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Österreich zwischen Russland, Ukraine und US-Fed

Der Raiffeisen-Konzern hat einst unter seinem sehr machtbewussten Chef Christian Konrad keineswegs nur Sympathien rundum ausgelöst. Dennoch kann es keine Frage sein: Dass Raiffeisen, so wie andere Banken und viele andere österreichische Unternehmen, einst nach Ende des Sowjetkommunismus nach Russland und in andere Länder Osteuropas gegangen ist, war nicht nur für die österreichische Wirtschaft, sondern auch für jene Länder wichtig und positiv. Inzwischen hat aber die EU allen europäischen Unternehmen den Rückzug aus Russland aufgetragen, seit dieses Land verheerende Angriffskriege im Stile Adolf Hitlers zu führen begonnen hat. Auch das ist nachvollziehbar und richtig. Dem Regime Wladimir Putins sollen durch diesen kollektiven Rückzug die Möglichkeiten reduziert werden, den Krieg weiter zu finanzieren. Nur scheint niemand zu wissen: Wie kann sich Raiffeisen von seinen Investitionen in Russland wieder lösen? Auf diese und ähnliche Fragen anderer Unternehmen kann es nur eine einzige mutige und klare Antwort geben. Nur scheint Europa nicht den Mut dazu zu haben und die österreichische Politik scheint die Zusammenhänge gar nicht zu begreifen.

Raiffeisen hat jetzt an sich sogar einen Käufer für seine russischen Aktivitäten gefunden: Das ist der russische Oligarch Oleg Deripaska, der gleichzeitig Großaktionär beim österreichischen Bauriesen Strabag (gewesen?) ist. Die Entflechtung könnte man als unbares Gegengeschäft organisieren: Deripaska übernimmt in Russland und steigt in Österreich aus. Das wäre auch mit den EU-Sanktionen vereinbar. Also alles klar. Nein, nicht ganz, denn Putin erlaubt das offenbar nicht.

Das kann man nun einerseits ins Kapitel ablegen: Wer sich mit Putin-Russland ins Bett legt, braucht sich über so etwas nicht zu wundern. Davon kann etwa die FPÖ so manche Lieder singen. Aber auch für Raiffeisen war schon die Hereinnahme Deripaskas ein schlimmer Fehler, eine gefährliche Fehleinschätzung des autoritären Christian Konrad. Das haben schon damals viele Beobachter so gesehen.

Das rechtfertigt es aber noch keineswegs, dass Österreich, dass Europa es sich willenlos gefallen lassen muss, wenn europäischen Unternehmen in Russland einfach Milliardenwerte weggenommen werden.

Genauso muss es auch ein zentrales Anliegen der Republik, aber auch der EU sein, wenn der österreichischen OMV ihre Anteile an russischen Gasförderprojekten weggenommen werden. Da geht es nicht darum zu räsonieren, ob es einst ein Fehler war, bei diesen einzusteigen, oder ob man die Entwicklung Russlands von einem hoffnunggebenden Reformstaat zu einem kriegerischen Eroberungsstaat vorhersehen hätte können. Es muss vielmehr jetzt darum gehen, wie sich Österreich, wie sich die EU gegen die Wegnahme von Milliardeninvestitionen wehren kann, hängt doch beides eindeutig auch mit der Eskalation zwischen der EU und Russland zusammen.

Das führt freilich absolut nahtlos zur Tatsache, dass der Westen rund 300 Milliarden Dollar an russischem Vermögen eingefroren hat, das vor allem in westlichen Banken gelegen ist. Das empört nun im Gegenzug Putin und seine profitierenden Hofschranzen.

Bisher sind diese russischen Gelder im Westen nur stillgelegt. Aber mit Fortdauer des Krieges und mit der Verhärtung der Haltung Putins, der, statt echte Kompromissbereitschaft zu signalisieren, immer nur neue Drohungen ausstößt, werden diese Gelder immer mehr zum politischen Thema vor allem in den Vereinigten Staaten, obwohl sie zu einem guten Teil in Europa liegen. Aber hier wird darüber offenbar gar nicht diskutiert.

Diese Beschlagnahmen haben an sich durchaus Logik und Berechtigung angesichts des Angriffskriegs und der riesigen Schäden, die Putin in der Ukraine angerichtet hat. Zwar kann bei den meisten der russischen Besitzer von Konten im Westen nicht genau die Abhängigkeit von Putin nachgewiesen werden. Aber die Vermutung ist riesig, dass keiner der russischen Oligarchen ohne sein Wohlwollen agiert haben konnte. Außerdem sind viele der russischen Konten direkte Staatskonten.

