schon seit längerem eine Universität (wenn auch nicht so lange wie in den alten Uni-Städten Wien, Graz, und Innsbruck), sowie exzellente Fachhochschulen, etwa die in Hagenberg mit einem recht ähnlichen Schwerpunkt, und vor allem Österreichs Industrie-Schwerpunkt, der sich zweifellos nicht mit Pseudo-Wissenschaft wie Universitäts-Proponenten an etlichen anderen Standorten abspeisen lassen wird.

Die vielen österreichischen Fachhochschulen wiederum haben zwar recht erfolgreich und auf ansprechendem Niveau die Berufsausbildung für viele wichtige Bereiche betrieben, die von den Unis oft vernachlässigt worden sind. Die großen Stätten der Wissenschaft, Forschung oder Internationalität sind sie jedoch wahrlich nicht geworden. Sie ähneln zum Teil noch sehr dem Schulbetrieb. In Laxenburg und Klosterneuburg wiederum sind zwar sehr ansprechende Forschungs-Stätten entstanden. Dort aber gibt es keine Studiermöglichkeit.

  • Trotz des großen Bedarfs der Wirtschaft an den künftigen Absolventen der neuen Linzer Uni schießen die Rektoren der alten mit allen Kanonen. Sie tun das ganz offensichtlich aus Neid und aus Angst vor einer erfolgreichen Konkurrenz. Sie wollen deshalb sogar den Verfassungsgerichtshof einschalten.
  • Die Altrektoren stoßen sich vor allem daran, dass es für die neue Uni ein neues maßgeschneidertes Gesetz gibt und dass die IT:U nicht unter das Universitäts-Gesetz fällt. Da kann man nur sagen: Na und? Eigene – gute und funktionierende – Gesetze gibt es etwa auch für die Fachhochschulen oder das "Institute of Science and Technology Austria (ISTA)" in Klosterneuburg/Gugging.
  • Ferner ärgert man sich darüber, dass die neue Uni schlank aufgestellt ist und dass dadurch die Mitbestimmung von Studenten und Mittelbau stark eingeschränkt ist. Aber genau diese Mitbestimmung war und ist ja Hauptursache dafür, dass in den letzten Jahrzehnten ganz eindeutig die Qualität und Beweglichkeit der österreichischen Unis stark eingeschränkt worden ist.
  • Eigentlich sollten Rektoren und Senate zum neuen Linzer Modell nicht sagen: "Die dürfen das nicht!", sondern: "Wir wollen das auch!"
  • Statt dessen wird von den Senatsvorsitzenden sogar düster behauptet, die neue Uni habe eine "Tendenz zum Autoritären", womit man ganz offensichtlich eine Rückkehr zu Ständestaat und Bürgerkriegszeiten an die Wand malen will.
  • Auch – bitte ebenfalls nicht lachen – wird kritisiert, dass in Linz "Frauenförderung" und "Geschlechtergleichstellung" nicht den gleichen dominierenden Stellenwert wie bei den Alt-Unis haben werden. Wir lernen: Man kann auch den größten Vorteil zum Nachteil stempeln.

Alle Kritikpunkte bestätigen nur, dass die gegenwärtigen Universitäten vor allem vor einem Angst haben: vor dem Entstehen eines neuen, eines besseren Gegenmodells.

Das einzige, was man ernst nehmen muss: Das ist die Tatsache, dass im sich immer mehr gesetzgebende Macht aneignenden Verfassungsgerichtshof die ideologischen Freunde der etablierten Bedenkenträger sitzen, die etwas verteidigen, was im Interesse der Zukunft des Landes nicht verteidigt werden sollte.

