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Verteidiger der extrem migrantenfreundlichen Judikatur des österreichischen Verfassungsgerichtshofs haben diese immer damit gerechtfertigt, dass dessen Entscheidungen leider durch die Judikatur der beiden europäischen Höchstgerichte so erzwungen seien. Umso seltsamer muss einem daher das jüngste Urteil des VfGH vorkommen. Denn plötzlich tut dieser so, als sei Europa, als sei die EU gar nicht vorhanden, als habe er den zentralen Kern eines europäischen Binnenmarktes nicht verstanden. Zunehmend bekommt man aber auch den Verdacht, dass die zunehmend seltsamen VfGH-Urteile eine ganz andere Intention haben könnten: dass die Höchstrichter insgeheim der FPÖ zu einem Wahlsieg verhelfen wollen, indem sie ihr immer neue Gruppen zutreiben.
Zweite Interpretations-Möglichkeit: Die VfGH-Richter wollen auch in Österreich Bauerndemonstrationen nach deutschem Vorbild auslösen. Anders ist es jedenfalls nicht mehr erklärbar, dass Europa, dass die EU vom VfGH immer nur dann betont und herangezogen wird, wenn sie Österreich und seinen Bürgern schadet, dass sie aber dann ignoriert wird, wenn sie, wenn im konkreten Fall der EU-Binnenmarkt Österreich und seinen Bauern nützen würde.
Der erste Teil des Vorwurfs wird durch zahllose "Erkenntnisse" des VfGH bestätigt, welche Asylwerbern gegen die Absicht des Innenministeriums zum Asylstatus verhelfen und welche abgewiesene Asylwerber gegen Abschiebungen schützen. Der zweite Teil wird durch seine jüngste Entscheidung in Sachen Schweine-Haltung bewiesen.
Der Gesetzgeber hatte – ganz offensichtlich unter Druck radikal-extremistischer "Tieraktivisten" – ein Verbot sogenannter Vollspaltenböden verboten und für jene, die solche Schweineställe schon haben, eine Übergangsfrist von 17 Jahren beschlossen.
Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie schlimm solche Böden, bei denen durchgehende Spalten die Ausscheidungen automatisch abfließen lassen, für die Schweine wirklich sind (jedenfalls bekommt man immer mehr den Eindruck, dass einem wachsenden Teil der politischen Linken Tiere lieber und wichtiger sind als die Menschen). Es ist aber aus wirtschaftlichen Gründen jedenfalls mehr als plausibel, dass der Gesetzgeber für jene, die viel Geld in solche Ställe investiert haben, eine sehr lange Übergangsfrist beschlossen hat, damit diese das investierte Geld nicht sofort abschreiben müssen.
Doch genau das stört den VfGH. Er findet, diese lange Frist diskriminiere jene österreichischen Bauern negativ, die künftig die vor allem im Betrieb teureren Alternativen zu den Vollspalten-Böden bauen. Auch dieses Argument hat an sich eine gewisse Logik.
Nur ist die VfGH-Entscheidung gleichzeitig auch absurd. Denn sie übersieht ganz offensichtlich, dass Österreich und seine Bauern auch bei der Schweinehaltung und beim Schweinefleisch-Verkauf nicht primär untereinander, sondern vor allem EU-weit in einem offenen Wettbewerb liegen. Der VfGH übersieht, dass es das alleroberste Grundprinzip des Binnenmarktes ist, dass kein Produzentenland gegenüber anderen EU-Mitgliedern benachteiligt werden darf, egal ob es um Landwirtschaft oder Industrie geht.
Auch die Koalition hat dieses Prinzip zwar beim Verbot ignoriert, aber wenigstens durch die lange Übergangsfrist extrem gemildert. Sie tat dies offensichtlich in der insgeheimen Hoffnung, dass in dieser Zeit auch in den anderen EU-Ländern ein ähnliches Vollspaltenverbot in Kraft treten wird. Durch den VfGH wird diese Hoffnung aber jetzt zertrümmert. Der will eine totales Verbot für Österreich alleine. Und zwar rasch.
Damit werden österreichische Bauern in wenigen Jahren nur noch viel teurer als das Ausland Schweine halten können. Daher werden mit Sicherheit in den Supermärkten bald die österreichischen Schweinslungenbraten und andere Köstlichkeiten komplett durch Importprodukte ersetzt worden sein.
