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Paukenschlag beim Zeitungssterben

Medienexperten rechnen für die nächsten Wochen angesichts der dramatischen Wirtschafts- wie Auflagen-Situation der österreichischen Zeitungen mit einem sehr konkreten und sehr lauten Paukenschlag, der noch weit mehr Aufmerksamkeit erregen wird als die Kündigung der Kollektivverträge. Diese Situation der Zeitungen verschärft sich derzeit jedenfalls geradezu von Tag zu Tag. Hintergrund der Existenzkrise – über die die Zeitungen naturgemäß selber gar nicht gerne schreiben – sind gleich mehrere Faktoren.

Auf diese Krise wird nun eine gemeinsame Reaktion vorbereitet, die nach Angabe von Branchen-Insidern zwischen den Verlegern schon weitgehend abgesprochen sein soll: Die österreichischen Blätter wollen gleichzeitig ihre Montagausgaben einstellen.

Das hat einen guten Grund: Diese Ausgaben stellen einen ganz besonders hohen Kostenfaktor dar, obwohl sie die dünnsten Blattumfänge der Woche haben, und obwohl ihr Inhalt zum guten Teil erkennbar schon vor dem Sonntag verfasst worden ist. Aber das wirklich Teure ist ja der Druck der Zeitungen an Sonntagen. Dabei sind vor allem die luxuriösen Kollektivverträge der Drucker der größte Preistreiber. Daneben ist aber zweifellos auch die Sonntagsarbeit der Journalisten und der Vertriebsmitarbeiter ein saftiger Kostentreiber.

Gleichzeitig hat die frühere Hauptfunktion der Montagszeitungen viel an Bedeutung verloren: Das waren die Sportergebnisse. Diese können inzwischen schon längst im Internet verfolgt werden. Kulturpremieren, die große Rezensionen rechtfertig würden, werden ohne Montagszeitungen an Samstagen ohnerdies nicht mehr stattfinden (ganz abgesehen von der rapide abnehmenden Bedeutung der an ganz ähnlichen Problemen leidenden Theater). Die Innenpolitik, aber auch gute Teile der Außenpolitik finden an Sonntagen fast überhaupt nicht statt. Die Wirtschaft noch seltener. Montagzeitungen sind daher meist recht langweilig.

Freilich gibt es Ausnahmen, die an einigen Tagen im Jahr eine erhöhte Nachfrage auslösen. Dazu gehören unvorhersehbare Ereignisse wie Katastrophen, Kriegsausbrüche, Börsenkrachs, prominente Rücktritte oder Todesfälle. Diese sind in der Vergangenheit aber extrem selten so bedeutend gewesen, dass ihre Wirkung wirklich in der Auflage nachweisbar wäre. Daneben gibt es einige vorhersehbare Aufreger für die Montagsblätter: Das sind Wahltage im Inland und eventuell auch in Deutschland (das restliche Ausland wählt wie die USA an anderen Tagen oder braucht zu lange zum Stimmenauszählen oder ist nicht wirklich ein Straßenfeger). Daher überlegt man, für diese wenigen Tage Ausnahmen zu machen und (eben nur dann) Nachwahl-Montagszeitungen zu machen.

Das große Problem der Verlegerszene in diesen Tagen ist aber ein ganz anderes: Zwar sind die Verleger in der Stunde der Not – eigentlich: in den Jahren der Not – zusammengerückt, aber dennoch traut keiner dem anderen wirklich über den Weg. Sie sehen einander immer noch primär als Konkurrenten. Und überdies verbieten die Kartellgesetze verbindliche Absprachen zwischen den einzelnen Verlagen.

Viele in der Medienbranche erinnern sich in diesem Zusammenhang an einen Jahrzehnte zurückliegenden Fall. Damals ging es um die Umstellung zweier Blätter von Kleinformat auf das normale Format. Das Kleinformat ist einerseits zwar bei Lesern sehr beliebt (vor allem bei den älteren), es ist aber in der Produktion deutlich teurer. Daher hatten einst Kronenzeitung und das Kleine Volksblatt der ÖVP insgeheim verabredet, gleichzeitig auf das bei anderen Blättern schon lange übliche Format umzustellen. Das löste aufwendige Vorbereitungen aus (vom Layout bis zur Druckmaschine). Jedoch: Am verabredeten Morgen entdeckten die Volksblatt-Menschen zu ihrem Schock, dass sie bei der Umstellung alleine geblieben waren. Die Krone erschien unverändert weiter im Kleinformat. Und viele Leser verließen das Volksblatt.

Daher hat jeder Angst, dass auch in Hinblick auf das Montagblatt eine naturgemäß unverbindliche Vereinbarung zwischen so vielen Konkurrenten nicht halten wird.