Aber selbst wenn Linz so wie geplant starten kann, selbst wenn VfGH und die Linke scheitern (oder gar zur Vernunft kommen) sollten, hat das Projekt zwei große Minuspunkte, um ernsthaft zum Gegenmodell zu den Alt-Unis zu werden:

  1. Es gibt auch in Linz keinen Mechanismus, um das von der EU erzwungene massenhafte Eindringen deutscher Studenten zu verhindern. Damit droht auch die IT:U zu einer neuerlichen Verschwendung von Steuergeld zu werden. Und das skurrilerweise umso mehr, je attraktiver die neue Uni wird. Dabei wäre das gerade mit der Einführung von Studiengebühren leicht verbindbar – selbst wenn Österreich keinen diesbezüglichen Krieg mit der EU führen oder gewinnen sollte. Alle Studenten sollten wirklich saftige und kostendeckende Gebühren zahlen müssen, die ihnen aber kreditiert werden, und die sie später mit ihrem – durch eine qualifizierte Ausbildung vermutlich erhöhtem – Einkommen zurückzahlen können. Wer jedoch dann in Österreich Steuer zahlt, kann die Studiengebühren-Kredite dabei steuermindernd geltend machen. Dann würden auch viele Deutsche in Österreich tätig werden. Was durchaus willkommen wäre. Und dann würden viele Österreicher hier bleiben. 
  2. Auch der zweite Minuspunkt hängt mit den Finanzen zusammen: Es gibt weiterhin so wie bei den alten Unis keinen objektiven Maßstab, wann der IT:U mehr Steuergeld zusteht, und wann weniger. Dabei wäre ein neues Gesetz der ideale, wenn nicht gar einzige Zeitpunkt dafür, sinnvolle Maßstäbe einzuführen. Sinnvoll wäre es Dreierlei zu messen und – nur – dementsprechend Steuergeld fließen zu lassen (was natürlich erst nach einigen Jahren gemessen werden kann, was aber unbedingt schon von Anfang an feststehen müsste):
  • Zahl der Veröffentlichungen in internationalen wissenschaftlichen Zeitschriften,
  • Zahl der aus der Uni heraus angemeldeten Patente,
  •  Zahl der aus der Uni heraus entstandenen Spin-Offs und Start-Ups, also der Gründungen kleiner Unternehmungen mit Hilfe von Entwicklungen auf der Uni,
  • Berulicher Erfolg der Absolventen nach zwei oder fünf Jahren im Vergleich zu den Absolventen alter Unis (Einkommenshöhe, Bewertungen der Qualität des Studiums durch die Arbeitgeber).

PS: Bedauerlich genug, dass sich auch die Privat-Unis nicht sonderlich bewährt haben. Als peinlicher Tiefpunkt hat sich die Salzburger Paracelsus-Universität erwiesen, an der viele studieren, die an den Medizin-Aufnahmeschikanen der traditionellen Unis scheitern: Dort verlangt man jetzt allen Ernstes, dass die künftigen Ärzte beim Schreiben von Prüfungen gendern, wenn sie keine schlechten oder gar negativen Noten bekommen wollen. Wenn man schon einen Bedarf an gesetzlichen Nachschärfungen sieht, dann wäre das in Hinblick auf solche Skandale.

PPS: Besonders skurril ist auch der sogenannte Verfasssungsdienst in seinem Gutachten zum neuen Gesetz. Ganz im Sinne sozialistischer Planwirtschaftler und Verstaatlicher kritisiert er erstens, dass die  Rechtsbeziehung zwischen Studenten und IT:U eine privatrechtliche sein wird und nicht eine öffentlich-rechtliche (Linke Grundüberzeugung: Wo kommen wir denn dahin, wenn der Staat irgendwo weniger statt immer mehr Macht haben soll!). Zweitens kritisieren sie gleichzeitig(!!), dass einerseits die Uni selber die Gebühren festlegt und nicht die Politik als Gesetzgeber. Andererseits aber kritisieren sie, dass die Politik im Kuratorium zu viel Einfluss habe. Das muss einem erst einmal einfallen, zugleich mehr "Legalitätsprinzip" einzufordern, also Bindung an politisch erlassene Gesetze, wie auch mehr "universitäre Autonomie" zu verlangen. Manchesmal muss man sich wirlich für Juristen nur noch genieren, wenn ideologische Polemik jede Form der Logik zersetzt.

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