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Sämtliche sozialistische Ex-Kanzler und ein roter Landeshauptmann sind demonstrativ ferngeblieben. Aber sonst gab es beim SPÖ-Parteitag keinerlei nennenswerten Widerstand gegen Andreas Babler. Dieser ist nun erstmals korrekt (und nicht nur mit Hilfe eines mehrfach dubiosen Stimmzettel-Jonglierens) gewählter Parteichef. Es gab auch keine erkennbare Opposition gegen Bablers inhaltliche Rückkehr zum Klassenkampf der Zwanziger Jahre – des vorigen Jahrhunderts. Das macht jetzt alle SPÖ-Exponenten mitschuldig an der Entwicklung der lange seriös-gemäßigten Partei zu einer linksradikalen Partei. Solche Entwicklungen haben weltweit noch nie den Sozialdemokraten geholfen. Sie setzen aber auch die ÖVP unter enormen Zugzwang. Wenn diese nicht in den nächsten Tagen handelt, dann hat sie wirklich alles verspielt.
Die SPÖ hat sich mit ihrem Absturz in eine wirklichkeitsferne Linksradikalität begeben, bei der auch nur eine teilweise Realisierung für Österreich eine absolute Katastrophe wäre. Praktisch sämtliche Programmpunkte, die von den Genossen jubelnd angenommen wurden (hier sind ein paar aufgelistet), sind für bürgerliche Wähler der ÖVP absolut inakzeptabel. Während die SPÖ in Tirol, Kärnten und vor allem in der Steiermark einen vernünftigen Kurs fährt, ist nun die Bundespartei mit den Kommunisten weitestgehend deckungsgleich geworden.
Wenn Karl Nehammer daraus nicht klare Konsequenzen zieht, werden sich viele ÖVP-Wähler von ihm abwenden und ins Lager der Nichtwähler oder der FPÖ wechseln. Wenn er jetzt nicht klar sagt: "Mit diesem Programm und mit diesem Parteiobmann ist die SPÖ für uns kein akzeptabler Koalitionspartner!", dann wird er schuldig am Abstieg der ÖVP in Richtung Einstelligkeit.
Wer einen solchen Absturz für undenkbar hält, der sollte sich an das Schicksal etwa der italienischen oder spanischen Christdemokraten erinnern, also zweier Schwesterparteien, die beide als stolze, langjährige und verdienstvolle Regierungschef-Parteien durch einen inhaltlichen Linkskurs, durch unfähige Parteichefs und Korruptionsaffären ins Nirwana gestürzt sind.
Aber Hallo, werden manche sagen. Hat Nehammer nicht etwas Ähnliches vor einigen Wochen eh schon gesagt? Das hat er in der Tat – nur in Richtung FPÖ, also ausgerechnet in Richtung jener Partei, mit der die ÖVP ihre beiden weitaus erfolgreichsten Regierungsperioden im letzten halben Jahrhundert absolviert hat.
Genauer gesagt, hat er die ÖVP "nur" in Richtung von Herbert Kickl auf Njet festgelegt. Der aber ist zufällig Chef der Partei und dort heute völlig unangefochten.
Nehammer hat Kickl eine inhaltlich tatsächlich mehr als dumme Position vorgeworfen, nämlich die Absage an "Sky Shields", also an eine Teilnahme Österreichs bei den europäischen Bemühungen, gemeinsam ein Abwehrsystem gegen angreifende Raketen aufzubauen. Unabhängig davon, ob das jemals funktioniert, wäre ein solches System dringend wünschenswert, wenn man die militärische Landesverteidigung der Republik (der jährlich Zehntausende junge Männer ein bedeutsames Stück ihres Lebens schenken müssen) auch nur eine Sekunde lang ernst nimmt. Von der Ukraine bis Israel sieht man, wie sehr moderne Kriegsführung heute von Raketenangriffen dominiert wird.