Es liegt also nahe, dass in Hinblick auf die russischen Verbrechen dieses Geld endgültig konfisziert wird. Das ist freilich nicht so einfach. Denn man kann zwar in Rechtsstaaten solche Geldguthaben relativ einfach einmal einfrieren, aber direkt darauf zugreifen, also sie enteignen, ist rechtlich sehr heikel. Dazu braucht es jedenfalls formelle Gesetzesbeschlüsse. Denn sonst würden die Banken in Panik geraten, wenn sie Geldeinlagen an jemand anderen als den ursprünglichen Einleger auszahlen. Da müssten zweifellos die Staaten die Verantwortung übernehmen, da müsste es auch einen klaren Konsens zwischen den USA und der EU geben.

Dabei geht es nicht zuletzt um die amerikanische Notenbank "Fed". Und da spielen auch globalpolitische Sorgen mit: Werden nicht andere Länder in Sorge geraten, wenn in Amerika, aber auch in Europa Einlagen einfach beschlagnahmt werden? Werden diese Länder begreifen, dass der russische Eroberungskrieg eine andere Qualität hat als jene Dinge, die eine oft überbevormundende westliche Politik an dem einen oder anderen Land kritisiert?

Derzeit wird unter den großen westlichen G7-Ländern intensiv diskutiert, wie da weiter vorzugehen ist. Erste Frage daher: Greift man endgültig auf die Gelder russischer Oligarchen und auf die strategischen Reserven, die Russland in New York hält? Zweiter Diskussionspunkt: Wird das Geld nur für die Beseitigung der von Russland in der Ukraine angerichteten Schäden verwendet oder auch zur militärischen Stärkung der ukrainischen Verteidigung?

Diese Diskussion wird umso drängender, da sowohl die USA als auch die europäischen Staaten immer mehr unter der Last der andauernden Notwendigkeit von Hilfe für die Ukraine stöhnen. Ganz zu schweigen von der Perspektive eines Wahlsiegs Donald Trumps, der sowohl für Europa als auch die Ukraine völlig unberechenbare Folgen hätte. Gleichzeitig ist die Biden-Administration relativ unsicher, ob sie in beiden Kammern des Kongresses überhaupt die nötige Unterstützung für eine Beschlagnahme fände, stehen doch die Republikaner unter Verdacht, teilweise sehr russlandfreundlich zu sein.

In diese Diskussion müssten Österreich und Europa spätestens jetzt unbedingt auch die eigenen Interessen, also die Notwendigkeit von Entschädigungen für die in Russland beschlagnahmten Vermögenswerte einbringen. Das ist für Österreich wichtiger als für die anderen. Schließlich war vor dem Krieg fast kein Land im Verhältnis zu seiner Größe so massiv in Russland wirtschaftlich engagiert wie Österreich. Was nicht nur legal, sondern bis 2014 auch in jeder Hinsicht positiv gewesen ist.

Wenn Österreich da jetzt nicht energisch auftritt, dann würde in der internationalen Diskussion wohl sogar völlig untergehen, dass neben der – völlig legitimen, richtigen und notwendigen – Hilfe für die Ukraine auch noch ein zweiter in gleicher Weise moralisch gerechtfertigter Anspruch besteht, auf russische Werte zuzugreifen. Noch dazu, wo der Verdacht besteht, dass die De-facto-Enteignung von OMV und Raiffeisen eine direkte Vergeltung für die von Putin befürchtete Beschlagnahme russischer Gelder ist.  

Im Alleingang geht da für Österreich natürlich gar nichts. Wird es doch schon für die ganze EU schwierig genug sein, den Amerikanern klarzumachen, dass es da einen zweiten gerechtfertigten Anspruch gegen das russische Vermögen gibt neben dem der Ukraine. Dennoch sind diese europäischen, speziell auch österreichischen Ansprüche vorerst noch niemandem in Washington bewusst. Was natürlich auch damit zusammenhängt, dass man dort genug Sorgen mit den eigenen oben erwähnten Fragen hat. Aber auch ein europäischer Alleingang wäre fatal, also ein Beschluss ohne Gleichschritt mit den USA auf russische Gelder in europäischen Banken zuzugreifen. Das wäre auch deshalb heikel, weil besonders viel davon in der Schweiz liegt.

PS: Immerhin gibt es einen Präzedenzfall für eine solche Beschlagnahme: 1990 wurden nach der irakischen Invasion in Kuwait, 50 Milliarden irakischer Fonds beschlagnahmt, um die Opfer der irakischen Aktionen zu kompensieren.

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