Wien baut – der Steuerzahler blecht: die zehn größten Skandale
16. September 2023 01:51
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 8:00
Eine Kreditkarte ohne Limit und null Angst, je die Rechnung für die politische Verantwortung(slosigkeit) übernehmen zu müssen: Das sind kurz gesagt die Bedingungen, unter denen von der Stadt Wien Großprojekte geplant und umgesetzt werden. Diese laufen dann meist komplett aus dem Ruder, sind also nicht nur um einiges teurer als ursprünglich vorgesehen, sondern werden in der Regel auch viel später fertig (was den volkswirtschaftlichen Schaden noch einmal vergrößert).
Aktuell beschäftigt die Medien gerade die "Wien-Holding-Arena", die ein heißer Kandidat ist, später einmal in die nachfolgende Top-10-Liste der (chronologisch gereihten) größten Wiener Bauskandale einzugehen. Eigentlich hätte das als "zweite, neue Stadthalle" konzipierte Projekt in einigen Monaten (2025) schon fertig sein sollen – doch in St. Marx wurde noch nicht einmal mit dem Spaten gestochen. Stattdessen gibt es schon im Vorfeld einen Planungsmurks, Warnungen der Rathaus-Opposition wie auch des Stadtrechnungshofes vor einer Kostenexplosion und jetzt schon Gerichtsprozesse von unterlegenen Mitbewerbern.
Demgegenüber glaubt die Rathaus-SPÖ, das Kostenrisiko für die 20.000-Zuschauer-Arena einem strategischen Partner umhängen zu können, der nicht nur baut, sondern die Halle später auch betreibt – wobei die Wien-Holding dann am Gewinn (oder Verlust?) beteiligt werden soll. Klingt alles irgendwie nach einem Sozi-Schlaraffenland. Aja – und eröffnet soll das Ganze auch irgendwann einmal werden. Die letzte Meldung war: Ende 2029. Man kann jetzt schon Wetten abschließen, dass es in diesem Jahrzehnt nichts mehr wird. Übrigens hat der frühere Bürgermeister Michael Häupl bereits für das Jahr 2010 eine Mehrzweckhalle für 15.000 Zuschauer versprochen – und zwar "fix". Die hätte damals übrigens "nur" 70 Millionen Euro kosten sollen. Nunmehr redet man von Gesamtkosten im Bereich von einer Milliarde.
Die Liste der bisherigen Skandale des Wiener Rathauses:
- Wiener AKH: Im Milliardenbereich "verschätzt" hat man sich seinerzeit auch beim Bau des neuen Wiener AKH – allerdings damals noch im Schillingbereich. Was es nicht wirklich besser machte, denn die Kostenexplosion von der zunächst angenommenen einen Milliarde auf später 45(sic!) Milliarden Schilling ist beispiellos in der Geschichte der Republik. Europas teuerstes Spital war auch 20 Jahre lang (erst 1994 offiziell eröffnet) eine Großbaustelle. Der AKH-Skandal samt Schmiergeldaffäre zog zwar das größte Gerichtsverfahren in Nachkriegs-Österreich nach sich, von den handelnden Politikern ob des Missmanagements verurteilt wurde aber kein einziger (Hannes Androsch wurde im AKH-Zusammenhang "nur" wegen Falschaussage im U-Ausschuss verurteilt). Die danach von Bundespräsident Rudolf Kirchschläger eingeforderte "Trockenlegung der Sümpfe und sauren Wiesen" hat man in der Bundeshauptstadt jedenfalls nicht wirklich beherzigt.
- Praterstadion: Sonst hätten die roten Stadtväter nämlich etwas penibler auf das Börserl ihrer Steuerzahler geachtet, als es Mitte der 1980er-Jahre galt, das alte Praterstadion zu modernisieren – inklusive der neuen, heute noch prägenden (und unter Denkmalschutz stehenden) Dachkonstruktion. Kostenpunkt (Daumen x Pi): 372 Millionen Schilling; Kostenpunkt (bei Fertigstellung anno 1986): 588 Millionen. Also eine fast 60-prozentige Baukostenüberschreitung. Geschenkt. Und daraus gelernt haben die Stadion(um)bauer dann auch wieder nicht. Denn als es vor der EM 2008 galt, das nunmehrige Ernst-Happel-Stadion Endrunden-tauglich zu machen, wurde wieder ordentlich investiert (und verkalkuliert): Statt 18 Millionen schlug sich das Ganze mit 30,78 Millionen Euro zu Buche (ein sattes Plus von 72 Prozent. Immerhin teilten sich (wie beim AKH) Bund und Stadt die Kosten.
