Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Späte Reue, späte Einsicht ist besser als gar keine. Daher ist der nunmehrige Beschluss des Verfassungsgerichtshofs anzuerkennen und zu loben, der endlich den an totalitäre Diktaturen erinnernden Umtrieben eines Teils der Staatsanwaltschaft und den Missbrauch mit der Beschlagnahme der gesamten Handykommunikation von Staatsbürgern ein deutliches Stoppsignal gesetzt hat. Wie nicht zuletzt in diesem Tagebuch immer wieder kritisiert worden war, ist da vieles massiv grundrechtswidrig abgelaufen. Das ist nun amtlich. Ganz offensichtlich hat der VfGH aber auch gespürt und erkannt, wie peinlich und staatszerstörend seine frühere Judikatur in diesen Zusammenhängen gewesen ist. Mehr als peinlich ist aber auch die Reaktion der Regierungsparteien auf das Erkenntnis. Überdies ignorieren sie die eigentliche zentrale Frage: Muss nicht eine staatliche Behörde, der vom Höchstgericht massive Grundrechtsverletzungen nachgewiesen sind, die Konsequenzen ihres Verhaltens tragen? Muss nicht zumindest die Spitze der WKStA dringend ausgewechselt werden? Sind nicht eindeutige Grundrechtsverletzungen tausendmal ärger als die Kleinigkeit, wegen der Christian Pilnacek jahrelang suspendiert worden ist, obwohl durch ihn niemand zu Schaden gekommen ist?
Das Judikat des Verfassungsgerichtshofs ist sowohl erstaunlich wie ermutigend. Schien doch dieser VfGH in den letzten Jahren eher wie eine Außenstelle der SPÖ zu agieren. Er hatte im konkreten Zusammenhang die irrsinnige Entscheidung getroffen, dass die Parlamentsparteien Zugriff auf alles haben, was "abstrakt relevant" für sie sei, also auch auf unendlich viele Chats, die sich die Staatsanwaltschaft geschnappt hatte. Die Parteien durften sich mit Hilfe des VfGH aus diesen Handy-Chats alles krallen, was sie gefunden haben. Und sie taten das überall dort, wo man politische Gegner denunzieren kann. Dabei ist kein einziger Jurist – oder Philosoph – imstande, den Universal-Gummibegriff "abstrakt relevant" konkret begreifbar zu definieren. Denn "abstrakt" hängt ja wirklich alles auf der Welt mit allem zusammen.
Auf dem Umweg über den Parlamentsausschuss war es mit Hilfe dieser VfGH-Judikatur der WKStA, der grünen Justizministerin, den gefügigen Abstempelrichtern im Wiener Landesgericht, den Medien und natürlich den Oppositionsparteien gelungen, die ÖVP in eine ständige, wenn auch stets diffus bleibende Wolke des Korruptionsgestanks zu hüllen. Freilich nicht – wie von diesen Akteuren erhofft – zum Nutzen der Linksparteien, sondern ausschließlich zum Nutzen der FPÖ.
Ob all dem ist nun ganz offensichtlich einigen Richtern des VfGH Bauchweh gekommen. Das hat zu ihrer jüngsten Entscheidung geführt, dass das mit der pauschalen Beschlagnahme aller Chats nicht mehr so weitergehen darf. Das ist anerkennenswert. Offenbar gibt es dort doch auch einige, denen die Zukunft der Republik Österreich wichtiger ist als ihr Hass auf die ÖVP. Denn neben der Volkspartei wurde ja auch der Rechtsstaat durch die WKStA mehr und nachhaltiger zerstört als durch irgendeinen anderen Vorgang der letzten Jahrzehnte.
Muss man dem Verfassungsgerichtshof ob seinem Mut zu einer wenn auch späten Richtungskorrektur Anerkennung zollen, so gelingt das gegenüber der Regierung nicht mehr. Wenn Schwarz und Grün jetzt behaupten, dass sie sich durch den Verfassungsgerichtshof bestätigt sehen, kann man nur verächtlich lachen. Die grüne Justizministerin hat ganz im Gegenteil die grundrechtswidrigen Aktionen der Staatsanwälte stets vehement verteidigt und jeden Kritiker der WKStA zum Rechtsstaatsfeind zu stempeln versucht. Und die ÖVP hat die in einem Schlüsselpunkt nun gehobene Strafprozessordnung einst selbst mit dem blauen Justizminister Böhmdorfer (der sich damit ein Denkmal setzen wollte) im Parlament beschlossen; und sie hat auch in den anschließenden Koalitionen mit Blau, Orange, Rot und Grün nie versucht, die StPO ernsthaft zu verbessern.
Man muss freilich vorerst skeptisch bleiben, ob das VfGH-Erkenntnis viel ändern wird. Denn der Verdacht ist groß, dass vor allem die Justizministerin nur eine Als-ob-Reform machen will, die im Grunde nichts an den Umtrieben ändert. Der Verdacht wird durch ihre eigene unfassbare Aussage noch massiv verstärkt, mit wem sich Frau Zadic darüber beraten hat, wie man den Auftrag des Gerichtshofs nun umsetzt (oder umgeht …): Sie hat dabei nach eigenen Worten nur die Staatsanwälte als Gesprächspartner eingeladen, also jene, die hauptverantwortlich für die Verletzung unserer Grundrechte sind! Sonst fiel ihr offenbar niemand ein. Weder die Richter, noch die Rechtsanwälte, noch die (von der WKStA) hinausintrigierte Rechtsschutzbeauftragte, noch unabhängige Professoren. Sie alle haben die WKStA und den exzessiven Missbrauch der StPO schon lange intensiv kritisiert.