Man wird sehen, wie es weitergeht. Ist die Angst vor einem neuen Leger durch die Konkurrenz größer – oder ist es die Angst vor den leeren Kassen?

Auch das Sterben etlicher Konkurrenten hat den Überlebens-Atem der Verbliebenen nicht gesteigert. Dabei sind in den letzten Jahren etliche Zeitungen auf dem Friedhof gelandet: Wienerzeitung, Volksblatt, Täglich alles, Wirtschaftsblatt. Ohne dass irgendein anderes Blatt dazugekommen wäre. Wenn man heute jene Zeitungen zählt, die völlig eigenständig erscheinen (wobei die diversen Mutationen ein und derselben Zeitung ebensowenig mitgezählt werden, wie die immer mehr einem Billa-Prospekt ähnelnden Gratiszeitungen), dann gibt es in Wahrheit in Österreich nur noch neun Zeitungen. Das ist fast eine Halbierung der einstigen Titelzahl.

Immer mehr Österreicher lesen überhaupt keine Papierzeitungen, nicht einmal die Gratisblätter. Waren es früher rund zwei Drittel, die regelmäßig bei der Media-Analyse angaben, zumindest eine Zeitung in der Hand gehabt zu haben, so ist es jetzt nur noch rund die Hälfte.

Was noch dramatischer ist: Bei den Jungen ist das Zeitunglesen besonders deutlich aus der Mode gekommen. Bis weit in jene Altersstufen hinein, die mit -vierzig enden, ist das Internet dominierend geworden.

Auch dieses Tagebuch – obwohl selber reines Internet-Medium – erkennt die Agonie der Papierzeitungen  durchaus als nationales Problem. Denn dadurch wird der Einfluss des Zwangsgebührenfernsehens noch mehr dominant: Zwar verliert auch der ORF ständig Marktanteile an die privaten Stationen, aber durch das Zeitungssterben wird die APA, von der noch dazu alle Zeitungen aus Einsparungsgründen einen immer größeren Anteil der Inhalte fix übernehmen, wirtschaftlich immer mehr vom ORF abhängig. Auch in der inhaltlichen Ausrichtung. Dieses De-Facto-Monopol auch auf Agenturebene ist längst zu einem demokratischen Problem geworden (wie in etlichen anderen Ländern auch – es wird freilich nur in Hinblick auf Polen und Ungarn vom Mainstream thematisiert, weil dort die Monopol-Tendenzen nach rechts gehen und nicht nach links wie bei uns).

Eine noch viel schlimmere Diskriminierung für sämtliche Zeitungen ist die Bevorzugung des ORF nicht zuletzt durch die Einführung der zwangsweisen Haushaltsabgabe ab kommendem Jahr. Der knalllinke ORF verdient dank einer ÖVP-Ministerin und dank des zur Vorfeldorganisation der SPÖ gewordenen Verfassungsgerichtshofs ungefähr so viel wie alle Tageszeitungen zusammen! 

Gleichzeitig kann es sich der auf einem so fetten Geldpolster sitzende Gebührenfunk erlauben, mit seiner Internetseite auf orf.at den Zeitungen üble Schmutzkonkurrenz zu machen, weil der ORF auf dieser Seite die Konsumenten nicht mit einer Vielzahl von Werbesujets belästigen muss, wie es die Zeitungen müssen, die ja sonst keine Einnahmen haben. Unabhängig davon sind die Internet-Seiten der Zeitungen aber auch durch die Bank leserunfreundlich gemacht.  

Die Schwierigkeiten der Zeitungen erschöpfen sich aber nicht nur im Internet-bedingten Leser-Verlust und in der ORF-Bevorzugung. Daneben spielt auch der "Haltungsjournalismus" vieler Journalisten, vor allem der jungen, eine ganz wichtige Rolle bei der Vertreibung der Leser. Allzu viele Journalisten wollen ständig missionieren statt informieren und recherchieren. Hauptmissionsziele sind die Klimapanik, die Unterstützung der illegalen Migration, die diversen woken Ziele (von Schwul bis Trans, vom Feminismus bis zur Diversität) und der Hass auf jene Partei, die bei allen Umfragen derzeit weit in der Wählerunterstützung führt. Das macht ja logischerweise deren Unterstützer nicht gerade zu begeisterten Medienkonsumenten.

All das hat zu einem schlimmen Vertrauensverlust der Bürger geführt, der sich auch in zahlreichen Umfragen gezeigt hat. Dieser Vertrauensverlust wird sich überdies durch die immer größere Abhängigkeit von politischen Bestechungsinseraten zweifellos noch weiter verschlimmern.

Angesichts durchwegs schwacher Verlegerpersönlichkeiten, die maximal kaufmännische Wunschträume, aber keine publizistischen Dimensionen haben, gibt es auch kaum Perspektiven, dass sich da etwas ändert.

