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Die fünf (voraussehbar gewesenen) Ursachen des Benko-Krachens

Alle jene, die am 18. Juni, also vor fast fünf Monaten, dieses Tagebuch gelesen haben, wussten schon damals, dass auf den Investor René Benko Schlimmes zukommt. Alle anderen wurden offenbar in den letzten Tagen vom Krachen des Tiroler Milliarden-Jongleurs überrascht. Besonders traurig ist, dass anscheinend auch etliche der angeblichen Wirtschaftsgrößen dieses Landes (von denen einer Hauptfinancier der weit nach links abgerutschten Pinken ist) zu den Überraschten zählten. Dabei sind auch ohne Studium von Tagebuch oder internationalen Medien die meisten Ursachen voraussehbar gewesen, warum der überaus selbstbewusste Tiroler in so einen Krisenstrudel geraten ist.

Benko ist ein typischer Vertreter einer Generation, in der viele geglaubt haben, mit riskanten Spekulationsgeschäften am erfolgreichsten ihre Zukunft aufbauen zu können. Man könnte sie Hosenträger-Generation nennen (auch wenn Benko vielleicht keine getragen hat). Sie haben wohl zu viele Wallstreet-Filme gesehen, Hochglanz-Wirtschaftsmagazine gelesen und nicht begriffen, dass die tollen Erfolgsgeschichten der internationalen Finanzwelt fast immer auch sehr eng mit steilen Abstürzen zu tun hatten. Innerlich waren und sind sie von Verachtung für Begriffe wie Leistung, Erfahrung und Vorsicht geprägt. Ihr aufgeblasenes Ego lässt für Selbstzweifel keinen  Platz.

Es ist eine kleine, aber bezeichnende Beobachtung, als ich den Mann zum ersten Mal gesehen habe. Es war bei einem sommerlichen Empfang des Sebastian Kurz am Höhepunkt seiner Erfolgswelle. Hunderte Gäste, darunter viele Wirtschaftsbosse, ehemalige wie amtierende Minister und Botschafter, standen geduldig in der Schlange, um den Gastgeber zu begrüßen. Nur einer dachte nicht daran, solche für andere selbstverständliche Regeln der Höflichkeit zu beachten, schob die Gäste beiseite und sich an die Spitze der Schlange. Ein gewisser René Benko.

Das lässt auch gleich sinnieren, ob Benko und Kurz nicht gewisse Ähnlichkeiten haben: Beide sind sehr, vielleicht allzu früh steil nach oben gekommen, haben oft Warnungen in den Wind geschlagen, sind risikobereit und in maßloser Selbstüberschätzung vom Glauben gepackt, dass ihnen alles gelingt. Das zeigte sich bei Kurz etwa im wahnwitzigen Glauben, imstande zu sein, aus den Grünen einen Koalitionspartner zu machen, der keinen schweren Schaden für Österreich bedeutet.

Es gibt aber auch Vieles, das die beiden unterscheidet. Kurz ist nicht nur zehnmal höflicher und wirkt viel bescheidener. Er hat gewiss auch viele Fehler gemacht (einer hieß: "Koste es, was es wolle"), aber sicher nicht den, dessentwegen ihm die Zadic-Justiz einen Monsterprozess angehängt hat.

Zurück zu Benko. Folgende fünf Faktoren haben zu seinem Absturz geführt:

  1. Er hatte wie ein Zirkusartist viel zu viele Bälle gleichzeitig in der Luft. Ohne dass irgendjemand einen echten Überblick hätte (mit Sicherheit auch er nicht), sollen um die tausend Gesellschaften zu seinem Imperium zählen, dem zahlreiche bekannte wie unbekannte Investoren große Geldsummen anvertraut haben.
  2. Der steile Anstieg der Zinsen, mit dem die Europäische Zentralbank die ausufernde Inflation (endlich) zu bekämpfen begonnen hat, hat sämtliche Finanzierungsmodelle, die mit Krediten verbunden sind, dramatisch über den Haufen geworfen. Plötzlich konnte Benko die Schulden nicht mehr bedienen.
  3. Eng damit zusammen hängt der nächste Krisenfaktor: Immobilien verloren rasch an Wert, eben weil wegen der teuer gewordenen Kreditfinanzierung das Interesse potentieller Käufer total abgestürzt ist. Die Gewinne, die Benkos Imperium in den letzten Jahren zu erzielen schien, waren aber überwiegend Gewinne, die auf der ständig steigenden Bewertung der Immobilen in den Bilanzen beruhten. Das hatte keine nachhaltige Substanz. Das waren keine wirklich erwirtschafteten Gewinne.
  4. Ein weiterer Faktor steht ebenfalls in Zusammenhang mit den gestiegenen Zinsen: Die gesamte europäische Wirtschaft, also nicht nur die Immobilienbranche, rutscht erstmals seit langem in eine Rezession. Das reduziert die Zahl jener Unternehmen wie Investoren dramatisch, die bei Benko Büroräume anmieten oder gar Häuser kaufen wollten.
  5. Eine völlig andere Ursache, die zum gleichen Ergebnis geführt hat, ist der Drang zum Home-Office. Dieses arbeitende Daheimbleiben hatte schleichend begonnen, ist dann in der Pandemie richtig explodiert – aber auch nach der Pandemie haben viele Firma weiter großzügig Home-Office erlaubt. Denn erstens wollen es viele Angestellte (wahrscheinlich vor allem jene mit einem eigenen Büroraum daheim). Denn zweitens spart es den Firmen dramatisch Kosten, wenn man nicht mehr für alle Mitarbeiter Arbeitsräume bereitstellen muss, sondern nur noch für einen Teil. Schon im Juni war im Tagebuch zu lesen, dass in den zehn größten Bürodistrikten der USA bloß noch 50 Prozent der Angestellten im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit am Arbeitsplatz sind.

