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Sind wir zum ersten Mal Zeuge dessen geworden, was seit einem Jahr Experten weltweit in Hinblick auf die Künstliche Intelligenz prophezeien? Darf man, darf ein Politiker sich bei eindeutig und mehrfach rechtswidrigem Verhalten einer Behörde beim zuständigen Ministerium beschweren? Wie weit bestätigen die sogenannten Pilnacek-Tonbänder zusammen mit Vorfällen der letzten Jahre, dass Österreich endgültig zu einem Mafia-Staat geworden ist? Wie ist das Verhalten des ORF als Schlüsselspieler zu bewerten? Wie ist das jetzige Verhalten der ÖVP im Vergleich zu ihrem Verhalten nach Ibiza zu bewerten? Im Folgenden die Suche nach Antworten und den wichtigsten Indizien zu diesen fünf Fragen.
Zur ersten Frage, der nach der Rolle der Künstlichen Intelligenz:
Die KI-Instrumente ermöglichen es, sogar in Video-Aufnahmen Sprechern überzeugend und in deren eigener Stimme Sätze in die Mundbewegungen zu legen, die sie nie gesagt haben. Umso leichter muss das bei einer reinen Ton-Produktion gehen, wo nicht mit einem Video koordiniert werden muss.
In Amerika haben in den letzten Monaten viele Experten und Medien schon prophezeit, dass der kommende US-Wahlkampf der erste sein wird, in dem die Künstliche Intelligenz mit diesen und anderen Methoden zum Einsatz kommt und in dem es die Öffentlichkeit extrem schwer haben wird, die Wahrheit herauszufinden.
Hat jetzt Österreich die "Ehre", erster Schauplatz eines solchen Einsatzes geworden zu sein? Dafür gibt es keine finalen Beweise, aber eine Fülle von Indizien:
Zweite Frage: Wie aber wären die Vorwürfe zu beurteilen, wenn trotz aller skizzierten Indizien die veröffentlichten Mitschnitte doch echt sein sollten?
Diese Alternativvariante würde ein zwar dummes, aber ebenfalls nicht rechtswidriges Verhalten der ÖVP bestätigen.
Denn in einem Rechtsstaat steht es jedem Staatsbürger zu, sich in einem Ministerium über ein rechtswidriges Verhalten einer Behörde zu beschweren. Nur in totalitären Systemen, wie Russland wieder eines geworden ist, wird daraus ein Verbrechen. Und es ist auch kein Delikt, wenn man sich eventuell beim Falschen, bei einem nicht Zuständigen beschwert haben sollte.
Der Rechtswidrigkeiten der WKStA, über die man sich beschweren müsste, gab es jedenfalls mehr als genug. Ein Teil davon ist in Gerichtsurteilen sogar ausdrücklich festgehalten. Das ist Faktum, auch wenn das die in mehreren Parteien und Redaktionen sitzenden Freunde der WKStA unter den Tisch zu kehren versuchen.
Es ist auch keineswegs ein Delikt, wenn Nationalratspräsident Sobotka dem Justizsektionschef Pilnacek im persönlichen Gespräch sehr kritisch vorgeworfen haben sollte, dass dieser die (nicht nur) seiner Meinung nach rechtswidrigen Hausdurchsuchungen bei der ÖVP und die geradezu willkürliche Beschlagnahme der Handys zahlreicher ÖVP-Politiker nicht gestoppt hat. Ein Delikt wäre es – eventuell! – nur, wenn Sobotka das in Hinblick auf einen gerade laufenden Verfahrensschritt gemacht hätte. Davon findet sich aber absolut nichts in der gezielten Transkript-Auswahl von ORF und Kronenzeitung.
Zugleich aber ist klar: Solche ÖVP-Wünsche an Pilnacek, die rechtswidrige Hatz auf die ÖVP abzustellen, wären dumm und ahnungslos gewesen. Aus mehreren Gründen:
Auch das alles lässt angebliche ÖVP-Versuche, Pilnacek zum Amtsmissbrauch anzuleiten, als extrem unwahrscheinlich erscheinen. Aber gewiss: Dummheit und Ahnungslosigkeit kann man nie ausschließen.
Die dritte Frage: Ist Österreich ein politischer Mafia-Staat geworden?
Die bedrückende Antwort lautet: Viel, allzu viel deutet in den letzten Jahren darauf hin.
In diese hier in den übelsten Tiefpunkten skizzierte Serie, die beweist, dass Österreich wirklich am Weg zum Mafia-Staat ist, passt nahtlos das Pilnacek-Tonband – egal, ob es ein Fake ist (in diesem Fall gleicht es den Haider-Photos, aber auch den skurrilen Versuchen rund um die Lucona-Versenkung, durch Konstruktion falscher Beweise die Schuld abzulenken), oder ob es echt und damit Produkt einer inszenierten Falle ist (womit es massiv an Ibiza erinnern würde).
Auch das Timing weist massiv auf einen politmafiosen Zusammenhang hin:
Nach Pilnaceks Tod war man dann wohl ein paar Tage unsicher, ob man die angeblichen Mitschnitte überhaupt noch braucht. Nach dem bewegenden Auftritt der Pilnacek-Witwe "Man hat ihm das Leben genommen" herrschte aber plötzlich wieder höchster Bedarf an solchem Material. Denn jetzt konnte man mit einer einzigen Aktion gleichzeitig den als Toter noch einmal bedrohlich gewordenen Pilnacek ins Licht einer falschen Zeugenaussage im U-Ausschuss bringen und die ÖVP anschwärzen.
