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Das hässliche Kleingedruckte bei der schönen „Informationsfreiheit“

Anerkennung, wem Anerkennung gebührt. Das gilt zumindest als Überschrift ganz sicher für die von der Regierung beabsichtigte Abschaffung des Amtsgeheimnisses, für die Einführung eines generellen Bürgeranspruchs auf Information und ganz besonders für den öffentlich bisher weitgehend übersehenen Aspekt, wer da aller Informationen erteilen muss. Vor Euphorie aber sei gewarnt. Diese Warnung wird vor allem dann sehr vehement, wenn man auch das Kleingedruckte liest. Und wenn man die österreichische Verwaltungs- und Höchstgerichts-Realität dazurechnet (mit einigen nachträglichen Ergänzungen des Katalogs jener Dinge, die den Vorschlag der Regierung als problematisch erscheinen lassen).

Dennoch ist schon allein die Abschaffung des Ausdrucks "Amtsgeheimnis" ein nicht zu unterschätzender Fortschritt. Denn dieser Ausdruck strahlt den Eindruck aus, dass da etwas geheimnisvoll Höheres über uns kleine Ameisen herrscht. Wie etwa:

  • ein Herrscher von angeblich Gottes Gnaden;
  • eine Behörde, wie sie schon Franz Kafka erlebt haben muss;
  • oder gar eine totalitäre Obrigkeit, wie jene, unter der Hunderte Millionen Europäer in Osteuropa leiden mussten.

Interessant übrigens, dass der grüne Werner Kogler in diesem Zusammenhang lieber von Metternich und damit von einer 150 Jahre älteren Vergangenheit redet als von der von einem Gutteil der erwachsenen Europäer noch miterlebten Herrschaft der Kommunisten über halb Europa. Dabei ist Metternich nur gegen das vorgegangen, was die absolute Herrschaft des Habsburgerkaisers hätte bedrohen können, die Kommunisten und ihre Ämter hingegen haben wie die Nazis ihren totalitären Anspruch bis ins Privat-, Berufs-, Religions- und Familienleben hinein exekutiert. Aber das nur am Rande als Blitzlicht auf die Denkwelt eines linken Politikers.

Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses bedeutet jedenfalls einen wichtigen Schritt – aber eben nur einen Schritt – hin zu einem fundamentalen Umdenken. Das wirkliche Ziel ist erst dann erreicht, wenn Regierungen aller Ebenen, wenn Beamte aller Ebenen, wenn alle von Steuergeld lebenden Institutionen sich endlich als das begreifen, was sie in einem wirklich demokratischen Land sein müssten: als Angestellte der Bürger und nicht als deren Vorgesetzte.

Immerhin heißt ja auch "Minister" auf Deutsch Diener oder Gehilfe. Fragt sich nur wessen. Einst waren Minister ja primär Diener des souveränen Monarchen. Offen bleibt, ob sie begriffen haben, dass das doch nur bedeuten kann, dass sie heute Diener des nunmehrigen Souveräns sind, des Volkes, der Bürger – und nicht deren Beherrscher.

Diesen zentralen Schritt kann man jedenfalls nur vehement begrüßen – und hoffen, dass diese geistige Änderung irgendwann einmal auch in allen Amts- und Wachstuben ankommt.

Ein zweiter überaus positiver Aspekt ist – vermutlich aus Vorsichtsgründen – bisher untergegangen: Das ist der weite Kreis, wer anfragenden Bürgern volle Information zu geben hat. Denn der ist weit größer als jener, über den bei parlamentarischen Anfragen Auskunft gegeben werden muss. Denn das sind alle einer Rechnungshofs- (oder Landesrechnungshof-)Prüfung unterstehenden Institutionen. Und zu denen zählen etwa auch der ORF, etwa auch die Universitäten, etwa auch die (besonders inseratenfreudigen) Betriebe der Wiener Holding.

Es ist stark anzunehmen, dass die Bürger-Rechercheure da weit intensiver die Finger auf die wirklichen Probleme legen werden, als es der oft auf die Erbsenzählerei (oder politisch modische Themen wie den Gewaltschutz oder die Frage, ob Frauen bei irgendeinem Studium unterrepräsentiert sind) abgleitende Rechnungshof tut. 

Was sind aber die derzeit kaum beachteten Aspekte, die bei aller grundsätzlichen Freude dringend zur Vorsicht mahnen?