Gleichzeitig ist es absolut auszuschließen, dass Österreich ein solches System im Alleingang aufbauen kann. Es ist auch schlicht dümmlich, wenn Kickl behauptet, dass die Neutralität das verbieten würde. In Wahrheit kann ein Raketenabwehrsystem ja schon per definitionem nur dann aktiv werden, wenn Österreich angegriffen wird – in dieser Sekunde ist aber auch die Neutralität völkerrechtlich durch den Angriff tot. In dieser Sekunde ist selbst ein immerwährend neutraler Staat voll legitimiert, sich in Zusammenarbeit mit anderen Staaten zu verteidigen. Da ein Raketenabwehrsystem absolut ein rein definitives System ist, kann man sich selbstverständlich auch schon vor dem potentiellen Angriff darauf kollektiv vorbereiten.
Es gibt nur eine einzige Macht, die regelmäßig Interesse gezeigt hat, dass Österreich keine effektive Verteidigung hat. Die heißt Russland. Das erinnert wieder gefährlich an die mehrmals offenkundig gewordenen Sympathien der FPÖ für das Putin-Russland.
Im Übrigen hat sich Österreich (auch unter freiheitlichen Verteidigungsministern!) schon seit Jahrzehnten – etwa durch Austausch der Goldhaube-Radar-Informationen, etwa durch die Nato-"Partnership for Peace", etwa durch Übernahme von Nato-Taktiken – gemeinsam mit anderen Ländern auf Abwehr eines eventuellen Angriffs vorbereitet. Und es hat auch immer wieder Waffen, die zum Unterschied von einer Raketen-Abwehr auch offensiv eingesetzt werden können, bei anderen Staaten gekauft und auch solche Waffen an diese verkauft.
Die ÖVP hat also an sich durchaus Recht, wenn sie im FPÖ-Njet zu Sky Shields einen gravierenden Punkt erkennt, der gegen die Interessen Österreichs und gegen ein Eingehen einer Koalition mit der FPÖ spricht. Egal wer da Nummer Eins ist.
Eine daraus erfolgende Generalabsage an die Kickl-FPÖ ist aber nicht legitim und schon gar nicht klug. Diese Haltung wird geradezu absurd, wenn die ÖVP nicht jetzt erkennt – und es auch deutlich ausspricht –, dass Bablers Linksradikal-Kurs noch viel mehr eine Generalabsage rechtfertigt. Spätestens ab diesem Parteitag machen zahllose gravierende Punkte seiner Politik eine Koalition mit ihm völlig unmöglich, auch wenn in den offiziellen Beschlüssen das eine oder andere ein wenig vernebelt worden ist. Aber ausdrücklichen Abstand genommen hat Babler von keiner einzigen seiner zahllosen Schlaraffenland-Forderungen und Kommunismus-artigen Attacken auf alle Unternehmen und Leistungsträger.
Die neuen SPÖ-Inhalte sprechen mindestens zwölf Mal so stark gegen eine Koalition mit der Babler-SPÖ, wie es die Sky-Shield-Frage gegen eine Koalition mit der FPÖ tut. Dazu kommt, dass Bablers Populismus-Brief, nein, -Buch ans Christkind mit hundertprozentiger Sicherheit in eine schwere Wirtschaftskrise führen muss. Hingegen gibt es in Sachen Landesverteidigung zumindest die Chance, dass Österreich auch in den nächsten Jahren ohne nennenswerte eigene Landesverteidigung so wie in den letzten Glück haben und als Trittbrettfahrer der Nato durchkommen kann. Auch wenn angesichts des Verlaufs der beiden gegenwärtigen Kriege verständlich ist, dass eine Raketenabwehr für die ÖVP ein wichtiges Anliegen ist.
Freilich ist klar, dass sowohl beim Raketenthema wie auch bei der Wirtschaftspolitik etliche Österreicher die Zusammenhänge nicht ganz verstehen werden, und dass die ÖVP überdies seit langem keinen guten Kommunikator in diesen Gebieten hat. Daher ist vielleicht für etliche Wähler, die von diesen Themen wenig Ahnung haben, ein ÖVP-Nein zu einer Koalition mit diesbezüglich verantwortungslosen Parteien geistig nicht wirklich zwingend.
Umso klarer verstehen die Wähler aber die dringenden Notwendigkeiten in Sachen Migrationspolitik. Wenn da die SPÖ von zusätzlichen legalen Migrationswegen schwätzt und österreichische Mithilfe bei der Schlepperei übers Mittelmeer (die als "Seenotrettungsmissionen" getarnt werden) verlangt, dann wird für jeden bisherigen Wähler ein neuerlicher Stimmzettel für die ÖVP unmöglich, solange diese nicht noch viel deutlicher als bei Kickl sagt: "Mit uns kommt diese SPÖ sicher nicht in die Regierung."