Noch viel wichtigerer Vorteil: Von drei Teilnehmern jenes angeblichen Gesprächs ist der wichtigste jetzt tot, während man die anderen versteckt hält. Da kann man jetzt ungehindert in der Öffentlichkeit so viele Transkripte veröffentlichen, wie man will, ohne dass der zentrale Gesprächsteilnehmer widerspricht.
Vierte Frage: Das Verhalten des ORF.
Der Zwangsgebührenfunk hat sich in den letzten Stunden eindeutiger denn je als Anti-ÖVP-Hass-und-Hetz-Sender betätigt. Denn einerseits hat er intensiv auf allen Kanälen, in großer Breite und unter etlichen Kosten und Mühen (etwa durch die angebliche Beauftragung eines Gutachtens, falls dieses nicht ebenfalls von den Lieferanten-Gaunern gekommen ist) über die behaupteten Pilnacek-Tonmitschnitte berichtet. Andererseits aber hat der ORF in den Tagen davor mit keiner Silbe über die schweren Anschuldigungen der Pilnacek-Witwe berichtet.
Fünftens: Die schweren Fehler der ÖVP.
Derer gibt es viele. Sie gehen (abgesehen von der einstigen Zustimmung der ÖVP zur fatalen StPO-Reform mit der Eliminierung des unabhängigen Untersuchungsrichters) interessanterweise fast alle auf Sebastian Kurz zurück.
Die dabei von Kurz ständig wiederholte Begründung für diesen Kickl-Abschuss geht in Wahrheit völlig daneben. Sie fällt aber nun der ÖVP doppelt auf den Kopf: Laut Kurz von damals könne keine saubere Untersuchung der Ibiza-Vorgänge stattfinden, wenn der Innenminister ein Parteifreund des damals ins Zwielicht geratenen Strache ist. Dabei hat es keinerlei Hinweise gegeben, dass Kickl selber in irgendeiner Weise in die Ibiza-Äußerungen Straches verwickelt war (nur die seltsam unappetitliche Russland-Nähe der FPÖ ist geblieben). Kurz hat nicht begriffen, begreifen wollen, dass nicht die Kickl unterstehenden Kriminalbeamten, sondern die Staatsanwälte die absoluten Herren des Verfahrens sind.
Daher hat Kickl jetzt ein extrem gutes Argument, wenn er den Rücktritt von Parlamentspräsident Sobotka verlangt, der als einziger namentlich in den bekanntgewordenen "Pilnacek"-Texten vorkommt. Selbst wenn – was jedenfalls ziemlich eindeutig erscheint – Sobotka nicht Rechtswidriges getan hat, sofern die Texte echt sein sollten, so steht er doch jetzt im Zwielicht. Jetzt trifft auf ihn zweifellos das vom ORF fast automatisch für Politiker rechts der Mitte programmierte Vokabel wirklich zu: jetzt ist er als Parlamentspräsident wirklich "umstritten", wenn auch wahrscheinlich nur durch eine weitere der ganz großen politkriminellen Intrigen Österreichs.
Umstritten ist Sobotka sogar dann, wenn die Vermutungen der ÖVP stimmen sollten, dass diesmal nicht sozialistische, sondern freiheitliche Kreise hinter der Intrige stecken. Vorerst stützen sich diese Vermutungen freilich bloß darauf, dass Kickl wie auch der einstige Partner Jörg Haiders, Stefan Petzner, schon vor Veröffentlichung der Transkripte düstere Andeutungen gemacht haben, die auf ein vorzeitiges Wissen über den Inhalt hindeuten.
PS: Geradezu grotesk ist, dass jetzt eine ausgerechnet von Alma Zadic, also von einer noch viel mehr umstrittenen Politikerin, zusammengestellte Untersuchungskommission die Causa untersuchen soll. Wenn da nicht die Grazer Landesgerichtspräsidentin und hochrangige Kriminalisten gleichberechtigt neben den üblichen linken Zadic-Bejublern drinnen sitzen, wenn diese Kommission nicht wirklich allem, insbesondere dem Agieren der WKStA, der Rolle von Zadic selbst und der skandalöse langen Untätigkeit der Disziplinarkommission, nachgehen wird, ist die Glaubwürdigkeit absolut Null. Und nur eine weitere Geldverschwendung dieser Ministerin, etwa gleichbedeutend mit ihrer Homosexuellenprämie.
PPS: Frei jeder Logik ist auch der Vorstoß von Frau Zadic, dass jetzt die Notwendigkeit eines Generalstaatsanwaltes bewiesen sei. Als ob es dann verboten sein könnte, sich bei dem über das Verhalten der Staatsanwälte zu beschweren und eine Änderung des rechtswidrigen Verhaltens der staatsanwälte zu verlangen.
PPPS: Interessante Information am Rande: Wer in Gesetzen oder Verfassung nach Wegen sucht, einen Nationalratspräsidenten abzusetzen, der wird mit Erstaunen feststellen: Der ist nicht absetzbar – es sei denn, der ganze Nationalrat beschließt seine eigene Auflösung. Was die Damen und Herren Abgeordneten mit Ausnahme der FPÖ auch wieder nicht so gerne haben ...