  1. Da fehlt zuerst noch die Zustimmung von FPÖ oder SPÖ. Die ist gar nicht so selbstverständlich. Die Neuregelung gilt nur als Verfassungsgesetz auch für Länder, Gemeinden, Selbstverwaltungen und ausgegliederte Organisationen. Das Erfordernis der Zustimmung einer dieser beiden Parteien kann noch durchaus spannend werden (die Neos haben ja zu wenige Abgeordnete, um eine Zweidrittelmehrheit zu ermöglichen). Denn die FPÖ zeigt in ihrer Totalopposition generell wenig Bereitschaft, der Regierung irgendwo zu helfen. Und bei der SPÖ sind bisher noch bei jeder Materie die Machtinteressen des Wiener Rathaus-Imperiums ausschlaggebend gewesen. Und dort sinnt man zweifellos schon heftig nach, ob beispielsweise gar die Geheimhaltung des "Commitments" gefährdet ist, dass man einem Spekulanten gegeben hat, neben dem Konzerthaus ein Hochhaus bauen zu dürfen. Gar nicht zu reden von den merkwürdigen Umwidmungen, von denen regelmäßig Parteibonzen profitieren. Aber natürlich wird die SPÖ diesbezügliche Bremsversuche als Bemühungen um eine Verbesserung des Gesetzes tarnen.
  2. Da gibt es weiterhin die berechtigte Angst, dass durch das Gesetz ein Wust an Bürokratie entstehen wird.
  3. Da macht ebenso Sorge, dass wichtigmachende oder gestörte Querulanten mit ständigen Anfrageserien dem Staat – also den steuerzahlenden Bürgern – einen neuen Wust an Kosten anhängen könnten. Ein Auskunftsbegehren ist ja leider nicht an einen Kostenbeitrag gebunden, wie hier empfohlen worden war.
  4. Da entsteht ein riesiges Betätigungsfeld für Juristen, um all die Zweifelsfragen zu klären, die rund um das sehr allgemein gehaltene Gesetz bestehen. Es wird wohl ganze Studienspezialisierungen und Institute geben müssen, die sich mit den Folgen eines einzigen Gesetzes beschäftigen.
  5. Da schiebt die Politik mit ihren Formelkompromissen vor allem den Richtern in den diversen Verwaltungsgerichten und im Verfassungsgerichtshof nun ein weiteres Stück an Macht zu. Denn nur diese werden am Ende klären können, was es beispielsweise heißt, dass Informationen an anfragende Bürger nicht erfolgen müssen, wenn deren Antrag "missbräuchlich" erfolgt ist. Wenn sich der Gesetzgeber auf solche Gummibegriffe beschränkt, wird immer die Richterklasse noch mehr zum wahren Gesetzgeber.
  6. Da ist zumindest vorerst ebenso unklar, was das Recht der Informationsverweigerung für Unternehmen im Staatseigentum eigentlich bedeutet, das ihnen eingeräumt wird, wenn ansonsten ihre "Wettbewerbsfähigkeit" beeinträchtigt ist. Betriebe wie das Genossen-Versorgungs-Imperium der Wiener Holding werden vermutlich alles und jedes unter dieser Klausel geheimhalten wollen, was über den Fahrplan der Wiener Linien hinausgeht.
  7. Da fehlt ein Weg zu einer raschen Durchsetzung des Informationsbedürfnisses. Denn der Weg über die Oberstgerichte ist ein langer. Und es ist sehr oft so, dass Informationen nach einer Zeit irrelevant werden.
  8. Da fehlen Sanktionen für Behörden, die Informationen wider das Gesetz nicht erteilen.
  9. Da ist mehr als problematisch, dass künftige Änderungen am Informationsfreiheitsgesetz den Konsens aller neun Landeshauptleute brauchen. Das ist eine in der österreichischen Rechtsordnung völlig neue Umwälzung, dass die Landeshauptleute als Kollektiv von ihrer bisherigen informellen Rolle zu einer Rechtsinstanz werden.
  10. Da macht die Regelung für Kleingemeinden unter 5000 Einwohnern wenig Sinn. Zwar ist zweifellos viel Verständnis für die Belastung der Bürgermeister ohne großen Apparat aufzubringen. Aber es ist völlig absurd, wie man das jetzt regeln will: Denn sie sollen von der Pflicht zur Veröffentlichung befreit werden, alle individuellen Anfragen aber beantworten müssen. Dabei sind gerade diese die große Gefahr einer Überlastung. Denn die Antworten müssen ja in rechtlich ordentlicher Form und nicht nur am Wirtshaustisch gegeben werden. Hingegen ist kaum vorstellbasr, dass der Transfer schriftlicher Unterlagen auf eine Homepage einen Bürgermeister oder seinen Sekretär überfordert. 
  11. Und da besteht das allergrößte Hindernis für die Realisierung einer wirklichen Informationsfreiheit in dem ausdrücklich genannten Datenschutz. Dessen unheilvolle Bedeutung ist ja nicht gerade neu, er ist vor allem von der EU schon seit Jahren zum riesigen Popanz aufgeblasen worden (wobei die täglich alle Internet-Benutzer nervende Pflicht, ständig Cookies wegklicken zu müssen, ja nur ein winziger Teil vom Datenschutz-Moloch ist). Wer die Antworten von Behörden in den letzten Jahren verfolgt hat, warum sie keine Auskunft geben (wollen), der wird in der Begründung fast immer das Wort "Datenschutz" entdecken. Die haben für ihre Untätigkeit längst nicht mehr das Wort "Amtsgeheimnis" gebraucht. Gerade im Bereich der Korruption, also in all den Fällen, wo sich jemand auf Kosten der Allgemeinheit bereichert oder einen sonstigen Vorteil erlangt hat, kann man praktisch immer mit dem Persönlichkeitsrecht des Datenschutzes argumentieren. Auch wenn es nur ein Persönlichkeitsschutz für korrupte Beamte und Politiker oder die von ihnen Protegierten ist.