Damit war schon im Frühjahr eigentlich klar, dass sich bei den Büroimmobilien eine neue große Krisenblase angefüllt hat. Es ist undenkbar, dass ich damals der einzige gewesen sein sollte, der diese Zusammenhänge schon vor dem Sommer gesehen hat. Allerdings: Öffentlich hat sich damals keiner der vielen hochbezahlten Mega-Weisen dieses Landes in Medien oder Wissenschaft laut dazu geäußert.

Weltweit sind jetzt zahllose Büro-Immobilen auf dem Markt – und niemand will sie. Ihre Umwandlung in Wohnhäuser ist oft zu mühsam und teuer. Es waren aber vor allem Bürohäuser, mit denen Typen wie Benko und alle, die ihm Geld anvertraut haben, eine Zeitlang die großen Gewinne gemacht haben. Wenn auch nur auf dem Papier.

Benko ist zwar auch in den Einzelhandel eingestiegen. Aber alles deutet darauf hin, dass er die (schon früher krachenden) Handels-Häuser meist nur deshalb gekauft hat, weil zu denen immer auch große, scheinbar wertvolle Immobilen in bester Lage gehören. Die erworbenen Handels-Unternehmen selbst hingegen haben ihn bestenfalls tertiär interessiert; auch wenn das jener Benko-Bereich ist, über den die Medien im letzten Jahr am meisten berichtet und mit dem sich Gewerkschaften und Politik am meisten befasst haben. Im Bereich des Einzelhandels hat Benko wohl richtig erkannt, dass der Einzelhandel auf Grund der Konkurrenz durch den Online-Handel in eine dauerhafte Abwärtsbewegung geraten ist.

Die Klugheit dieser Erkenntnis ist aber erstaunlicherweise das Gegenteil zu den schweren – oben skizzierten – Fehlern in seinem eigenen Bereich, der Immobilienartistik.

Es geht jetzt aber nicht mehr nur um das Scheitern eines überheblichen und Fehler machenden Spekulanten wie auch seiner viel zu spät reagierenden Rat- und Geldgeber. Denn: Der "dramatische Rückgang des Bedarfs an Büroflächen muss nicht nur den Benkos dieser Welt, sondern auch den Banken Sorgen machen. Denn bisher waren Bürohäuser sehr beliebtes Pfand für große Kredite. Nun droht reihenweise der Rückfall der Bürohäuser an die Banken, die mit diesen aber nichts mehr anfangen können."

So schrieb das Tagebuch wörtlich schon am 18. Juni. Dieser Satz ist auch heute Wort für Wort noch viel dicker zu unterstreichen.

Dennoch wird im Benko-Imperium erst jetzt verzweifelt nach den Notbremsen gesucht. Ohne sie bisher gefunden zu haben. Diese Verspätung ist unverzeihlich und diskreditiert alle, die in diesem Jongleur-Kosmos irgendeine Funktion haben oder die ihm Geld gegeben haben, ob sie nun Gusenbauer, Haselsteiner oder Riess-Hahn heißen.

Auch die Banken sind auf Tauchstation. Sie haben wahrscheinlich angesichts der Größe des unübersichtlichen Benko-Imperiums nicht einmal selbst schon den Überblick, wo sie überall zittern müssen und wer am meisten zittern muss. Müssen sie jetzt etwa gar den Ein- und Anlegern (endlich) in breiter Front und ohne ärgerliche Nebenbedingungen deutlich bessere Zinsen bieten, damit diese das Geld auf der Bank lassen und nicht allzu nervös reagieren?

Vor den nächsten Tagen müssen wir jedenfalls extrem bangen. Kann die Krise eine isolierte Krise Benkos und jener anderen Immobilien-Haie bleiben, welche die jahrelang viel zu niedrigen EZB-Zinsen für riskante Immobilien-Geschäfte genutzt haben, welche die Folgen des Trends zum Home-Office und zum Online-Handel nicht rechtzeitig begriffen haben? Oder werden (wieder) auch andere Branchen und die Bankenwelt mit in den Strudel gezogen? Das könnte daran erinnern, wie vor anderthalb Jahrhunderten die Wiener Weltausstellung zuerst einen Boom und dann einen Katzenjammer ausgelöst hat, der in der Folge zu einer der größten globalen Wirtschaftskrisen geführt hat.

Besonders ärgerlich ist heute die Rolle der EZB. Sie hat jahrelang die Zinsen viel zu niedrig angesetzt, um Schuldnerländern zu helfen. Als aber diese Nullzinsen die Inflation immer höher getrieben haben (was jedes Wirtschafts-Lehrbuch vorausgesagt hätte), musste die EZB dann doch mit den Zinsen hinaufgehen. Fataler Weise musste sie das mitten in einer schweren Energiekrise als Folge der russischen Invasion und der deutschen Kohle- und Atom-Selbstkastration. Die Zinserhöhungen haben zwar, wie ebenfalls zu erwarten war, die Inflation schon wieder kräftig nach unten gedrückt. Das löst aber ebenso unweigerlich eine Wirtschaftskrise aus. Die noch manch weitere Opfer fordern wird.

Die nur für Benko und seinen "Experten"-Beirat überraschend gekommen ist. 

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