- Museumsquartier: Auch die Transformation der alten Hofstallungen respektive des Messepalastes zu einem lebendigen Museumsviertel ging um die Jahrtausendwende alles andere als friktionsfrei ab. Die gemeinsame Gesellschaft von Bund (75 Prozent) und Stadt Wien (25) schaffte es nicht, den beschlossenen Baurahmen einzuhalten und überzog diesen um fast 40 Prozent. Statt 1,45 kostete das 2001 eröffnete MQ etwas mehr als 2 Milliarden. Ein kleiner Trost für den Steuerzahler, dass es auch hier noch Schillinge waren.
- Ronacher: Bleiben wir gleich in der Wiener Kulturszene, diesmal bei den Vereinigten Bühnen Wien (übrigens Teil der Wien-Holding): Für den Umbau des Ronacher in eine Musical-Bühne mussten die Wiener nämlich ganz besonders tief in die Tasche greifen. Waren es zunächst angenommene 15 Millionen Euro, so wuchsen die geschätzten Kosten später auf 34,1, ehe dann am Ende sogar 46,8 Millionen Euro – also eine schlappe Verdreifachung – in den Büchern standen. Überdies sorgten diverse Probleme im Haus auf der Seilerstätte für eine um ein gutes Jahr spätere Wiedereröffnung, die erst 2008 erfolgte.
- Müllverbrennungsanlage Simmering: Im selben Jahr folgte auch die Eröffnung des dritten Wiener Müllofens in Pfaffenau – wenngleich Ort (Simmering) und Anlass keine feine Abendgarderobe erforderten. Man hätte die Eröffnungsgäste aber durchaus wie im Ronacher luxuriös bewirten können, denn bei der vorherigen Baukostenexplosion wären die Zusatzauslagen für Lachs und Champagner auch schon wurscht gewesen. Die Investitionssumme für die (überdies umstrittene) Anlage wuchs nämlich von 180 auf 222 Millionen Euro an.
- U2-Verlängerung Stadion: Kurz vor der Fußball-Europameisterschaft 2008 erfolgte die Eröffnung der neuen U2-Verlängerung zum Stadion, die (schon damals) dem Prinzip "Koste es, was es wolle" folgte. Denn der enorme Zeitdruck, zwingend vor dem Großereignis fertig zu werden, dazu Verzögerungen durch diverse Grundstücksstreitereien, ließen die Gesamtausgaben rapide ansteigen – am Ende waren es 890 statt 700 Millionen Euro für die Verlängerungsstrecke.
- Prater-Riesenradplatz: Bleiben wir gleich im Prater und kommen zum wohl empörendsten Stück kommunaler Fehlleistung in der Ära Häupl, die wahrlich nicht arm an solchen Geldverschwendungsaktionen war. Das Krankenhaus-Nord (Punkt 9) mag zwar in Summe der größere Skandal gewesen sein, doch der Umbau des Riesenradplatzes in eine peinlich verkitschte Szenerie aus Pappendeckel-Fassaden war eine Meisterleistung im Geldrausschmeißen, die sogar die Schildbürger neidisch gemacht hätte. Statt der geplanten 32 hat das vergleichsweise winzige Projekt satte 60 Millionen Euro verschlungen – also eine schlanke Verdoppelung der Kosten; bis heute ist unklar, wo einige dieser Steuerzahlermillionen versickert sind (eine Analogie zum damals parallel laufenden Bawag-Prozess); auch die Staatsanwaltschaft ist nicht fündig geworden und hat letztlich sogar alle Verfahren niedergeschlagen (gegen Politiker wurde gleich gar nicht ermittelt); die verantwortliche Politikerin, Vizebürgermeisterin Grete Laska, ist später dezidiert nicht wegen dieses beispiellosen Finanzdebakels zurückgetreten, sondern weil sie sich mehr um ihre Enkerl kümmern müsse, wie sie sagte. Aber vielleicht hat die Edel-Sozialistin die verschwundenen Millionen mittlerweile von ihrem mondänen Anwesen in Florida aus schon entdeckt.