Gewiss: Allein die Tatsache, dass die Behörden jetzt von vornherein alle Studien, Umfragen und Berichte offenlegen müssen, hat positives Potenzial. Aber auch hier sollte man die Realität abwarten: Werden vielleicht künftig weniger Studien in Auftrag gegeben werden, wenn ein Minister, Landesrat oder Bürgermeister fürchten muss, dass die nicht im erwünschten Sinn ausfällt? Oder wird schon vor der Auftragserteilung ganz vertraulich geklärt werden, ob eine Studie "richtig" ausfällt, wie es etwa regelmäßig bei "Empfehlungen" der Personalberater an die Politik der Fall ist? Oder wird umgekehrt eine solche Fülle von Berichten veröffentlicht, die ob ihres Umfangs alles und nichts enthalten, mit denen dann das Informationsbedürfnis für gedeckt erklärt wird?

In Summe gilt: Die Richtung des neuen Gesetzes stimmt. So werden beispielsweise die Gemeinde Wien und all ihre Töchter und Enkelinnen wohl erheblichen Erläuterungsbedarf haben, warum ihr Imperium – beispielsweise – einem kaum gelesenen Blatt namens "Falter" so viele Inserate zahlt, dass dieses überhaupt erscheinen kann. Oder wird man auch diese Begründung mit "Datenschutz!" oder "Wettbewerbsfähigkeit!" oder "Missbrauch!" verweigern?

Die Koalition zwischen zwei sonst so überhaupt nicht zusammenpassenden Parteien darf sich jedenfalls einmal über einen Erfolg freuen. Das dürfen im Prinzip auch die Bürger. Aber wir alle sollten uns der gewaltig großen Hindernisse im Klaren sein, warum es noch alles andere als sicher ist, dass das Informationsfreiheitsgesetz auch in fünf Jahren als wirklicher Erfolg angesehen werden kann. Aus drei Gründen:

  1. weil es wirklich objektiv eine ganz schwierige Materie ist;
  2. weil der Regierungskompromiss sich bei den wirklich heiklen Fragen mit unklaren Gummiformeln begnügt;
  3. und vor allem weil die künftige Teiltransparenz der Behörden nicht einmal annähernd gleichwertig ist mit all den infamen Aktionen, mit denen die politische Macht (vor allem, aber nicht nur aus der EU) umgekehrt die Bürger zur totalen Durchleuchtung, Nacktheit, Rechtlosigkeit und zu einem weitgehenden Verzicht auf Meinungsfreiheit gezwungen hat.

Sie tut oder plant das auf verschiedenen Wegen wie etwa:

    • da werden "falsche" Meinungen zu Klima oder Corona als "Fake News" von der Obrigkeit verfolgt;
    • da wird das ganz normale Finanz- und Wirtschaftsleben unter dem Vorwand der Jagd auf Geldwäsche in großen Teilbereichen behindert oder ganz verhindert;
    • da müssen wir in Bälde durch Eintragung in "Vermögensregister" jeden über 200.000 Euro hinausgehenden Besitz offenlegen (damit dann eine linke Regierung jeden völlig legal erworbenen Euro alljährlich neu besteuern kann ...);
    • da soll es angeblich der Terrorismusbekämpfung dienen, wenn Bargeldtransaktionen über 10.000 Euro kriminalisiert werden;
    • da werden unerwünschte Meinungen als "Hassdelikte" verfolgt;
    • da spielt eine durch und durch (links) politisierte Staatsanwaltschaft sogar die sexuelle Veranlagung eines ihrer Opfer in die Öffentlichkeit;
    • da verfolgen die Häscher in der Staatsanwaltschaft jahrelang Unschuldige und vernichten ihre persönliche Existenz, ohne ihnen wenigstens nachher eine angemessene(!) Entschädigung zu zahlen und ohne dass die staatsanwaltschaftlichen Täter in irgendeiner Weise zur Rechenschaft für ihre durchaus mit totalitären Regimen vergleichbaren Taten gezogen werden.

Es ist also noch ein bisschen zu früh, um sich selbst auf die Schulter zu klopfen.

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