Zwar ist Kickl für potentielle ÖVP-Wähler – insbesondere im Vergleich zu den Vorgängern an der FPÖ-Spitze – als Partner gewiss schwer verdaulich. Aber für die allermeisten von ihnen ist das ein Babler noch viel weniger. Er ist absolut unverdaulich. Daher können sie die ÖVP nicht mehr wählen, wenn es eine Wahrscheinlichkeit gibt, dass die ÖVP dem Mann aus Traiskirchen (in welchem Amt immer) in die Regierung hilft. Daher wird die ÖVP, wenn sie auf ihrem gegenwärtigen Stand bleibt – absolutes Nein zu Kickl, hingegen bloßes Herumgerede zu Babler –, in ein absolutes Fiasko am nächsten Wahltag schlittern.
Gewiss ist die ÖVP eine Partei, die immer viel lieber mitregiert, als auch nur den Gedanken an eine Oppositionsrolle zu hegen. Gewiss wird sie im Falle eines Neins sowohl zu FPÖ wie auch SPÖ massiv von der linken Medienlandschaft wie auch von dem noch linkeren Bundespräsidenten unter Druck kommen, sich doch ihrer Verantwortung bewusst zu werden, und doch mit Babler zu kooperieren, der eh auf ein paar seiner Wünsche verzichten wird, aber natürlich keinesfalls mit dem "Rechtsextremisten" Kickl.
Die Wähler denken jedoch total anders.
Daher gibt es für die ÖVP nur noch eine Chance, die auch etlichen Mut erfordert. Die ist auch die einzige, die sie noch hat: Sie ändert noch deutlich vor dem Wahltag ihre Haltung.
Wer die Liste der Themen durchgeht, bei denen der ÖVP eine schwere Selbstbeschädigung droht, wird hundertprozentig draufkommen, dass sie bei der SPÖ viel, viel länger ist als bei der FPÖ, mit der es ja überdies auch sonst viel mehr Gemeinsamkeiten gibt. Mit der auch die Erfahrung gemeinsamer Regierungsjahre viel positiver gewesen ist als in den Jahren mit der SPÖ. Gewiss bleibt das Restrisiko der Person Kickl. Aber auch das erscheint gering, wenn man Kickl als Kontrastprogramm mit der Person Babler vergleicht.
All das spricht für die Notwendigkeit, jetzt mit voller Deutlichkeit Nein zur Babler-SPÖ zu sagen.
Noch etwas zeigt, dass ein solches Nein im Interesse der ÖVP läge: Das ist die Rolle der Neos. Denn diese sind für eine Linkskoalition (mit SPÖ und Grünen) notwendig, die sonst ja chancenlos wäre. Auch die Funktionäre der Neos sind längst auf diese Perspektive eingestellt. Da dort alle von absolutem Hass gegen die FPÖ geprägt sind, wäre eine solche Linkskoalition der einzige Weg, jemals einen Minister stellen zu können.
Gäbe es jetzt ein klares Nein der ÖVP an die Babler-SPÖ, dann könnten die Schwarzen die Neos täglich vorführen: "Die Neos behaupten, liberal zu sein, verhelfen aber zugleich dieser SPÖ, eine Koalition einzugehen, die für Steuererhöhungen und unfinanzierbare Wohlfahrtsstaatsexzesse steht!" Solche Kritik an den Neos wäre gerade jetzt umso legitimer, als dort erstens gerade der vorletzte echte Liberale und zugleich letzte wirtschaftlich gebildete Mandatar (ohne überzeugende Begründung!) auf sein Neos-Mandat verzichtet hat. Und zweitens erleidet die deutsche Schwesterpartei FDP gerade in einer solchen Linkskoalition gegenwärtig den steilsten Absturz ihrer Geschichte, erhält bei Umfragen im Vergleich zur letzten Wahl nicht einmal mehr die Hälfte der Unterstützung und muss nun sogar heftig um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen.
Die ÖVP scheint aber, so sieht es zumindest zur Stunde aus, nicht imstande zu sein, den Elfmeter zu verwandeln, den Babler und sein Kurs für sie bedeuten.