Als ob das nicht alles schlimm genug wäre, sind auch die kommerziellen Inserate – die für manche Zeitungen einst ein noch viel wichtigeres Fundament gewesen sind als die Vertriebserlöse – stark zurückgegangen. Das ist auch klare Folge einer De-Facto-Rezession. Es ist jedoch sehr fraglich, ob die Werbung nach einer Konjunkturerholung wieder zu den Zeitungen zurückkehren oder sich nicht noch mehr im Internet abspielen wird.

Überdies und zusätzlich sind die Zeitungen auch durch die vor allem 2022 steil gestiegenen Papierpreise wie auch die höheren Energiekosten getroffen, die etwa durch die riesigen Druckmaschinen verursacht werden.

Letztlich ist aber auch völlig irre, wie sich – fast alle Zeitungen – selbst hinter "Paywalls" einmauern, statt kollektiv eine gemeinsam Plattform anzubieten, auf der Leser, nach Hinterlegung jeweils eines Pauschalbetrags, einzelne Artikel gegen eine kleine Gebühr von 30 oder 40 Cent abrufen können.

Auch wenn man aus all diesen Gründen in vielerlei Hinsicht zum Zeitungssterben "Selber schuld" sagen kann und muss, so ist das doch kein Trost. Denn mit absoluter Sicherheit steht ein Land noch viel schlechter da, wenn seine Medien so sehr in der Krise sind. Da hilft auch der Verzicht auf den teuren Montag nicht mehr sehr viel. Ebensowenig wie das die Kündigung der üppigen Kollektivverträge tut. Denn der gleichzeitige Leser- und Inseratenschwund sind viel, viel wirkungsvoller.

PS: Auch die "Presse" mit ihrem seltsamen Kurs liegt voll im Trend: Sie ist auf 3,3 bis 3,4 Prozent Leseranteil abgestürzt (ich hatte einst die Zeitung als Chefredakteur beim damaligen historischen Tiefpunkt von 3,9 übernommen, sie zuletzt aber auf 5,3 bis 5,4 Prozent gebracht). Den überhaupt steilsten Absturz hat allerdings die Kronenzeitung hinnehmen müssen: Zur Jahrtausendwende lag sie bei 43,4; jetzt ist sie mit 22,3 Prozent fast genau halbiert. Relativ harmlos ist die Entwicklung hingegen beim "Standard"; er hat jetzt 6,6 Prozent; im ersten Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende war er zwischen 5 und 6 gependelt; und sein Höhepunkt ist vor fünf Jahren bei 7,8 gelegen. Die Erklärung ist eindeutig: Der "Standard" hat Vertrauen behalten, weil er immer klar links gewesen ist, also seinen Kurs geradlinig beibehalten hat. Warum hingegen die Redaktionen von "Presse" und Krone nach links gegangen, also massiv Vertrauen in einer eindeutig nach rechts gehenden Bevölkerung verspielt haben, lässt sich nur mit hochgradigem Masochismus erklären. Oder der Dummheit der Journalisten und der Unfähigkeit von Verlegern und Herausgebern.

PPS: Einen zweiten, jetzt vorbereiteten Paukenschlag wird man erst in etlichen Jahren hören: Juristisch spricht viel dafür, dass das von den Zeitungen geplante Verfahren gegen die ORF-Bevorzugung beim EU-Gerichtshof durchaus gute Chancen hat.

PPPS: Eine intellektuelle und politische "Meisterleistung" der (ja eigentlich dem Bundeskanzler unterstehenden) Medienministerin war im Schatten des ORF-Pfusches die "Lösung" für die "Wienerzeitung". Dorthin fließen jetzt alljährlich zusätzliche Steuermillionen für eine Onlineseite, die sich gleich mehrfach "auszeichnet": Sie wirkt so, wie wenn Publizistik-Studenten sich bei ihrem ersten Projekt versuchen dürfen (viel Grafik, wenig Inhalt); ihre Redakteure scheinen nur sehr gelegentlich zu arbeiten (so liest man zum Kurz-Prozess zum gegenwärtigen Zeitpunkt wirklich schon überall einen Bericht über den ersten Prozesstag –  in der "Wienerzeitung" liest man hingegen nur einen Vorbericht, wie er schon seit Tagen erstellt werden konnte, der überdies der Staatsanwaltschaft von vornherein recht gibt);  sie gendert neuerdings krampfhaft; und sie ist in der gesamten Ausrichtung – wenn einmal ein Text erscheint – linker als der gesamte sonstige Zeitungsmarkt. Da ist es fast schon positiv, dass sie so gut wie gar keine Leser hat. Der Steuerzahler blecht ja trotzdem.

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