Seit Gründung von EWG/EG/EU musste die Offenheit des Binnenmarkts immer wieder gegen Länder verteidigt werden, die ausländische Konkurrenz mit irgendwelchen Tricks fernzuhalten versuchten. Jetzt haben wir die absurde Situation, dass ein Land beziehungsweise dessen Höchstrichter beschlossen hat, die eigenen Produzenten massiv zu schädigen. Das aber macht den politischen, imagemäßigen und wirtschaftlichen Schaden für den Binnenmarkt noch viel größer.
Nun ist schon klar: Rein juristisch ist in der EU sogenannte "Inländerdiskriminierung" erlaubt, also die Schlechterstellung der eigenen Landsleute gegenüber anderen EU-Ländern. Das war aber selten ein wirklich existierendes Problem. Man hat ja auch nie annehmen können, dass ein Land die eigenen Produzenten bewusst schädigt und diskriminiert. Auf solche Ideen ist man erst in Österreich, erst im Verfassungsgerichtshof gekommen. Dabei ist unbestreitbar: Wenn Vollspaltenböden für österreichische Schweine unangenehm sind, sind sie das wohl auch für ihre Artgenossen in anderen Ländern. Nur gibt es dort klügere Regierungen – also solche ohne Grüne in Schlüsselpositionen – und vor allem klügere Verfassungsgerichte. Und nicht solche, die sich zum Schaden der eigenen Landsleute ganz auf die Seite der Tierwohl-Extremisten schlagen.
Man darf nun in den nächsten Monaten amüsiert beobachten, wie Ministerin Edtstadler in den nächsten Wochen ihren angekündigten Werbefeldzug zur Propagierung der Vorteile der EU und des Binnenmarktes anlegen will. Wenn in Österreich so direkt dessen Vorteile fürs eigene Land zunichte gemacht werden, wird sie damit gewisse Kommunikationsprobleme haben.
Der soeben ernannte EU-Spitzenkandidat der ÖVP, Reinhold Lopatka, scheint da zumindest in seinen ersten Ankündigungen eine klare Abkehr von der EU-Blauäugigkeit zu bedeuten. Da ist viel von der Stärkung der nationalen und regionalen Parlamente und vom Subsidiaritätsprinzip die Rede. Das wäre an sich die richtige Richtung – freilich gegen selbstbeschädigende Aktionen des eigenen Verfassungsgerichtshofs hilft alles nichts.
Wenn diesbezüglich in Österreich wieder Vernunft einkehren soll, dann müsste jetzt eigentlich das ganze Vollspalten-Verbot ersatzlos gekübelt werden, und dann müsste gewartet werden, ob überhaupt, ab wann und mit welchen Fristen ein solches Verbot mit EU-weitem Geltungsbereich käme. Bis dahin darf man sich von den ja nur medial relevanten Tier-Radikalen nicht einschüchtern lassen. Freilich: Solche Vernunft scheint nicht nur im VfGH Mangelware – oder hat jetzt etwa die ÖVP gar den Mut, die letzten Monate, da noch Grüne in der Regierung sitzen, durchzutauchen und danach das Gesetz radikal zu entsorgen, weil man ja bis lange nach den Wahlen (bis Sommer 2025) Zeit für eine Gesetzesreparatur hat?
Freilich: Schon in mehreren Fragen – etwa bei der Zusammensetzung der ORF-Gremien – scheinen sich in der Volkspartei langsam jene durchzusetzen, die erkannt haben, dass mit den Grünen nichts Sinnvolles mehr geht, dass man besser das Ende dieser Koalition abwarten sollte.
PS: Die EU hat schon einmal einen Irrsinnsbeschluss zum Thema Schweinhaltung getroffen: Aus angeblichen Gesundheitsgründen dürfen Essensreste nicht mehr an Schweine verfüttert werden. Diese Reste, die bis dahin als "Sautrog" perfekter Teil einer naturnahen Kreislaufwirtschaft gewesen sind, müssen seither im Restmüll entsorgt werden. Was für eine Verschwendung! Was für eine Förderung des Imports von Schweinefutter! Letztlich kann man nur noch lachen, wenn gleichzeitig mit großem Trommelwirbel Aktionen gegen die Verschwendung von Lebensmitteln laufen …