- Flughafen-Skylink: Kaum hatten sich die Medien am Prater abgearbeitet, poppte ein neuer Bauskandal auf – jener des neuen Flughafen-Terminals Skylink in Wien-Schwechat. Dabei hätte das 2006 begonnene Projekt 2008 schon fertig sein sollen – letztlich konnte der später in "Terminal 3" umbenannte neue Flughafen-Ast erst 2012 in Betrieb gehen. Ach ja, und gekostet hat er dann auch eine Kleinigkeit mehr: Statt der ursprünglich kalkulierten 400 Millionen Euro wurden es letztlich 725 Millionen Euro (wobei durch diverse Rückforderungen die zwischenzeitlich drohende Milliardengrenze doch nicht gesprengt worden ist). Dennoch: Das Bauwerk sei laut "Profil" ein "Mahnmal beispielloser Misswirtschaft". Auf allen Ebenen versagt hat jedenfalls das Flughafen-Management, das bekanntlich von den 40-Prozent-Eigentümern Wien und Niederösterreich gestellt wird. Insbesondere Projektsteuerung und Bauaufsicht kamen ihren Pflichten nicht nach, wiewohl mir einmal ein fuchsteufelswilder roter(!) Baumanager gesagt hat, dass nichts so einfach wäre, wie einen solchen Terminal zu bauen: Schließlich seien ja nur die immer gleichen Abschnitte (Gates) zu errichten, und das auf einem völlig freistehenden Bauplatz. Dennoch wurde diese Erweiterung ein veritabler Pfusch, wie alle Passagiere heute wissen, die in diesem Terminal vor dem Abflug aufs WC runterhecheln oder bei der Ankunft lange, verwinkelte Wege zur Kofferausgabe zurücklegen müssen. Verantwortlich für das Debakel war auch hier (natürlich!) niemand: Das Verfahren gegen 69 Beschuldigte wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt, obwohl der Rechnungshof klare Hinweise auf Korruption gegeben hatte.
- Krankenhaus-Nord. Keiner der Verantwortlichen im Rathaus konnte sich darauf ausreden, es nicht besser gewusst zu haben – denn schon vor dem Baustart des neuen Spitals an der Brünner Straße haben etliche Medien davor gewarnt, dass hier ein "neuer Skylink" drohe. Denn der damalige Krankenanstaltenverbund KAV und natürlich die politisch zuständige Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) hatten sich – wie beim "Skylink" – dafür entschieden, das Großprojekt in Eigenregie mit den Dutzenden Einzelgewerken umzusetzen und nicht (wie ursprünglich geplant) das Projekt zum Fixpreis einem Generalunternehmer (Porr/Siemens/Vamed) anzuvertrauen. Weil Ersteres eben günstiger käme. Dieses "Günstiger" sind in Zahlen ausgedrückt Mehrkosten von fast einer halben Milliarde Euro. Am Ende kostete die heutige "Klinik Floridsdorf" nämlich 1,26 Milliarden Euro, vom Gemeinderat waren aber nur 825 Millionen budgetiert. Die jahrlange Verzögerung (2019 statt 2011 eröffnet) verbrannte freilich auch einiges an Euro-Banknoten, weil anderswo Abteilungen länger und teurer betrieben werden mussten. Medial für den größten Furor sorgte der sogenannte "Schutzring" eines Energetikers, der allein 95.000 Euro kostete. Das verstellte wiederum den Blick auf die eigentliche Ursache des Skandals, nämlich dass die kleine Bauabteilung des KAV niemals ein solches Monsterprojekt stemmen konnte und mit der ganzen Koordinierung der Baustelle heillos überfordert war. Wer gedacht hat, wenigstens bei diesem Finanzdebakel fände die Korruptionsstaatsanwaltschaft ein paar Schuldige, der kennt die Verhältnisse im roten Wien schlecht. Alle Verfahren gegen diverse Beteiligte wurden wegen "nicht genügend Anhaltspunkten" eingestellt. Und die politisch verantwortliche Stadträtin Wehsely? Die machte – ohne Schuldeingeständnis – den Absprung zu der eng mit der Stadt verbandelten Siemens Healthcare. Mit Geschäften auf Steuerzahlerkosten kennt sie sich eben aus.
- Theater an der Wien: Hat die Wiener SPÖ aus all dem gelernt? Ist wenigstens unter Michael Ludwig die Überzeugung gereift, mit Geld, das einem nicht gehört, sorgsamer umzugehen? Eher nicht, wie das aktuelle Beispiel "Theater an der Wien" belegt, das ein Kandidat für das "goldene Fass ohne Boden" werden könnte. Denn vor kurzem mussten die Vereinigten Bühnen Wien eingestehen, dass es bei der derzeit laufenden Sanierung zu eklatanten Mehrkosten von rund 35 Prozent gekommen sei – statt der ursprünglich kalkulierten 60 sollen es am Ende 81 Millionen Euro an Umbaukosten werden. Ob es dabei bleibt, wird man aber erst zur Wiedereröffnung des Opernhauses wissen – die für Herbst 2024 vorgesehen ist. Man sollte in und an der Wien aber nicht darauf wetten, dass dieser Termin auch wirklich hält.
zur Übersicht