Skeptisch muss man auch bleiben in Hinblick auf die vom VfGH – an sich durchaus mit gutem Grund – gewünschte stärkere Einschaltung eines Richters, wenn sich Staatsanwälte Handys und Computer samt allen dort gespeicherten Informationen greifen wollen. Denn bei den Abstempelrichtern des Wiener Straflandesgerichts müsste da ein totaler Wandel einkehren. Haben sie sich doch bisher durch die automatische Genehmigung vieler skandalöser WKStA-Anträge als moralisch völlig unfähig erwiesen, unsere Grundrechte zu schützen. Wie kann man sicherstellen, dass das bei diesem Personal anders wird? Dass die dortigen Richter sich nicht mehr als Erfüllungsgehilfen der Staatsanwälte verstehen?
Darüber hinaus muss es eine klare Einschränkung jener Delikte geben, bei denen ein so massiver Eingriff in die individuellen Rechte, ins Privatleben, wie es die Handy-Beschlagnahme ist, überhaupt denkbar sein sollte. Man denke nur daran, dass durch die bisherige Praxis ganz Österreich von der homosexuellen Veranlagung eines der Akteure erfahren hat (Eine Verhaltensweise, deren Bekanntwerden für manche unangenehm ist, auch wenn sie von den Grünen vehement zur Ehre der Altäre erhoben worden ist …).
Wenn man die Rechtsgüter abwägt, sollte ein so schwerer Eingriff in das Grundrecht auf Privatleben und in den Datenschutz eigentlich nur dann denkbar sein, wenn es einerseits um Delikte gegen Leib und Leben geht, wie Mord, absichtliche Köperverletzung oder Terrorismus; und andererseits um Delikte, bei denen irgendwem, nicht zuletzt der Gemeinschaft der Steuerzahler, ein schwerer Vermögensschaden absichtlich zugefügt worden ist. Aber ganz sicher nicht bei jenen Deliktchen, über die sich die WKStA derzeit so gern erregt, wie etwa wenn sich jemand in der aggressiven Hektik eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses nicht genau genug ausgedrückt hat. Aber ohne dass dadurch irgendein Schaden entstanden ist.
Zugleich muss sichergestellt werden, dass ein unabhängiger Richter, Chat-Nachricht für Chat-Nachricht, ausnahmslos nur das in die Akten fließen lassen darf, was mit der vermuteten Tat zu tun hat, aber sonst nichts, vor allem nichts, was unbeteiligte Dritte in ein schlechtes Licht rücken würde. Geradezu selbstverständlich sollte überdies sein, dass die Betroffenen sofort darüber informiert werden, welche Chats man überhaupt auf ihren Handys gefunden hat. Kann sich doch niemand daran erinnern, welche Nachrichten er vor Jahren in sein Handy getippt hat.
Man sollte auch berücksichtigen, dass in "normalen" Fällen von Daten-Lecks, also wenn bei irgendeiner Firma persönliche Daten gestohlen worden oder sonstwie nach außen gedrungen sind, den Betroffenen Schadenersatz zusteht. Eigentlich wäre es völlig logisch, ja zwingend, dass auch dann Schadenersatz zusteht, wenn die Daten durch Staatsanwälte entwendet worden sind.
All die Vorgänge und Praktiken der Zadic-Staatsanwälte, die nun der Verfassungsgerichtshof – wenn auch nur in Zusammenhang mit einem einzigen, anderen Fall – als verfassungs- und grundrechtswidrig angeprangert hat, bestätigen indirekt und post mortem auch den langjährigen Sektionschef Christian Pilnacek, der das Vorgehen der Staatsanwälte als "Putsch" bezeichnet hat. Und sie rechtfertigen noch viel mehr Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, der sich einst – einem dubiosen Tonbandmitschnitt zufolge – bei Pilnacek über frühere Aktionen der Staatsanwaltschaft beschwert haben soll. Denn schon in gewöhnlichen Rechtsfällen muss es jedem Staatsbürger zustehen, sich über das Vorgehen staatsanwaltschaftlicher Behörden zu beschweren (wie auch bei jeder anderen Behörde). Umso mehr muss eine solche Beschwerde möglich sein, wenn es um ein Verhalten geht, das auf – nunmehr nachgewiesen – grundrechtswidrigem Vorgehen der Staatsanwälte beruht, also einen Bruch der Verfassung darstellt. Was ja auch schon vor dem VfGH-Erkenntnis objektiv gewesen ist. Dieses hat ja nur eine deklaratorische Wirkung.
PS: Was für Geisteskinder diese WKStA-Staatsanwälte sind, kann man an einem Detail des sogenannten Kurz-Prozesses erkennen: Einer von ihnen thematisierte lange, ob der ehemalige ÖVP-Minister Löger nun ÖVP-Mitglied ist oder "nur" Wirtschaftsbundmitglied. Solche Sorgen und Interessen haben unsere Staatsanwälte (oder haben sie die ÖVP schon zur verbotenen Partei machen können?), während ihnen unsere Grundrechte schnurzegal sind ...
PPS: Vieles, was jetzt notwendig ist, haben die österreichischen Rechtsanwälte offiziell schon vor einem Jahr gefordert, sind aber von der linksradikalen Justizministerin ignoriert worden. Sie setzt sich eben nur mit den gleichgesinnten Staatsanwälten zusammen.